TPflanzenschutz: Kartoffelbauern im Kreis Stade sind in großer Sorge

Knackige gesunde Kartoffeln - ist es damit bald vorbei? Foto: Uwe Anspach/dpa
Um ihre Ernte zu schützen, müssen Kartoffelbauern Pflanzenschutzmittel ausbringen. Aber nur noch wenige sind erlaubt. Ein Experte zeichnet ein düsteres Bild.
Ahlerstedt. Mit mehr als 200 Besuchern war die Schützenhalle in Ahlerstedt voll. Das Team Pflanze der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Bezirksstelle Bremervörde, und die Raisa hatten die Veranstaltung auf die Beine gestellt. Acht Referenten vom Fach gaben den Gästen Einblick in den Kartoffelmarkt, beleuchteten Sorten und Kartoffelmärkte im Ausland. Ein großes Thema: der Pflanzenschutz.
Stimmen und Sorgen der Stader Kartoffelbauern
Die Auswahl an Insektiziden werde immer geringer, sagte Hans Peters, Kartoffelbauer aus Stade Hagen, dem TAGEBLATT. „So können wir kein gutes Pflanzgut erzeugen.“ Im April will er wieder ausbringen, er arbeitet in der Pflanzkartoffel-Vermehrung.

Hans Peters, Landwirt aus Stade-Hagen. Foto: Bisping
„Unser größtes Problem ist, dass uns immer mehr Pflanzenschutzmittel genommen werden“, bestätigt ein Landwirt aus dem Kreis Cuxhaven. Der Wegfall von Pflanzenschutzmitteln ist auch Steffen Tobaben-Merkens größte Sorge. Der Landwirt aus Beckdorf pflanzt ebenfalls im April Kartoffeln an und sagte: „Wenn wir immer das gleiche Produkt nehmen, kommt es schnell zur Resistenzbildung.“

Steffen Tobaben-Merkens, Landwirt aus Beckdorf. Foto: Bisping
Das treibt auch Kartoffelbauer Jan Erhorn von der Ackerbau KG Nordheide aus Buchholz Sprötze um. Er bringt Frühkartoffeln ab Mitte Februar aus, hauptsächlich im April. Die wenigen verbleibenden Pflanzenschutzmittel und das Insektenproblem - so beschrieb er seine größte Sorge.
Niedersachsen - das größte Kartoffelanbaugebiet in Deutschland
62,7 Kilogramm Kartoffeln pro Kopf verbrauchen die Deutschen im Jahr, sagte Christian Hellbrügge, Abteilungsleiter Food & Seeds bei Raisa. Deutschland gehört neben Frankreich zu den größten Kartoffelanbauländern der EU. Auf 289.000 Hektar wächst hier die beliebte Knolle - hauptsächlich in Niedersachsen, auf einer Fläche von 133.000 Hektar.
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Die Pflanzkartoffel sei im Angebot „knapp bis ausdisponiert“, sagte Hellbrügge. Für diese Saison sind die meisten Sorten für den Anbau bereits ausverkauft. Hauptanbausorte sei Belana, eine festkochende Speisekartoffel, weiß Agraringenieur Heinrich Klensang von der Bezirksstelle Bremervörde.
Insgesamt 550 Sorten werden in Deutschland vermehrt und angebaut, davon 300 Sorten Speisekartoffeln, je 100 für die Pommes- und die Chips-Verarbeitung und 50 Sorten für Stärkeprodukte.
Zwischen 40 und 50 Kartoffelbauern gebe es im Landkreis Stade, sagte Klensang. Sie pflanzen ihre Kartoffeln auf insgesamt 2195 Hektar aus. Aufgrund der nur noch wenigen erlaubten Pflanzenschutzmittel bleibt die Lage angespannt. Auch die Blattlaus trägt dazu bei.
Experte sieht besondere Gefahr und übt Kritik
Experte in diesem Fach ist der Agrarwissenschaftler Lüder Bornemann, Leiter Team Pflanze und stellvertretender Leiter der Bezirksstelle Bremervörde. Er moderierte die Veranstaltung. Bornemann sagte, dass nur noch sehr wenige Pflanzenschutzmittel zugelassen sind.
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Die Blattläuse übertragen Viren, die die Kartoffel sozusagen krank machen und sie schädigen, so Bornemann. Aufgrund der wenigen zugelassenen Pflanzenschutzmittel ist kaum ein Präparatewechselt möglich, Resistenzen bilden sich.
Nicht nur die Blattlaus bereitet Sorge. Wie berichtet, wird auch die Schilf-Glasflügelzikade zum Problem. Sie scheint sich im Zuge der Klimaerwärmung von Frankreich auf den Weg nach Deutschland gemacht zu haben.
Das Insekt tritt schon stark im südlichen Raum in Deutschland auf, weiß Bornemann. Vor allem in der Rübe sei sie „ein Riesenproblem, sie überträgt zwei Krankheitserreger, die auch Kartoffeln angreifen können“.
Die Erreger sorgen dafür, dass Rüben und Kartoffeln gummiartig werden. „Dann gehen die Ernteerträge stark zurück“, sagte Bornemann. Einzige Möglichkeit sei eine Änderung in der Fruchtfolge, der Acker müsse über Winter ruhen und als Erstes Mais angebaut werden. Welcher Bauer könne sich das leisten?
In Deutschland sei, im Gegensatz zu anderen Ländern, nichts so reglementiert wie Pflanzenschutzmittel. „Ändert sich nichts, haben wir in der Konsequenz keine Kartoffeln mehr zur Vermarktung.“ Die Politik müsse umdenken, sagte Lüder Bornemann. „Sonst fahren wir den Karren an die Wand.“

Die sehr gut besuchte Schützenhalle während der Kartoffelfachveranstaltung in Ahlerstedt. Foto: Bisping