TRückschlag für D/A: Stürmer in Topform erneut ausgebremst
Nachdenklich: Allah Aid Hamid hatte schon im August vier Spiele verpasst. Foto: Struwe (nomo)
Der Wirbelwind bei D/A fällt aus. Allah Aid Hamid verletzt sich am Oberschenkel. Das nervt ihn. Aber er hat schon weitaus größere Herausforderungen gemeistert.
Drochtersen. In acht Pflichtspielen hat Allah Aid Hamid für den Fußball-Regionalligisten SV Drochtersen/Assel bereits fünf Tore erzielt und zwei Vorlagen gegeben. Der 23-jährige Offensivspieler spielt in bestechender Form. „Seine Quote stimmt“, sagt sein Trainer Oliver Ioannou. Da kommt Hamids neuerliche Verletzung zur Unzeit.
Während des Spiels gegen den SV Werder Bremen II zwickt es bei Hamid im Oberschenkel. Kurz vor dem Abpfiff nimmt Ioannou den 1,68 Meter großen Iraker vom Platz. Hamid erhält Applaus von den Zuschauern auf der Haupttribüne. Sie honorieren, wenn sich jemand aufreibt auf dem Rasen, dahin geht, wo es weh tut, keinen Ball verloren gibt. Hamid macht genau das.
Diagnose Muskelfaserriss
Aber der zwickende Oberschenkel bleibt Thema. Zunächst kann die medizinische Abteilung beim Ultraschall nichts Auffälliges erkennen. Am Mittwoch fährt Hamid nach Hamburg zur MRT-Untersuchung. Am Donnerstag erhält er die Diagnose Muskelfaserriss. D/A-Physiotherapeut Fran Ares Sanjurjo versetzt das in Alarmstimmung.
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Sanjurjo plant die nächsten Tage, die Behandlungen. Keine Belastung. Nicht überdehnen. Nicht mal Autofahren. Bis zu vier Wochen kann es dauern, bis der Muskel wieder regeneriert ist. Manchmal dauert es länger.
Hamid ist total genervt. Im August hatte er aufgrund einer Verletzung am Fuß schon vier Spiele verpasst. „Ich schaue auf meinen Körper, auf meine Ernährung. Ich kann nicht akzeptieren, dass es trotzdem passiert“, sagt er. Ausgerechnet er, der immer ackert und weitaus mehr Stunden auf dem Trainingsplatz verbringt als normalerweise.
Flüchtlingsteam in Ahlhorn als Anker
Als Elfjähriger flüchtete Hamid 2014 vor dem Krieg im Irak. Zu Fuß. Er gelangte bis zu einem Flüchtlingslager in der Nähe von Oldenburg. Der Ahlhorner SV nahm ihn damals auf und steckte ihn zunächst in eine Mannschaft von Flüchtlingen. Der Verein leistete damals beispielhafte Arbeit in Sachen Integration durch Sport. Hamids erster Trainer erinnert sich gern.

Allah Aid Hamid feiert mit Jannes Wulff (links) den 3:2-Sieg gegen den Werder Bremen II. Foto: Struwe
„Er war fleißiger als andere“, sagt Engin Akcay. Schnell integrierte Akcay das Naturtalent im Ligafußball. Hamid sei zwei Stunden vor dem Training da gewesen und blieb nach Trainingsschluss zwei bis drei Stunden länger. „Ich wusste in der ersten Trainingseinheit, dass er ein Kracher wird“, sagt Akcay.
Oder, wie es der heutige stellvertretende Abteilungsleiter des Ahlhorner SV, Martin Gramsch, sagt: „Der Wirbelwind mit der linken Klebe hat alle schwindelig gespielt.“ Gramsch hat früh die ausgeprägte Eigenmotivation bei Hamid erlebt. Der Junge fuhr überall mit dem Fahrrad hin, wo andere Kicker sich von ihren Eltern mit dem Auto chauffieren ließen.
Die Flucht macht ihn ehrgeizig
In fünf Jahren schafft es Allah Aid Hamid schließlich von der Kreisliga in Ahlhorn bis in die Regionalliga. Erst beim Bremer SV, dann in Drochtersen, Jeddeloh und wieder Drochtersen. Das hat er mit Talent und Ehrgeiz geschafft. Vielleicht ist ein Mensch fokussierter und zielgerichteter, wenn er die Herausforderung eines 3500 Kilometer langen Fußmarsches hinter sich hat, den er in Angriff nahm, weil er im Irak um sein Leben fürchtete.
„Ein bodenständiger Junge“, sagt Martin Gramsch. Erst zuletzt haben sie sich in Oldenburg getroffen und ein bisschen geschnackt. Wenn Hamid Zeit hat, geht er nach Ahlhorn auf den Sportplatz. Martin Gramsch hat ein Foto von seinen Kindern mit Hamid in seinem Handy.
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Gegen einen seiner Ex-Vereine, den Bremer SV, wird Allah Aid Hamid der SV Drochtersen/Assel am Freitagabend fehlen. Zwölf Monate lang kickte Hamid für den aktuellen Tabellenneunten. Anpfiff in Drochtersen ist am 26. September um 19.30 Uhr.
Ist D/A eine Spitzenmannschaft?
Nach dem Spiel gegen den Bremer SV fährt der Tabellendritte D/A am Mittwoch, 1. Oktober, zum VfB Oldenburg (18.30 Uhr), dann kommt Hannover 96 II am 5. Oktober ins Kehdinger Stadion (15 Uhr). „Ob wir eine Spitzenmannschaft sind, sehen wir nach diesen drei Spielen“, sagt Trainer Oliver Ioannou. Nach gut einem Drittel der Saison könne er dann eine Tendenz erkennen. „Spitze oder guter einstelliger Tabellenplatz?“ Es ist kein Geheimnis, dass D/A um den Aufstieg in die 3. Liga mitspielen will.
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Für Hamid wäre die 3. Liga ein Traum. Seine Geschichte könnte Stoff von Dokumentarfilmern werden. Sein erster deutscher Trainer Akcay sagt heute, er wäre längst in der Bundesliga, wenn er den typischen Weg eines in Deutschland aufgewachsenen Top-Talentes gegangen wäre.
Die Verletzung bremst Hamid nur kurz aus. Er wird sich am Freitag eine spezielle Bandage um den Oberschenkel legen und die richtungsweisende Partie gegen den Bremer SV von der Tribüne aus verfolgen.
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