Insolvenz: Reisekonzern FTI wird abgewickelt – Was Kunden wissen müssen

Wird abgewickelt: Reisekonzern FTI Foto: Sven Hoppe/dpa
Drei Monate nach dem Insolvenzantrag ist klar: Der drittgrößte europäische Reiseveranstalter ist nicht zu retten und wird abgewickelt. Das trifft Beschäftigte und Gläubiger hart.
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Der insolvente Reisekonzern FTI sitzt auf einem Schuldenberg von einer Milliarde Euro und wird jetzt abgewickelt. Das Amtsgericht München hat das Insolvenzverfahren über die beiden Kerngesellschaften FTI Touristik und BigXtra Touristik eröffnet. Insolvenzverwalter Axel Bierbach kündigt nun 700 Mitarbeitern. Die meisten der schätzungsweise 350.000 Gläubiger sind Pauschalreisende, die ihre Vorauszahlungen vom Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF) zurückbekommen sollen.
Anders sieht es laut Bierbach für rund 2.500 Hotels, für Reisebüros, Fluggesellschaften, Banken und für den staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) aus. Der WSF gehört dem Bund und hatte Europas drittgrößtem Reisekonzern FTI während der Corona-Pandemie rund 600 Millionen Euro geliehen. Wieviel Geld die Gläubiger eines Tages bekommen werden, ist völlig offen.
FTI hatte im Juni Insolvenz angemeldet, nachdem Kunden und Reisebüros bei Buchungen immer vorsichtiger geworden waren, Vertragspartner auf Vorkasse bestanden und dem Unternehmen das Geld ausging. Zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags waren bei FTI Touristik rund 30 Millionen Euro auf den Konten, wie Bierbach sagt. Weil FTI kein Geld mehr für die obligatorischen Sicherungsscheine beim DRSF hatte, „war klar: Wir können keine Reisen mehr verkaufen.“
Hotelbetrieb läuft weiter
Rund 60.000 Urlauber, die zu dieser Zeit mit FTI unterwegs waren, sind ohne größere Probleme zurückgekommen, alle neuen Abreisen wurden gestoppt. Von den weltweit 11.000 FTI-Mitarbeitern sind heute noch 7.500 in Hotels vor Ort beschäftigt, deren Geschäftsbetrieb uneingeschränkt weiterläuft.
Von den mehr als 1.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Deutschland haben mehr als 320 bereits eine neue Stelle - auch dank Bewerbertagen mit FTI-Kunden und Konkurrenten wie TUI, DER, der DB oder Jochen Schweizer in der FTI-Zentrale in München. Knapp 600 Mitarbeiter erhalten ihre Kündigung mit Wirkung zum 1. September. Weitere 130 bleiben noch kurz beschäftigt, um bei der Abwicklung zu helfen. Zum Jahresende soll der Betrieb endgültig stillgelegt werden.
Mehrere Tochterfirmen verkauft
Das Vermögen der FTI-Gruppe besteht laut Bierbach vor allem aus 54 Hotels mit 12.000 Zimmern, die FTI gehören oder langfristig geleast hat. All diese Häuser laufen, bis auf eine Ausnahme, weiter und sollen verkauft werden. Es gebe einige Interessenten, die Verhandlungen seien zum Teil schon fortgeschritten, sagt der Insolvenzverwalter.
Von den 110 FTI-Tochterunternehmen wurden einige Unternehmen mit mehreren hundert Mitarbeitern bereits verkauft, darunter der Luxusreisenanbieter Windrose, das Service-Center Erf24 in Erfurt und das Online-Portal 5vorFlug.
Am 20. November findet die erste Gläubigerversammlung in München statt. „Ich glaube, da werden nicht viele kommen“, sagt Bierbach: Die meisten der 350.000 Gläubiger hätten gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht so hohe Forderungen, dass sich die Anreise lohne.
Abwicklung dauert Jahre
„Die gesamte Abwicklung wird Jahre dauern“, sagt Bierbach. „Das ist ein Marathon.“
Rund 175.000 Reisende hatten ihre Reise bereits ganz oder teilweise bezahlt. So kurz vor den Sommerferien scheiterte der Versuch, sie auf andere Veranstalter umzubuchen. Das Geld für die Pauschalreise bekommen sie vom DRSF - das betrifft 90 Prozent der Urlauber. Manche Pauschalurlauber hatten aber zum Beispiel einen Ausflug dazugebucht. Das dafür bezahlte Geld ersetzt der DRSF nicht; die Forderung kann aber beim Insolvenzverwalter angemeldet werden.
Für Pauschalurlauber Reisesicherungsfonds erste Adresse
Auch Kunden, die Einzelleistungen bei FTI gebucht haben, können ihre Forderung zur Insolvenztabelle anmelden. Der Insolvenzverwalter appelliert aber an die Kunden, zunächst die Erstattungswege über den DRSF und Zahlungsdienstleister zu nutzen und nicht mehrere Anträge gleichzeitig zu stellen, um das Verfahren nicht zu blockieren.
Reisebüros erhalten ihre Provision in der Regel erst nach Abflug der Kunden. Wie das ist, wenn der Abflug gar nicht stattfand und womöglich gar kein Schaden entstand, weil das Reisebüro den Urlaubern stattdessen eine andere Reise verkaufte, müsse auch geprüft werden, sagt Bierbach.
Stornierte FTI-Pauschalreisen: Erstattungen laufen an
Der Sommer begann mit einer Schocknachricht für Urlauber: Hunderttausende Pauschalreisebuchungen wurden im Zuge der FTI-Pleite storniert. Nun gibt es für Betroffene gezahlte Gelder zurück.
Um welche Reisen geht es?
Zum einen um die Erstattung von Anzahlungen für Pauschalreisen, die bei den Veranstaltermarken FTI, 5vorFlug und BigXtra gebucht und die im Zuge der Insolvenzen der FTI Touristik GmbH oder der BigXtra Touristik GmbH storniert wurden. Zum anderen um Zahlungen, die Betroffene vor Ort leisten mussten, um bereits begonnene Reisen fortzusetzen – auch dafür bestehen Erstattungsansprüche.
Wie viele Menschen betrifft es?
Hunderttausende. Laut DRSF sollen Leistungen für mehr als 215.000 stornierte Pauschalreisen erstattet werden. Hinzu kämen verauslagte Kosten von ungefähr 60.000 Urlaubern, die zum Zeitpunkt der Insolvenzanmeldungen schon im Urlaub waren.
Wie läuft der Erstattungsprozess ab?
Betroffene, von denen die notwendigen Kontaktdaten bereits vollständig vorliegen, werden vom DRSF direkt per E-Mail kontaktiert. Anschließend könnten diese ihren Erstattungsantrag unmittelbar online stellen - ein Link in der Mail führt direkt zu einem Online-Portal, auf welchem die Rückzahlung beantragt werden kann.
Zu beachten: Für jede Reise sei nur ein Erstattungsantrag vorgesehen, stellt der DRSF in seiner Mitteilung klar. Mitreisende würden daher nicht gesondert kontaktiert.
Anspruchsberechtigte Urlauber, deren Kontaktdaten nicht vollständig beim DRSF liegen, erhielten in einem gesonderten Verfahren die Möglichkeit, sich für den Erstattungsprozess zu registrieren und erforderliche Daten nachzureichen. In der Mitteilung hieß es dazu: Der DRSF werde sie zunächst auf dem Postweg anschreiben.
Konkret müssen dem DRSF den Angaben nach mindestens zwei „Authentifizierungsfaktoren“ von Erstattungsberechtigten vorliegen, damit diese den Online-Antrag stellen können, zum Beispiel eine E-Mail-Adresse und eine Mobilnummer.
Welche Belege müssen Betroffene vorlegen?
Die Buchungsbestätigung der Reise, Zahlungsbelege und – ganz wichtig – den Reisesicherungsschein des DRSF, den der Veranstalter mit den Buchungsunterlagen mitgeschickt hat. Wer vor Ort Zahlungen aus eigener Tasche geleistet hat, um den Urlaub fortsetzen zu können, sollte die Quittungen dafür parat haben.
Für Reisen mit mehreren Personen seien zudem Vollmachten aller Mitreisenden nötig. Hierfür stehe ein entsprechendes Formular zur Verfügung, so der DRSF.
Pauschalreisen sind abgesichert – was fällt darunter?
Der DRSF definiert Pauschalreisen so: Reiseveranstalter schnüren mehrere Leistungen zu einem Paket und verkaufen es zu einem Gesamtpreis – beispielsweise Hotel, Flüge und die Transfers. Schon wenn zwei Leistungen – etwa Flug und Hotel – im Paket angeboten werden, handelt sich demnach um eine Pauschalreise.
Was ist mit Einzelleistungen wie einer Hotelzimmerbuchung?
Über den DRSF sind diese nicht abgesichert. Das gilt auch für einzeln gebuchte Flüge oder Transfers. Einzelne Mietwagen- oder Wohnmobilbuchungen über die Marken DriveFTI, Cars & Camper oder Meeting Point Rent-a-Car sind laut FTI ebenfalls nicht abgesichert.
In dem Fall bleibt nur, zu versuchen, für in der Zukunft liegende Leistungen die Zahlungen mittels Chargeback über den Zahlungsdienstleister zurückzufordern. Ansonsten können die Forderungen dann im regulären Insolvenzverfahren geltend gemacht werden. Dann jedoch bekommt man laut den Verbraucherzentralen vermutlich nur eine niedrige Teilerstattung.
Um welche Summen geht es?
Dem Reisesicherungsfonds zufolge beläuft sich das Erstattungsvolumen beläuft insgesamt auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Zuletzt hatte eine Sprecherin des DRSF gesagt, die Mehrzahl der Erstattungen solle bis zum Herbst geleistet sein.
Wo gibt es Informationen?
FTI hat online eine Info-Website zur Insolvenz geschaltet, mit Antworten auf viele Fragen, die sich Betroffenen stellen. Auch der Reisesicherungsfonds hat auf seiner Website einen FAQ-Bereich, zudem gibt es eine Telefon-Hotline: 030 7895 4770 (Mo-Fr, 8 bis 19 Uhr).