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TRisse und strenger Schutz: Wie das Wolfsmonitoring in der Region funktioniert

Dem Wolf auf der Spur: In einem entlegenen Naturschutzgebiet im Landkreis Cuxhaven kümmert sich der Wolfsberater Olaf Kuball um das Wolfsmonitoring.

Dem Wolf auf der Spur: In einem entlegenen Naturschutzgebiet im Landkreis Cuxhaven kümmert sich der Wolfsberater Olaf Kuball um das Wolfsmonitoring. Foto: Levin Meis

Olaf Kuball sucht im Moor nach Wölfen. Der Wolfsberater sammelt Hinweise, die die Existenz der Tiere beweisen. Wie die Arbeit des Wolfsberaters aussieht und wie seine Ergebnisse in das Niedersächsische Wolfsmonitoring einfließen.

Von Levin Meis Montag, 06.05.2024, 08:38 Uhr

Landkreis Cuxhaven. Ein silberner Geländewagen bewegt sich langsam über einen geraden Feldweg. An vielen Stellen spritzt schlammiges Wasser auf, das sich in der Fahrspur gesammelt hat. Kraniche fliegen am Himmel über das Moor. Olaf Kuball bremst ab und bringt den Wagen am Rande einer Feuchtwiese zum Stehen. Der Wolfsberater ist unterwegs, um Wölfen auf die Spur zu kommen. Weit draußen in einem Naturschutzgebiet im Landkreis Cuxhaven kümmert er sich um das Wolfsmonitoring.* Hier leben die Tiere, über die viel gesprochen wird, die aber nur wenige Menschen zu Gesicht bekommen. Olaf Kuball beobachtet sie seit vielen Jahren.

Seit 2011 gibt es wieder Wölfe im Landkreis Cuxhaven

Die Zahl der Wölfe wird in Niedersachsen auf 51 Rudel, 4 Paare und 3 Einzeltiere geschätzt. Das besagen aktuelle Erkenntnisse des niedersächsischen Monitoring-Programms. Wie kommt man den Wölfen auf die Schliche? Wie entstehen die Daten, auf deren Grundlage wichtige politische Entscheidungen getroffen werden? 2011 kehrten die ersten Wölfe zurück in den Landkreis Cuxhaven. Im selben Jahr wurde die Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) vom Landesumweltministerium mit dem Wolfsmonitoring beauftragt. Im nördlichsten Landkreis des Bundeslands kümmern sich fünf ehrenamtliche Wolfsberater darum. Einer davon ist Olaf Kuball.

Das EU-Recht verpflichtet, die Wolfspopulation zu beobachten

Der pensionierte Polizeibeamte stapft über einen alten Torfdamm durch die weite Moorlandschaft. In den saftigen Wiesen sind die für Feuchtgebiete typischen Binsen zu sehen. Die Büsche und Bäume entlang des schmalen Pfades stehen in einem zarten Grün. „Ich mache das Monitoring, seit es hier mit den Wölfen losging“, sagt der Wolfsberater. Mit seiner Tarnjacke und der grünen Hose hat er sich an seine Umgebung angepasst. Auf einer rostigen Schiene überquert er einen Graben, in dem torfiges Wasser glänzt. Draußen im Moor wird er seine Wildkameras auslesen. Ist der Wolf in eine Fotofalle getappt?

Olaf Kuball vertraut auf seine Erfahrung, wenn er die Fotofallen aufhängt. Die Wölfe bevorzugen bestimmte Wege im Naturschutzgebiet.

Olaf Kuball vertraut auf seine Erfahrung, wenn er die Fotofallen aufhängt. Die Wölfe bevorzugen bestimmte Wege im Naturschutzgebiet. Foto: Levin Meis

Für ein präzises Wolfsmanagement sammelt Kuball Hinweise auf die Existenz der Tiere im Landkreis. Seine Informationen werden in sogenannte C1 (gesichert), C2 (bestätigt) und C3-Hinweise (nicht bestätigter) eingeordnet. Das können Fotos, genetische Nachweise durch Kot, Fellspuren oder ein totes Tier sein, Wolfsgeheul und einfache Sichtungen. Gesehen hat Kuball die Wölfe schon oft. Das reicht für einen C3-Nachweis, einen Verdacht.

Mit seinen Wildkameras fotografiert Kuball regelmäßig Wölfe. Die Bilder sendet er dann nach Hannover, wo die Daten aus dem ganzen Bundesland ausgewertet werden. Dort wird entschieden, ob es sich um einen C1, C2 oder C3-Nachweis handelt. Ein gutes Foto liefert einen C1-Nachweis. Die LJN schult die niedersächsischen Wolfsberater für das Monitorringprogramm. Nach dem europäischem Recht gibt es eine Verpflichtung, die Wolfspopulationen zu überprüfen.

Das Cuxhavener Rudel tauchte erstmals 2016 auf den Kameras auf

Auf seinem Weg durch die Moorlandschaft macht Kuball halt an einer zäh gewachsenen Kiefer. Am Stamm ist so groß wie eine Brotdose eine Wildkamera befestigt. Den Standort der Kamera hat der Wolfsberater sich bewusst ausgesucht. „Ich suche die Stellen nach meinen Erfahrungswerten aus“, erzählt er. „An Orten, wo Wölfe laufen würden.“ Das sind Passagen mit hartem Untergrund oder Wildwechseln. Wege, für die sich vermutlich auch Menschen entscheiden würden.

Die Kamera hat neunmal ausgelöst. „Das ist nicht viel“, merkt Kuball an. Die Akkus können drinnenbleiben. Der Wolfsberater tauscht die Speicherkarten aus und schließt das getarnte Kameragehäuse wieder. Die Auswertung macht Kuball später am Auto.

Die Karte zeigt, wo in der Region häufig Wölfe nachgewiesen werden. Auf Wolfsmonitoring.com, der Internetseite für das Niedersächsische Monitoringprogramm, sind viele Daten und Statistiken frei verfügbar.

Die Karte zeigt, wo in der Region häufig Wölfe nachgewiesen werden. Auf Wolfsmonitoring.com, der Internetseite für das Niedersächsische Monitoringprogramm, sind viele Daten und Statistiken frei verfügbar. Foto: wolfsmonitoring.com

„Es war 2016, als ich das erste Mal zwei Wölfe auf einem Foto hatte“, erzählt Kuball. Es waren ein Rüde und eine Fähe, ein weiblicher Wolf. Die beiden bekamen Welpen und bildeten fortan ein Rudel. Die Wolfsfamilie bekam einen Namen: das Cuxhavener Rudel. Die LJN vermutet den letzten Nachwuchs des Rudels 2022.

Gerichte entscheiden auf der Datengrundlage des Monitorings

Durch das Wolfsmonitoring werden die Wölfe sichtbar gemacht. Raoul Reding, der das Wolfsmanagement landesweit koordiniert, erklärt die Bedeutung der gewonnenen Daten. „Wegen der Konflikte um den Wolf und seinen strengen Schutz braucht es ein detailliertes Management“, sagt Reding. Das Wolfsmonitoring liefert etwa die Grundlage für Gerichte, wenn ein Wolf legal geschossen werden soll. Es gewährt einen präziseren Schutz der Tiere und die nötigen Informationen, wenn ein Wolf negativ auffällt.

Kuball läuft zielstrebig auf eine Birke zu, die auf dem alten Torfdamm wächst. Der Baum steht direkt neben zwei sich kreuzenden Wildpfaden. Die Kamera hat beide im Bild. „Die Chance, dass die Wölfe hier einmal im Monat vorbeikommen, ist relativ groß“, schätzt Olaf Kuball. Für heute ist es die letzte Wildkamera, die er kontrolliert. Auf dem Rückweg läuft er durch vertrockneten Farn, der sich matt über die feuchte Erde verteilt. Kuball kennt hier jeden Baum. Im Matsch des Wildpfades hält er Ausschau nach Wolfsspuren. Heute sind nur die Abdrücke von Rehen und Wildschweinen zu sehen.

Doch dann: Neben dem schmalen Trampelpfad liegt mit Fell und Knochen gespickter Tierkot. Kuball bleibt gelassen. „Das war ein Fuchs“, erkennt das geübte Auge des Experten. „Wolfskot stinkt durch drei Plastiktüten nach Ammoniak.“

Findet Kuball Hinterlassenschaften von Wölfen, schickt er sie in das hessische Gelnhausen, wo das Senckenberg Forschungsinstitut sie im Labor untersucht. Die Ergebnisse fließen in das Wolfsmonitoring ein.

Mit Smartphone-App können Bürger zum Monitoring beitragen

Der Landkreis Cuxhaven hat für den Haushalt 2024 erstmals 20.000 Euro für das Wolfsmonitoring eingeplant. Raoul Reding geht davon aus, dass die Daten des Landkreises auch in das Monitoring der LJN einfließen werden. Mitte des Jahres sollen die Maßnahmen des Kreises starten.

Der Laptop ist ein wichtiges Werkzeug für den Wolfsberater. Kuball sortiert seine Bilder und schickt sie nach Hannover, wo sie in die Datenbank der Landesjägerschaft einlaufen.

Der Laptop ist ein wichtiges Werkzeug für den Wolfsberater. Kuball sortiert seine Bilder und schickt sie nach Hannover, wo sie in die Datenbank der Landesjägerschaft einlaufen. Foto: Levin Meis

Um das Wolfsmonitoringzu verbessern, können auch Bürger Daten sammeln. Mit der App „Wolfsmeldungen für Niedersachsen“ können Hinweise per Smartphone direkt an die LJN gesendet werden. Die prüft die Daten, stellt gegebenenfalls Nachfragen und lässt sie in das Monitoring einfließen. „Wir wollen immer wissen, wie viele Tiere da sind“, erklärt der Wolfsberater. „Wir bitten alle Leute, ihre Beobachtungen zu melden. Per App oder direkt an die Wolfsberater.“

Wieder am geparkten Auto angekommen, klappt Olaf Kuball seinen Laptop auf. Vor der geöffneten Kofferraumklappe kniend, klickt er sich durch die gespeicherten Fotos und Videos. Viele Rehe sind auf den Bildern zu sehen. „Manchmal sehe ich auch Kraniche mit ihren Küken“, erzählt er. Viele Bilder zeigen nicht mehr als schwankende Äste, aber dann schaut der Wolfsberater ein Foto länger an. „Da ist er!“

Elf Tage zuvor ist der Wolf auf einem Wildwechsel in die Kamerafalle getappt. Ein C1-Nachweis. Den wird Kuball zu Raoul Reding nach Hannover senden, wo er den Datenschatz des Monitorings bereichern wird.

In den frühen Morgenstunden kreuzt ein Wolf das Bild der Fotofalle. Jede Bewegung lässt die Kamera fünfmal auslösen und ein kurzes Video aufnehmen.

In den frühen Morgenstunden kreuzt ein Wolf das Bild der Fotofalle. Jede Bewegung lässt die Kamera fünfmal auslösen und ein kurzes Video aufnehmen. Foto: Olaf Kuball

In vier Wochen wird der Wolfsberater wiederkommen und die Kameras auslesen. Bis Juni stehen die Chancen gut, Bilder zu machen. Danach kommt bis Oktober die „Saure-Gurken-Zeit“, wie Kuball die Periode nennt, in der das Moor dicht bewachsen ist und die Felder hoch stehen. Dann versteckt sich der Wolf im Dickicht der reichen Vegetation.

*Der genaue Ort kann aus Naturschutzgründen nicht genannt werden.

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