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Medikamente

TRiesiger Lieferengpass: Bremerhavens Apotheken bestellen Asthmaspray in Spanien

Die Not ist so groß, dass die Apotheken schon auf Asthmaspray aus Spanien zurückgreifen müssen: Apothekerin Gharam Alkassam aus der Sander-Apotheke in Lehe zeigt das Medikament. Der Beipackzettel in deutscher Sprache muss dafür extra ausgedruckt werden.

Die Not ist so groß, dass die Apotheken schon auf Asthmaspray aus Spanien zurückgreifen müssen: Apothekerin Gharam Alkassam aus der Sander-Apotheke in Lehe zeigt das Medikament. Der Beipackzettel in deutscher Sprache muss dafür extra ausgedruckt werden. Foto: rp

Der Bremerhavener Apotheker Thomas Anthes spricht von einer Katastrophe: Die Lieferengpässe bei Medikamenten sind so groß, dass jetzt schon Asthmasprays in Spanien bestellt werden müssen. Auch Antibiotika werden knapp. Und der Winter kommt erst noch.

Von Denise von der Ahé Freitag, 04.10.2024, 16:08 Uhr

Bremerhaven. Knapp 500 Medikamente sind nach Angaben der Bremer Apothekerkammer derzeit von Lieferengpässen betroffen. „Es gibt Medikamente, die seit mehr als einem Jahr nicht lieferbar sind“, sagt der Bremerhavener Apotheker Thomas Anthes, Inhaber der Sander-Apotheken. Dazu gehören Asthmasprays. „Wir müssen die Patienten mittlerweile mit Asthmasprays aus Spanien versorgen, weil sie in Deutschland nicht mehr auf den Markt kommen“, sagt Anthes. Der Beipackzettel muss dann in den Apotheken extra in deutscher Sprache ausgedruckt und den Patienten mitgegeben werden. Daran sehe man, „wie krank das System ist“, sagt der Apotheker. „Wir müssen die Sprays in Spanien aufkaufen. Irgendwann werden sie vermutlich für die spanischen Asthmatiker knapp.“

Auch Antibiotika werden jetzt schon knapp, dabei steht der Winter erst noch vor der Tür, sagt Anthes. Eines der Grundprobleme: Der Absatz von Generika, für die es einen Rabattvertrag gibt, in Deutschland sei für die Hersteller unwirtschaftlich. Unter Generika versteht man Arzneimittel, die den identischen Wirkstoff wie ein ehemals patentgeschütztes Präparat haben.

500 Medikamente sind nur die Spitze des Eisbergs

Auf Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sind die Apotheker nicht gut zu sprechen. Das im vorigen Jahr von der Ampel-Koalition beschlossene Lieferengpassgesetz bringe bisher leider keine spürbare Entlastung für die Apotheken, kritisieren Anthes und auch Isabel Justus von der Bremer Apothekerkammer.

Sie geht davon aus, dass die 500 von Lieferproblemen betroffenen Medikamente nur die Spitze des Eisbergs sind. „Das sind nur die freiwilligen Meldungen der Hersteller für rezeptpflichtige, versorgungskritische Wirkstoffe, so dass der wahre Umfang des Problems noch viel größer sein dürfte“, sagt Justus. „Betroffen sind viele wichtige Medikamente von Antibiotika über Insuline bis zu Schmerz- und Betäubungsmitteln. Der Trend bei den Lieferengpässen geht grundsätzlich leider in den vergangenen Jahren nach oben – und wird in der Herbst- und Winterzeit durch höhere Nachfrage aufgrund von Infektionen oft noch saisonal verstärkt.“

Bei vielen Apotheken im Land Bremen bestehe deswegen die Sorge, ihre Patienten in der beginnenden Erkältungssaison nicht jederzeit mit allen notwendigen Medikamenten versorgen zu können.

„Versorgungssicherheit für Arzneimittel gibt es nicht zum Nulltarif“

„Konkret gibt es oftmals Produktionsprobleme irgendwo auf der Welt, die angesichts von Sparzwängen der Krankenkassen und Globalisierung der Hersteller dann auch nicht kurzfristig durch eine europäische oder gar deutsche Produktion aufgefangen werden können“, sagt Justus. „Wenn Gesundheitsminister Lauterbach eine Halbierung der Lieferengpässe seit dem Vorjahr erkennt, so kommt diese Entlastung bei den Patienten jedenfalls kaum an. Fakt ist, dass die Apotheken auch weiterhin jeden Tag mit großem Zeit- und Personalaufwand nach Alternativmedikamenten für ihre Patienten suchen müssen.“

Justus fordert: „Die Apotheken brauchen mehr Freiheiten, um schnell und unkompliziert einen Austausch des Arzneimittels vornehmen zu können, ohne allzu bürokratische Dokumentationspflichten und spätere Rechnungskürzungen durch die Krankenkassen fürchten zu müssen. Grundsätzlich muss die Politik verstehen, dass Versorgungssicherheit bei Arzneimitteln nicht zum Nulltarif zu haben ist.“

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