TRäumung angeordnet: Schließt die Fahrradwerkstatt in Horneburg?

Siemer Gerking arbeitet seit sieben Jahren ehrenamtlich in der Fahrradwerkstatt mit. Foto: Buchmann
Für Flüchtlinge ist die Fahrradwerkstatt eine wichtige Anlaufstelle in Horneburg. Jetzt fordert das Ordnungsamt die Räume zurück.
Horneburg. Es ist 12.15 Uhr am Sonnabend. Die Fahrradwerkstatt im Ostdeutschen Ring in Horneburg hat offiziell seit einer Viertelstunde geöffnet. Zwei ukrainische Frauen machen gerade eine Probefahrt mit einem gebrauchten Fahrrad um den Block.
Siemer Gerking spricht mit einem jungen Mann aus Kolumbien. Er sucht ein Fahrrad, sein altes wurde ihm am Bahnhof gestohlen. Gerking zeigt ihm ein einfaches Stadtrad in der Ecke der Werkstatt. „Es el ultimo“, sagt Gerking auf Spanisch - es ist das letzte Fahrrad.
E-Mail vom Ordnungsamt macht der Gruppe Sorgen
Viele Flüchtlinge, die in die Samtgemeinde Horneburg kommen, kennen Siemer Gerking. Jeden Sonnabend öffnet die Fahrradwerkstatt für zwei Stunden ihre Tore, wo der Rentner gemeinsam mit zwei weiteren Ehrenamtlichen Fahrräder repariert und vermittelt. Doch eine E-Mail des Ordnungsamtes macht der kleinen Gruppe derzeit Sorgen.
„Wir müssen bis zum 31. Oktober aus den Räumen raus“, sagt Gerking. Die zwei Zimmer und der Innenhof gehören zu einer Obdachlosenunterkunft der Samtgemeinde - die jetzt dringend benötigt wird.
Samtgemeinde benötigt Räume für Obdachlose zurück
„Die Obdachlosenunterkunft haben wir als Samtgemeinde der Fahrradwerkstatt übergangsweise zur Verfügung gestellt“, sagt Fachbereichsleiterin Tanja Thomforde. Zuvor befand sich die Werkstatt in der inzwischen abgerissenen Schützenhalle. Die Samtgemeinde prüfe seit etwa einem Jahr Möglichkeiten, die Fahrradwerkstatt anderweitig unterzubringen - bisher erfolglos.

Siemer Gerking hilft einem jungen Mann beim Wechseln des Luftschlauchs. Foto: Buchmann
Die Situation belaste Siemer Gerking sehr. „Die Menschen brauchen Unterstützung“, sagt er. Etwa 200 Stunden investiert der studierte Maschinenbau-Ingenieur jährlich in die Werkstatt. Fahrräder zum Aufbereiten erhält er meist vom Fundbüro der Samtgemeinde.
Kürzlich ließ das Ordnungsamt jedoch dutzende Alträder entsorgen, die Gerking als Ersatzteillager im Hof und den Räumen gelagert hatte. „Wir haben jetzt keine Teile mehr“, sagt Gerking sichtlich betrübt. Viele Menschen müsse er deswegen wieder wegschicken.
Fahrradwerkstatt wichtige Anlaufstelle für Flüchtlinge
„Die Situation war aufgrund des Brandschutzes problematisch“, erläutert Tanja Thomforde. Es habe in den letzten Monaten immer wieder Gespräche zwischen der Samtgemeinde und den Ehrenamtlichen gegeben.
„Letztlich sahen wir uns gezwungen, eine Räumung anzuordnen“, sagt die Fachbereichsleiterin. Es liege jedoch nicht im Interesse der Samtgemeinde, dass es keine Fahrradwerkstatt mehr gibt, betont sie. Ein klärendes Gespräch über alternative Räume soll Anfang Oktober stattfinden.

Die Werkstatt im Ostdeutschen Ring muss bis Ende Oktober geräumt werden. Foto: Buchmann
„Die Fahrradwerkstatt ist eine wichtige Anlaufstelle für Flüchtlinge in Horneburg“, sagt Karin Lange-Rebehn vom Diakonieverband Buxtehude-Stade. Ein Fahrrad ist im Alltag eines Flüchtlings relevant, um etwa zur Schule oder zur Arbeit zu fahren. In der Werkstatt kommen die Menschen auch miteinander in Kontakt, knüpfen Bekanntschaften, „sehen und helfen sich“.
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Fehlende Wertschätzung der ehrenamtlichen Arbeit
Ein Ziel der Fahrradwerkstatt sei es, den Menschen zu zeigen, was sie mit einem kleinen Werkzeugkoffer alles selbst reparieren können, sagt Gerking. Hierfür seien geeignete Arbeits- und Lagerflächen wichtig. „Gerade für Ersatzteile und Werkzeug, die teuer in der Neubeschaffung sind“, sagt er.
Die Wertschätzung seiner Arbeit durch die Samtgemeinde habe Gerking zuletzt jedoch vermisst. Ob der Ehrenamtliche in einer alternativen Unterbringung weitermachen wird, könne er noch nicht sagen. „Im Kopf habe ich die Sache schon abgehakt“, sagt der 68-Jährige.