TProtest gegen die Bundesregierung: Landwirte hängen Ampel an den Galgen

Auch auf einer Wiese bei Groß Sterneberg wurde ein Galgen mit Ampel aufgestellt. Foto: Stefan Knütel
Makaberer Protest der Landwirte: An mehreren Stellen im Landkreis wurden Galgen mit einem Ampelsymbol aufgestellt. Am Fuß des Galgens steht: „Die Ampel muss weg“. Der Protest der Landwirte soll zeigen, dass „die Schmerzgrenze überschritten“ ist.
Landkreis. Bundesweit werden seit ein paar Tagen diese Galgen aufgestellt. Erste polizeiliche Ermittlungen gibt es im Osten des Landes.
Der Stader Kreislandwirt Johann Knabbe bezeichnet die Aktion als „Ausdruck des demokratischen Protestes“. Es gebe verschiedene Auslegungen der Aktion: „Man kann das auch so verstehen, dass die Ampel uns Landwirte aufhängt.“ Der Sparkurs der Ampel-Regierung treffe die Landwirte massiv. Die Bundesregierung will den Landwirten Steuervergünstigungen beim Agrardiesel und der Kraftfahrzeugsteuer streichen, und das bedrohe die Existenz vieler Kollegen, so Knabbe.
„Jeder sieht das, was er sehen will“, sagt der Kreislandwirt, „der eine sieht den Galgen als Tötungsinstrument, der andere ein technisches Konstrukt, an dem eine Ampel hängt.“ Er rät zu Gelassenheit.
Der Deutsche Bauernverband hat derweil aus Protest gegen die Sparpläne zu einer Aktionswoche ab dem 8. Januar aufgerufen. Am 15. Januar soll es eine Großdemonstration in Berlin geben. Auch das Transportgewerbe und die Binnenschifffahrt wollen sich beteiligen. Ziel sei ein völliger Stillstand, so Knabbe.
Protest der Landwirte: Schmerzgrenze ist erreicht
Es ist Dampf auf dem Kessel: Landwirte sind entsetzt über die Pläne, Agrardieselsubvention und Kfz-Steuerbefreiung abzuschaffen. Die Protestaktionen nerven Autofahrer und Verbraucher – sind aber mehr als Aktionismus.
Sven von Glahn, Horst Meyer, Jan Bischoff und ihre Berufskollegen haben die Nase voll: „21 Cent pro Liter Diesel Rückerstattung für Landwirtschaftsbetriebe - diese Förderung soll nach neuer Gesetzeslage wegfallen“, erklärt von Glahn der „Nordsee Zeitung“. Die Diskussion um die „grünen Kennzeichen“ sei aber nur die Spitze des Eisbergs: Anhaltend steigende Kosten, mangelnde politische Unterstützung, fragile Märkte und mangelnde Planungssicherheit treiben Landwirten den Schweiß auf die Stirn.

Verärgert und entschlossen, weil es ihrer Ansicht nach um die Existenz geht (von links): Die Landwirte Jan Bischoff, Horst Meyer und Sven von Glahn machen beim Zusammentreffen in Debstedt deutlich, warum sie immer wieder protestieren. Foto: Hartmann
„Das Streichen der Agrardieselsubvention war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, sagt von Glahn, der einen Milchvieh- und Futterbaubetrieb mit Biogasanlage in Debstedt betreibt, mit Blick auf die Lawine der Bauernproteste. „Allein für Diesel werde ich künftig 10.000 Euro mehr im Jahr aufbringen müssen, für die Kfz-Steuer kommen noch einmal 5.000 Euro dazu“, rechnet der 45-Jährige aus. Die Steigerung des CO2-Preises treibe die Kosten weiter in die Höhe, aber „wir können das nicht einsparen, wir müssen mit unseren Maschinen auf den Acker“.
Landwirt verbraucht 50.000 Liter Diesel pro Jahr
Auch Horst Meyer, der in Langenfelde einen mittelgroßen Futterbaubetrieb bewirtschaftet, und Jan Bischoff, Lohnunternehmer im Altkreis Wesermünde, sind getroffen bis ins Mark. Sie fürchten um ihre wirtschaftliche Existenz, um die Zukunft ihrer Höfe und ihrer Kinder. „Wir planen und investieren langfristig“, so Meyer. „Was wir aufgebaut haben, dient Generationen.“
Verständnis für die geplante Streichung der Subventionen zeigen sie nicht, denn die Mineralölsteuer wird vom Gesetzgeber erhoben, um das Straßennetz instand zu halten – quasi nach dem Verursacherprinzip. „Ich verbrauche 50.000 Liter Diesel pro Jahr. Etwa die Hälfte des Kraftstoffs wird nicht auf Straßen verbraucht, sondern auf eigenem Grund zur Bewirtschaftung der Flächen und wenn stationär Maschinen in Betrieb sind, um das Vieh zu versorgen“, erklärt von Glahn.
Wettbewerbsfähigkeit steht auf dem Spiel
Ein großes Problem sei es, dass keine Möglichkeit bestehe, die gestiegenen Kosten auf die Verbraucher umzulegen. Waren werden über große Ketten und Genossenschaften umgeschlagen, der Einzelhandel profitiert von gestiegenen Preisen, die aber nicht an die Erzeuger durchgereicht würden. Letztlich gebe am Ende das günstigste Produkt im Regal den Preis vor. Horst Meyer sieht es nüchtern: „Wenn die Vergünstigungen wegfallen, sind die deutschen Bauern nicht mehr wettbewerbsfähig in Europa, weil sie schon heute am höchsten besteuert werden. In Belgien zahlt man heute so gut wie keine Steuern auf den Diesel, in Frankreich und Dänemark werden sieben Cent fällig, und wir kommen hier künftig mit 42 Cent daher.“
Er schüttelt den Kopf. Klar könne man die Subvention streichen, aber die Konsequenzen sollte man kennen: „Wir haben irgendwann keinen Einfluss mehr darauf, wo unsere Lebensmittel herkommen. Das muss auch dem Verbraucher deutlich gemacht werden.“
Demonstrationen und Kritik auch im Kreis Stade
Sven von Glahn, Horst Meyer und Jan Bischoff sind mit ihren Bedenken nicht allein. Landesweit laufen Bauern Sturm in Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmern und Traktoren. Auch Obstbauern und Landwirte aus dem Kreis Stade sind auf Zinne.
„Wenn die Bundesregierung die Streichungen nicht ersatzlos zurücknimmt, wird es - auch im Landkreis Stade - ab dem 8. Januar einen heißen Winter mit Protesten geben“, kündigte der Vorsitzende der Landesfachgruppe Obstbau, Claus Schliecker aus Guderhandviertel gegenüber dem TAGEBLATT an. Und auch Kreislandwirt Johann Knabbe stößt in dasselbe Horn. Offenbar müsse das Land stillstehen, damit der Bund sich bewegt - ähnlich wie bei den Streiks der Lokführer.
Die Bauern schlossen sich am 20. Dezember einer bundesweiten Protestaktion an - und sorgten mit Treckerkolonen für Staus in Stade. Der Verkehr auf der Ringstraße und in der Altstadt staute sich mitten im morgendlichen Berufsverkehr ebenso wie an der B73 vom Kreisverkehr Ottenbeck bis zurück zum Gewerbegebiet Wiepenkathen, Höhe Burger Drive. Auch an der Schwingebrücke machten mehrere Trecker an den Seitenstreifen der B73 Halt und sorgten für stockenden Verkehr.
Anfang 2024 wollen die Bauern auch im Kreis Stade ihre Proteste verstärken, sollte die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen die Kürzungen in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro nicht zurücknehmen. Geplant ist eine Sternfahrt nach Hamburg. Das kündigte der Sprecher der Demo-Trecker-Kolonnen, Helge Soltau, gegenüber an.
„Land schafft Verbindung“: Bauern fühlten sich nicht gut vertreten
„Es war der Wunsch, sich und seinen Unmut zu zeigen und die Bürger aufzuklären“, erklärt Meyer, Mitinitiator der Vereinigung „Land schafft Verbindung“, die sich 2019 gegründet hatte, als die hiesigen Landwirte sich vom Bauernverband nicht mehr gut genug vertreten fühlten.

Die Pläne der Bundesregierung, den Agrardiesel und die Kfz-Steuerbefreiung für die Land- und Forstwirtschaft zu streichen, haben auch in der Hauptstadt viele Landwirte auf die Straßen getrieben. Zahlreiche Vertreter aus dem Cuxland und dem Kreis Stade waren dabei. Foto: Sommer/dpa
Mittlerweile sind die Fronten geglättet, die Gruppierungen ziehen wieder an einem Strang. Was geblieben ist, ist die breite Vernetzung in der Region, die spontane Aktionen ermöglicht. Horst Meyer guckt aufs Handy: „Ich habe hier im Messenger 20 Gruppen mit je 150 bis 250 Mitgliedern – nicht nur Landwirte, sondern auch interessierte Personen aus ganz verschiedenen Bereichen.“ Die Wege im Netz sind kurz.
Schmerzgrenze für Landwirte überschritten
Jan Bischoff räumt ein, dass man im Moment der Demonstration die Menschen ärgere. „Doch wir möchten die Bürger aufwecken und zeigen, dass die Schmerzgrenze überschritten ist. Wir müssen den Druck auf die Politik erhöhen.“
Meyer bringt es auf den Punkt: „Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), die Düngeverordnung, neue Vorgaben in der Tierhaltungsverordnung, Emissionsschutzauflagen - es werden nur Maßnahmen beschlossen, die in der Praxis nicht umsetzbar sind. Wir müssen und wollen ökonomisch und ökologisch wirtschaften, aber wir benötigen eine Perspektive, die von der Bundesregierung in entsprechenden Rahmenbedingungen umgesetzt wird.“ Man möchte aufrütteln, mit der Politik in Kontakt bleiben, Gespräche führen, mitgenommen werden, Dinge entschlossen mitgestalten „und die Verbraucher mitnehmen, dass sie uns in unseren Anliegen unterstützen.“ Die nächste große öffentliche Aktion ist für den 8. Januar geplant. Weitere Details werden nicht verraten. Die Planungen laufen.