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Industrie

TPro und Kontra: Das Holzkraftwerk erregt die Gemüter in Bützfleth

Volle Halle: Informationsveranstaltung über das von Hansekraft geplante Altholzkraftwerk in Bützfleth.

Volle Halle: Informationsveranstaltung über das von Hansekraft geplante Altholzkraftwerk in Bützfleth. Foto: Richter

Die Firma Hansekraft plant in Bützflethersand ein Altholzkraftwerk, das bisher größte in Deutschland. Anwohner haben dazu viele Fragen. Die konnten sie jetzt direkt vorbringen.

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Von Anping Richter
Mittwoch, 29.01.2025, 18:11 Uhr

Stade. „Die Brücke ins Stader Rathaus ist für Bützflether wohl doch sehr weit“, sagt Ortsbürgermeister Christoph von Schassen (CDU), als er vor die Gäste tritt. Der Ortsrat hat zum Info-Abend mit der Firma Hansekraft eingeladen, die in Bützflethersand ein Altholzkraftwerk bauen will. Zu einem ähnlichen Termin im Stader Rathaus im April 2024 waren nur wenige gekommen.

Jetzt sitzen und stehen fast 250 Gäste auf der Tribüne der Bützflether Sporthalle. Die Hansekraft-Geschäftsführer Stefan Schmidt und Jörg Dobbrunz sind gekommen, um Rede und Antwort zu stehen. Nach Fragerunde und Diskussion geht es in Einzelgesprächen weiter. In einem Teil der Halle sind Infostände aufgebaut, ein Hansekraft-Team steht für Detailfragen zur Verfügung.

Hansekraft will am Ende sogar klimapositiv wirken

Wie berichtet, soll auf Bützflethersand ein Altholzkraftwerk entstehen, das 500.000 Tonnen Altholz jährlich in Energie verwandeln soll - in Form von Strom, Fernwärme und Prozessdampf für die benachbarte Industrie. Dabei wird auch CO2 freigesetzt, das aber herausgefiltert und an die örtliche Industrie geliefert werden soll. Letztlich werde es „eine CO2-Reduktion geben, so dass wir dort sogar klimapositiv sind“, sagt Schmidt.

Hansekraft-Geschäftsführer Jörg Dobbrunz (Mitte) im Gespräch mit Bürgern in der Bützflether Sporthalle.

Hansekraft-Geschäftsführer Jörg Dobbrunz (Mitte) im Gespräch mit Bürgern in der Bützflether Sporthalle. Foto: Richter

Das Kraftwerk sei groß geplant, weil es einen großen Markt gebe, erklärt Dobbrunz. Allein in Deutschland fielen sechs Millionen Tonnen Altholz pro Jahr an, das deponiert oder verbrannt werden müsse, Hansekraft will zudem Altholz aus anderen europäischen Ländern verwerten. Laut Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) zähle die Energie aus der Altholzverbrennung zu den Erneuerbaren. Zudem könne sie wetterunabhängig Strom liefern, anders als Wind und Sonne.

Greenwashing-Vorwurf und die Antwort der Investoren

„Das ist doch Greenwashing pur. Der Holzmarkt ist so gut wie abgeräumt, und sie stehen in direkter Konkurrenz zur Spanholzproduktion. Sie holen Altholz aus ganz Europa - und die Schadstoffe bleiben hier“, sagt Jan Witt, Bio-Obstbauer aus Bützfleth. Für Altholz müsse kein Baum fallen, entgegnet Dobbrunz. Durch die geplante Anlage werde fossile Energie ersetzt und kein zusätzliches CO2 freigesetzt. Stade werde ohne Fördermittel auskommen und mit einem hohen Wirkungsgrad von 80 Prozent arbeiten.

„Wir werden die gültigen Schadstoff- und Lärmgrenzen nicht nur einhalten, sondern deutlich unterschreiten“, verspricht Schmidt. Sie betrieben seit 19 Jahren ein Altholzkraftwerk in Emlichheim, das eine Delegation von Rat und Verwaltung aus Stade schon besucht hat und wo es keine Probleme gebe. Wie Jan Witt einwendet, wird Holz der am stärksten belasteten Kategorie A4 dort aber nicht verwertet. Dobbrunz sagt, in Stade sei eine leistungsstarke Rauchgasfilteranlage geplant: „Die fängt auch Schadstoffe wie Dioxine und Furane auf.“

Von unbehandelt bis stark behandelt: Vier Altholzkategorien sollen im künftigen Kraftwerk angeliefert werden.

Von unbehandelt bis stark behandelt: Vier Altholzkategorien sollen im künftigen Kraftwerk angeliefert werden. Foto: Richter

Mit welchem Anteil an A4-Holz wird gerechnet? Noch wüssten sie nicht, welche Kategorie Holz wann in welchem Umfang zur Verfügung stehe, sagt Dobbrunz: „Einen Anteil von mehr als 50 Prozent können wir aber guten Gewissens ausschließen.“ Die Emissionswerte sollen veröffentlicht und dem Gewerbeaufsichtsamt in Echtzeit rund um die Uhr zur Verfügung gestellt werden. Aktuell finden bereits Vergleichsmessungen in der Umgebung und auf Pagensand statt.

Anlieferung zu 90 Prozent per Schiff - und der Rest?

Ein anderer Anwohner will wissen, wie viel Altholz per Schiff und wie viel per Lkw angeliefert werden soll. Dobbrunz rechnet mit 90 Prozent per Schiff und etwa 30 bis 40 Lkw täglich für den Rest. Im Notfall könne es mehr werden, wenn zum Beispiel ein Schiff ausfällt. Ein Teilnehmer macht sich trotzdem Sorgen wegen der Emissionen - weil jeder einzelne Betrieb sich an die Schadstoffgrenzen halten muss, es in der Summe aber trotzdem mehr wird. Er fragt: „Was haben wir Bützflether denn vom Holzkraftwerk? Und warum wird für den Schutz der Anwohner nichts getan, zum Beispiel der Grüngürtel zwischen Wohn- und Industriegebieten aufgeforstet, über den seit Jahren nur geredet wird?“

Synergie-Effekt für Betriebe im Chemie-Park

Der Grüngürtel sei schon im Stader ISEK (Integriertes Stadtentwicklungskonzept) eingeplant, erklärt Bürgermeister Sönke Hartlef (CDU) auf Nachfrage. Kai Koeser (SPD) weist darauf hin, dass die SPD in einem Positionspapier darauf drängt, das „Grüne Band Bützfleth“ zur großflächigen Biotopvernetzung und Sicherung der Lebensqualität der Bützflether Bevölkerung zeitnah umzusetzen.

Ob die Bützflether etwas von der Fernwärme abbekommen, hängt davon ab, ob es sich wirtschaftlich lohnt, erklären Christoph Born und Frank Bünte von den Stadtwerken, die als örtlicher Partner mit Hansekraft kooperieren wollen. Auch Airbus Stade will dabei sein - der erste Großkunde. Auf dem Weg von Bützflethersand zu Airbus könne es sich lohnen, weitere Kunden anzuschließen. In Bützfleth wären große Mehrfamilienobjekte, Schwimmbad und Sporthalle potenziell lohnende Objekte, Einfamilienhaussiedlungen wohl eher nicht.

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Oliver Elsen vom Betriebsräte-Netzwerk im Chemiepark hält das Altholzkraftwerk für eine große Chance.

Oliver Elsen vom Betriebsräte-Netzwerk im Chemiepark hält das Altholzkraftwerk für eine große Chance. Foto: Richter

40 Arbeitsplätze sollen laut Hansekraft vor Ort entstehen. Es geht um viel mehr, erklärt Oliver Elsen, der Betriebsratsvorsitzende von AOS. Er ist mit einem Vertreter der Chemiegewerkschaft IGBCE und weiteren Kollegen vom Betriebsräte-Netzwerk gekommen, das sich dafür einsetzt, den Chemiestandort Stade zukunftsfähig zu machen und die 3000 Arbeitsplätze vor Ort zu erhalten. „Für uns ist das eine Chance, auch weltweit am Markt bestehen zu können“, sagt Elsen. In Sachen Schadstoffe sei er zuversichtlich. Die 17. BImSchG (17. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes), an die sich auch die Hansekraft halten müsse, sei nämlich sehr streng: „Deshalb muss ich zu Hause gerade meinen Ofen rausreißen.“

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