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Bremerhaven

T„Pride of America“ sinkt – und zieht die Lloyd Werft 2004 an den Rand des Abgrunds

Die „Pride of America“ liegt schief in elf Meter Tiefe auf dem Grund des Hafenbeckens.

Die „Pride of America“ liegt schief in elf Meter Tiefe auf dem Grund des Hafenbeckens. Ein Schock für die Beschäftigten. Foto: Scheer

Es war eine stürmische Nacht. Heftige Böen neigten das fast fertige Kreuzfahrtschiff. Wasser drang ein und drückte den Koloss auf den Grund des Hafens. Vor 20 Jahren sank die „Pride of America“ und drohte, die Lloyd Werft mit ins Bodenlose zu ziehen.

Von Klaus Mündelein Donnerstag, 02.05.2024, 08:00 Uhr

Bremerhaven. Nach einer stürmischen Nacht lag die „Pride of America“ in Schräglage vor der Ausrüstungspier der Bremerhavener Lloyd Werft. Es war nicht das merkwürdig schiefe Schiff, das Nils Bothen auf dem Weg zur Arbeit am Morgen des 14. Januar 2004 aufgefallen war.

Er sah zunächst, dass Kran 4 einfach nicht mehr da war, wo er sein musste. Bothen war damals Kranführer auf der Lloyd Werft, fütterte die Männer an Bord mit allem Material, was sie benötigten. Kran 4 war von der sinkenden „Pride of America“ umgerissen worden und dann in ein Werftgebäude gekracht.

„Das war ein Schock“

Angekommen auf der Werft realisierte Bothen dann das ganze Ausmaß der Tragödie. Mit der „Pride of America“ sollte hier die Erfolgsgeschichte im Schiffbau fortgesetzt werden.

Wieder ein ambitionierter Auftrag, der in den kommenden Wochen fertiggestellt werden sollte. Nun, genau 100 Tage vor dem Ablieferungstermin, lag das Kreuzfahrtschiff auf dem Grund. „Das war ein Schock“, sagt Bothen.

Lloyd Werft stellt 1999 ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis

Vor 20 Jahren war er noch kein Betriebsratsvorsitzender und auch noch kein Politiker. Damals war er einfach ein Werftmitarbeiter, der nach den bitteren Erfahrungen mit dem Vulkan-Konkurs wieder Hoffnung geschöpft hatte. „Wir hatten damals gute Jahre“, sagt er.

Es lief hervorragend, die Arbeiter hatten zunächst die „Costa Victoria“ und dann 1999 die „Norwegian Sky“ fertigstellt. Die Lloyd Werft hatte eindrucksvoll gezeigt, was sie im Kreuzfahrtschiffbau leisten konnte. Es gab Schiffsverlängerungen und den Neubau der „Norwegian Sun“.

Alles erfolgreiche Projekte. Bothen hatte sich nach einigem Überlegen entschlossen, ein Eigenheim zu bauen. In diese Aufbruchstimmung krachte der Untergang der „Pride of America“. „Dann denkst du natürlich wieder sofort an das Thema Insolvenz und fragst dich: Wie geht es weiter?“

Tourismusbranche in den USA unter Druck

Die Havarie auf der Lloyd Werft war nicht das erste Unglück, dass dem Schiff zusetzte. 1999 auf einer Werft in den USA auf Kiel gelegt, sollte es nach Jahrzehnten der erste US-Neubau im Kreuzfahrtschiffsbereich werden. Aber nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York kam die Tourismusbranche unter Druck.

Die Reederei ging in die Knie und verkaufte das unfertige Schiff an die Norwegian Cruise Line (NCL). Die vergab den Auftrag, die „Pride of America“ fertigzustellen, an die Lloyd Werft. Der Schiffsrumpf und zig Container mit Ausrüstungsmaterial aus den Staaten landeten im Kaiserhafen, der Koloss sollte verlängert, umgestaltet und ausgerüstet werden.

Alarmanruf erreicht Pallentin auf der Couch

Am Abend vor der Havarie hatte Rüdiger Pallentin erst sehr spät Feierabend gemacht. Als der Werftchef es sich zu Hause auf der Couch bequem gemacht hatte, kam der Alarmanruf vom Betriebsleiter aus der Werft. „Ich war erschrocken“, sagt Pallentin, der mit Werner Lüken nicht nur den Betrieb führte, sondern auch Anteile besaß.

Er raste wieder zurück in den Betrieb, wo inzwischen die Feuerwehr das Sagen hatte. Gott sei Dank gab es keine Toten und Schwerverletzten. 30 Kollegen waren während der Havarie an Bord. „Wir hatten drei Leichtverletzte zu beklagen“, sagt Pallentin. Und auch der Kran, der durch das Schiff zum Einsturz gebracht wurde, traf das Gebäude nicht voll, in dem sich Mitarbeiter aufhielten. „Wir hatten Glück im Unglück“, sagt Pallentin.

Wassereinbruch zu spät bemerkt

Das Unglück bestand aus starken Winden, die ziemlich frontal auf die hohe Bordwand trafen. Knapp über der Wasseroberfläche hatten die Werker mehrere Luken in den Stahl gebrannt, durch die Leitungen und Kabelstränge ins Innere geführt wurden, weil hier alles sandgestrahlt werden musste.

Die Abstände zur Wasseroberfläche wurden ständig überprüft, sagt Pallentin. In der Sturmnacht hielten sich aber nicht viele Arbeiter auf den unteren Decks auf, erklärt er, warum der Wassereinbruch zu spät bemerkt wurde. Irgendwann stürzten dann die Fluten wasserfallartig in das Schiff. Es lief voll und sank elf Meter tief auf den Grund des Hafenbeckens vor der Ausrüstungspier.

Taucher steigen in das überflutete Schiff

Jetzt musste alles schnell gehen, um den Schaden zu minimieren, sagt Pallentin. Jeder übernahm eine Aufgabe. Lüken hielt den Kontakt zu den Kunden, die Versicherung musste informiert werden.

Die Reederei beauftragte dann eine holländische Firma, die sich um den Havaristen kümmern sollte. Noch heute zeigt sich Pallentin voller Respekt für die Männer, die in ihren Tauchanzügen in das Chaos auf dem überfluteten Schiff stiegen.

„Sie mussten in völliger Dunkelheit durch den Maschinenraum, um die Schotts abzudichten“, sagt er. Und dann standen wichtige Entscheidungen an, die für die Zukunft der Werft von enormer Bedeutung waren. Wird NCL das Schiff fertig bauen? Wenn ja, mit welcher Werft? Und zahlt die Versicherung?

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