TPolizeikosten-Urteil: Müssen jetzt auch die Musik-Festivals draufzahlen?

Ein Einsatzfahrzeug der Polizei fährt vor dem Gelände des Hurricane Festivals entlang. Foto: Moritz Frankenberg
Der Fußball soll zahlen - und die Kultur? Beim Hurricane-Fesitval in Scheeßel geht es um Millionen. Das sind die Reaktionen.
Scheeßel. Das Bundesverfassungsgericht hat es grundsätzlich für zulässig erklärt, Fußballvereine und die Deutsche Fußball-Liga (DFL) an den Polizeikosten von sogenannten Hochrisikospielen zu beteiligen. Bereits kurz darauf sind Forderungen aufgekommen, andere Großveranstaltungen ebenso zur Kasse zu bitten, sollten sie eine starke Polizeipräsenz erfordern. Eine Debatte, die irgendwann wohl auch Scheeßel erreichen wird.
Dort feiern vor den Augen mehrerer Tausend Beamter jedes Jahr im Juni 78.000 Menschen ein Wochenende lang eine riesige Party. Das kostet das Land Niedersachsen und seinen Steuerzahlern jedes Mal circa 1,6 Millionen Euro, wie das niedersächsische Innenministerium auf Nachfrage mitteilt. Dass das Land derartige Kosten irgendwann zurückfordert, ist aber unwahrscheinlich.
Personalkosten mit höchstem Anteil
Demnach sind im vergangenen Jahr 1,596 Millionen Euro an Polizeikosten beim Mega-Event auf und rund um den Eichenring zusammengekommen. Den größten Anteil daran hatten die Personalkosten in Höhe von 1,386 Millionen Euro, der Rest verteilte sich über mittlere bis hohe fünfstellige Summen auf Posten wie Unterbringung, Verpflegung, Einsatzmittel und andere. Die Gesamtsumme hält sich im Vergleich zur Hurricane-Ausgabe 2019 ungefähr die Waage. Damals kamen laut Innenministerium fast 1,595 Millionen Euro zusammen, die sich allerdings anders zusammensetzten. Da das Hurricane mit 78.000 Besuchern seine Obergrenze erreicht hat, zeitgleich kein größerer Polizeieinsatz zu erwarten ist, sollten die Kosten auch in diesem Jahr in diesem Rahmen bleiben.
Hochrisikospiele
Nach DFL-Niederlage in Streit um Polizeikosten - Was jetzt?
Ein Kuriosum: Obwohl 2024 mit 2.985 fast 200 Beamte mehr im Einsatz waren als 2019, sind die Personalkosten um etwa 50.000 Euro gesunken. Das liegt daran, dass „die einzelnen Beamtinnen und Beamten in einem kürzeren Zeitraum als im Jahr 2019 eingesetzt waren“, so das Innenministerium. Der Veranstalter FKP Scorpio kommt in Teilen für die Kosten für die Herrichtung der Infrastruktur auf dem Veranstaltungsgelände auf. Zudem organisiert die Hamburger Agentur für das Event eigene Sicherheitskräfte.
Bremen ist einziges Bundesland mit neuer Regelung
Das Urteil aus Karlsruhe bestätigte die Gebührenordnung des Landes Bremen, das seit 2014 - nach einem Spiel der rivalisierenden Klubs Werder Bremen und Hamburger SV - die Polizeikosten von der DFL zurückforderte. Der entsprechende Paragraf der Gebührenordnung bezieht sich dabei auf Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Besuchern und einer zu erwartenden Gewaltbereitschaft. Noch ist Bremen das einzige Bundesland mit einer derartigen Regelung. Die anderen Länder, wie auch Niedersachsen, halten sich (noch) zurück. „Wir werden die Entscheidung des Gerichts nun sehr genau analysieren und die weiteren Schritte für Niedersachsen sorgsam abwägen“, so Innenministerin Daniela Behrens (SPD) nach dem Urteil.
Geht vom Urteil eine Gefahr für das Hurricane oder andere Festivals aus? „Das Urteil bezieht sich unseres Erachtens ausschließlich auf eine spezifische Sonderregelung, die in Bremen zur Regelung einer ganz besonderen Konstellation geschaffen wurde“, so FKP-Scorpio-Sprecher Jonas Rohde. Verallgemeinerungsfähig seien zu diesem Zeitpunkt weder die Sonderregelung noch das kürzliche Urteil dazu. „Wir sehen auch keine Verbindung, weil Musikfestivals als Kulturveranstaltungen gesellschaftliche Teilhabe fördern.“ Ohnehin hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass Veranstalter sich die Polizeikosten leisten können müssen. Sie dürfen dadurch nicht wirtschaftlich in Not geraten. Rohde: „Die Beteiligung an den Polizeikosten hätte wohl zur Folge, dass solche Events nicht zuletzt in Anbetracht der stark gestiegenen Produktionskosten nicht mehr wirtschaftlich durchführbar wären.“
Festival nicht für Ausschreitungen bekannt
Das Detail „Gewaltbereitschaft“ wird die Hurricane-Veranstalter wohl ebenso ruhig schlafen lassen. Trotz der großen Zahl an Besuchern und des hohen Alkoholkonsums sind das Scheeßeler Festival und die übrige Szene nicht für Ausschreitungen bekannt. Dennoch haben bereits erste Stimmen gefordert, dass neben Fußball- auch andere kommerzielle Veranstaltungen in die finanzielle Verantwortung bei den Polizeieinsätzen genommen werden müssen - darauf weisen allen voran Vertretungen von Fußball-Fans hin. Als Beispiele wurden das Oktoberfest in München und der Kölner Karneval genannt, die ebenfalls hohe Kosten und Sicherheitsaufwand für die Allgemeinheit hinterlassen.
Allerdings trägt das Hurricane auch einiges zur Wirtschaft und zum gesellschaftlichen Leben in Scheeßel bei. Da ist nicht nur ein immenser Imagegewinn, den die Gemeindeverwaltung einmal festgestellt hat. Die Miete des Eichenrings sichert den Motorsportclub als Besitzer und seine Rennen finanziell ab, die Geschäfte im Ort profitieren ebenfalls. (rk/yvo)