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Reetdach

TResthof mit „Wow-Effekt“: Hamburger verwirklichen Traum in Drochtersen

Deborah und Florian Hucht werden Ende Februar in ihr neues, altes Haus ziehen.

Deborah und Florian Hucht werden Ende Februar in ihr neues, altes Haus ziehen. Foto: Berlin

Zwei Hamburger kaufen einen Resthof in Drochtersen. Sie haben Visionen, Fantasie und eine Menge Arbeit vor sich. Ihre Pläne zeigen aber: Sie sind keine puren Romantiker.

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Von Daniel Berlin
Samstag, 08.02.2025, 23:26 Uhr

Drochtersen. Deborah Hucht (38) sieht in der mit Spinnenweben verhangenen dunklen Abseite der Tenne gleich neben den alten Futtertrögen eine Küche. Daneben ein Bad. „Da braucht man Visionen. Fantasie“, sagt sie. Deborah Hucht lacht. Visionen sind auf ihrem neuen, alten Anwesen in der Tat gefragt.

Das Hauptgebäude des Resthofes stammt aus dem Jahr 1841.

Das Hauptgebäude des Resthofes stammt aus dem Jahr 1841. Foto: Berlin

Deborah Hucht und ihr Mann Florian (41) ziehen Ende Februar auf den Resthof an der Sietwender Straße in Drochtersen. Gleich gegenüber der freiwilligen Feuerwehr und neben der Tankstelle. Das Anwesen stand jahrelang zum Verkauf. Die Huchts haben lange gesucht. Sie leben und arbeiten derzeit noch in Hamburg.

Die Idee entsteht während der Corona-Pandemie

Deborah Hucht ist gelernte Redakteurin und berät heute Unternehmen in Sachen Suchmaschinenoptimierung. Florian Hucht arbeitet als Grafikdesigner. Zuletzt kreierte er für eine Jorker Reederei das Corporate Design. „Während der Corona-Pandemie kam uns der Gedanke, die Arbeit funktioniert ortsunabhängig“, sagt Deborah Hucht. Am Rechner sitzen müssen sie nicht unbedingt in Hamburg. Kommunizieren geht heute über Zoom und Teams.

Das Anwesen ist 1,1 Hektar groß. 1500 Quadratmeter davon sind Nutzfläche.

Das Anwesen ist 1,1 Hektar groß. 1500 Quadratmeter davon sind Nutzfläche. Foto: Berlin

Drochtersen passte da in die Lebensplanung. Es liegt an der Elbe. Kindergarten und später die Schule sind für den kleinen Sohn ganz in der Nähe. Und als die Huchts mit ihrem Auto das erste Mal von der Sietwender Straße links auf ihr zukünftiges Grundstück abbogen, das Reetdachensemble sahen und über die typisch Kehdinger Ringofenklinker auf den von Eschen gesäumten Vorplatz fuhren, war der „Wow-Effekt“ sofort da. So beschreibt es Florian Hucht.

Im Reetdachhaus schlummern Schätze

Die Huchts erzählen von ihren Visionen, von ihren Zielen. Sie zeigen in der Diele die Wandmalereien, die hinter weißgestrichener Jute zum Vorschein kam. Den über 100 Jahre alten offenen Kamin mit Porzellan aus Meißen, die Standuhr, die noch gut funktioniert. Die Möbel, deren Polster kunstvoll bestickt sind. Die unter Teppich verborgenen Fliesen. Vieles ist wie früher. Vieles haben die Vorbesitzer stehen- und liegengelassen.

Die alten Möbel stammen noch vom Vorbesitzer. Die Sessel sind kunstvoll bestickt. Familie Hucht nutzt sie für ihre Privatwohnung und die Ferienwohnungen.

Die alten Möbel stammen noch vom Vorbesitzer. Die Sessel sind kunstvoll bestickt. Familie Hucht nutzt sie für ihre Privatwohnung und die Ferienwohnungen. Foto: Berlin

Dieser Hof erzählt Geschichten. Deborah und Florian Hucht hoffen, dass sie noch viel mehr erfahren. Sie stehen in Kontakt mit Hobbyhistorikern und freuen sich über jeden noch so kleinen Hinweis über die Vergangenheit ihres neuen Zuhauses. Sie fanden einen Webstuhl. Sie glauben, dass die Pferdezucht auf dem Anwesen eine große Rolle spielte.

Das Anwesen ist 1,1 Hektar groß und besitzt eine Nutzfläche von etwa 1500 Quadratmetern.

Die Standuhr gehört zum Inventar. Sie funktioniert noch.

Die Standuhr gehört zum Inventar. Sie funktioniert noch. Foto: Berlin

Das Wohnhaus muss etwa 1841 entstanden sein. Die Nebengebäude mit den zwei Scheunen und dem Pferdestall gegen 1818. Das belegen die Schriften am Giebel und an einer kleinen Pforte zur Scheune. Das Ensemble steht grundsätzlich unter Schutz, einige Gebäude unter Denkmalschutz.

Reet und Blech kommt auf die Dächer

Der Resthof ist sanierungsbedürftig. Die Feuchtigkeit hat dem Gemäuer geschadet. Einige Nebengebäude sind nur Ruinen. Eschen sind auf Dächer gestürzt. Mit Reet und Blech wird Familie Hucht die Dächer neu eindecken.

In solch einem Projekt steckt naturgemäß viel Idealismus. Und ja, die Huchts wollen die Idylle direkt vor der Haustür.

Der offene Kamin stammt aus dem Jahr 1912 und soll aus Meissener Porzellan bestehen.

Der offene Kamin stammt aus dem Jahr 1912 und soll aus Meissener Porzellan bestehen. Foto: Berlin

Aber reine Romantiker sind Deborah und Florian Hucht nicht. „Der Hof muss sich selbst finanzieren“, sagt Deborah Hucht. Entsprechend durchdacht haben die beiden ihre Pläne. Florian Huchts Vater ist Architekt und ein wichtiger Faktor bei dem Unternehmen.

Eine Schrift auf der Scheunentür zeigt, wie alt das Nebengebäude ist. Es wurde 1818 gebaut.

Eine Schrift auf der Scheunentür zeigt, wie alt das Nebengebäude ist. Es wurde 1818 gebaut. Foto: Berlin

Wohnen wird die Familie auf etwa 90 Quadratmetern im Haupthaus. Durch eine große Tür schauen sie auf weite Wiesen. Im Haupthaus sollen noch bis zum nächsten Sommer zwei Ferienwohnungen entstehen. Touristen können zudem im alten Pferdestall Urlaub machen. Eine der Scheunen wird zum Seminarhaus und zum sogenannten Coworking Space, die andere vielleicht ein Lager für Boote und Wohnmobile. Für die Tenne haben die Huchts „eine Mega-Idee“. Spruchreif sei das aber noch nicht.

Hamburger hoffen auf Fördermittel

Deborah und Florian Hucht erzählen, wie geschmeidig der Kontakt mit den Behörden und Institutionen verläuft. Sie klopfen mit Vertretern der Leader-Region die Aussicht auf Fördermittel ab, stehen mit Tourismusexperten in Kontakt, die Denkmalschutzbehörde sei für vieles offen und habe gute Ideen, die Kommune war frühzeitig in die Pläne eingeweiht. „Wir sind auf offene Ohren gestoßen und hatten gute Gespräche mit der Gemeinde“, sagt Deborah Hucht.

Die Sanierung des Resthofes dokumentieren Deborah und Florian Hucht auf ihrem Instagramkanal einstueckarbeit. Mehr als 15.000 Menschen folgen ihnen. Aufgebaut haben die beiden die Gemeinschaft der Follower, als sie einen 800 Quadratmeter großen Kleingarten in Hamburg hübsch gemacht, Hochbeete angelegt haben und fast jeden Schritt dokumentierten. Die beiden sprechen in einem Podcast über ihre Projekte und betreiben einen Blog.

Der Resthof in Drochtersen sei ein „Rest-des-Lebens-Projekt“. Deborah und Florian Hucht haben vor, länger zu bleiben.

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