TPrügel-Attacke: Beweisführung mit Zollstock verblüfft

Im Amtsgericht Otterndorf erfolgte die Verhandlung gegen zwei Beschuldigte, denen vorgeworfen wurde, bei einer Feier in Lamstedt einen Mann krankenhausreif geprügelt zu haben. Die Beweislast war jedoch dürftig. Foto: Schröder
Die Vermessung seines 1,74 Meter großen Mandanten, der auf der Anklagebank saß, war ein zentrales Element eines Prozesses in Otterndorf um eine Prügel-Attacke nach einer Party.
Otterndorf. Er war zur falschen Zeit am falschen Ort. Am 3. Dezember 2023 befand sich ein 24-jähriger Hemmoorer auf dem Weg nach Hause und wartete vor der Börde-Halle nach einer Party darauf, dass er abgeholt würde. Wurde er auch. Allerdings nicht in einem normalen Auto, sondern per Rettungswagen. Als er nämlich draußen auf einer Bank saß und auf seine Rückfahrgelegenheit wartete, fügten ihm zwei Männer mit Schlägen ins Gesicht und Tritten schwere Verletzungen zu.
Erinnern kann er sich an die Prügel-Attacke nicht mehr: „Ich weiß nur noch, dass ich irgendwann im Krankenwagen behandelt wurde“, sagte er zu Prozessbeginn in Otterndorf im Beisein von zwei Männern, die ihm angeblich die Verletzungen - unter anderem einen Nasenbeinbruch und erhebliche Schwellungen durch Tritte oder Schläge - zugefügt haben sollen. Identifizieren konnte er die Angeklagten aber nicht.
Faustschlag ins Gesicht
Auch er hatte - da dürfte es ihm wie anderen Partygästen an diesem Abend gegangen sein - Alkohol konsumiert: „Ich hatte was getrunken.“ Erinnern konnte er sich nach dem Angriff auf dem Nachhauseweg auf jeden Fall an den ersten Faustschlag mitten ins Gesicht. „Da bin ich auf den Boden gefallen und dann muss es wohl noch weitere Einschläge gegeben haben.“ Das steht medizinisch auch fest. Es erfolgte später auch eine Operation.
Aber wer waren die beiden Kerle, die ihn dermaßen mit Schlägen und Tritten traktiert haben? Auf der Anklagebank saßen zwei Männer, die angeblich dafür verantwortlich gewesen sein sollen. Sie gaben während der zweitägigen Verhandlung keine Erklärung ab, sondern ließen ihre beiden Anwälte sprechen. Und einer der beiden Juristen kramte aus seiner Aktentasche einen handelsüblichen Zollstock hervor und bat beide Angeklagten, sich einmal hinzustellen. Das Ergebnis: „174 und 179 Zentimeter“ - so lautete seine Messung. Also nicht unbedingt Riesen ...
„Relativ große Männer“
Aber gerade um die Körpergröße ging es in dem Prozess. Mehrere Augenzeugen schilderten, dass es sich um „relativ große Männer“ gehandelt habe, die auf das Opfer eingetreten und eingeschlagen hätten. Am zweiten Verhandlungstag wurde dann auch der Hauptbelastungszeuge - ein 23-Jähriger aus Lamstedt - gefragt, ob es denn die beiden Angeklagten gewesen seien, die wenige Meter neben ihm im Gerichtssaal saßen. Seine selbstbewusste Antwort: „Ja.“
Doch bei der weiteren Befragung durch die Richterin Sabine Deutschmann, die Staatsanwaltschaft und die beiden Verteidiger zeigte sich, dass der über zwei Meter große Zeuge den Begriff groß angesichts der tatsächlichen Statur der Angeklagten doch sehr individuell deutete. Der Zollstock des Verteidigers kam zwar nicht mehr zum Einsatz, doch es war relativ schnell klar, dass sich der Zeuge bei der Identifizierung der Zeugen an deren Gesicht („Stoppelhaare und Bart“) wohl doch nicht mehr so recht erinnern konnte.
Auch die Befragung weiterer Augenzeugen brachte keinen großen Erkenntnisgewinn. Außer dem, dass selbst der Staatsanwalt einen Freispruch forderte. Dagegen hatten die beiden Verteidiger und ihre Mandanten natürlich nichts einzuwenden. Richterin Sabine Deutschmann schloss sich angesichts der fehlenden Beweislage diesem Urteil an.
Die Kosten des Prozesses trägt die Staatskasse.