TSchaustellerfamilie in Stade: Wie Kasper und Co. überwintern
Mit den Hohnsteiner Handspielpuppen tritt Leon Frank derzeit im Bützflether Moor auf. Foto: Stehr
Leon Frank und seine Freundin Michelle Lauenburger sind Schausteller in neunter Generation und lassen buchstäblich die Puppen tanzen. Ein Besuch bei den jungen Eltern in Stade.
Stade. Leon Frank und Michelle Lauenburger sitzen in der Wohnküche eines großen Reetdachhauses im Bützflether Moor. Es ist wohlig warm und alles ist liebevoll weihnachtlich dekoriert. Die zwei Monate alte Tochter des Paares bekommt ihr Fläschchen und gluckst auf dem Sofa zufrieden vor sich hin. Dass dies nur ein Zuhause auf Zeit ist, ahnt die kleine Tiana noch nicht.
Meist nicht länger als eine Woche an einem Ort
Zusammen mit ihren Eltern, Großeltern und weiteren Familienmitgliedern wird sie sich im kommenden Frühjahr mit dem Wohnwagen auf den Weg machen und meist nicht länger als eine Woche an einem Ort bleiben. Tiana ist Schaustellerkind der 10. Generation, ihre Vorfahren waren Zirkusleute, Artisten und Marktbudenbeschicker. Mama Michelle und Papa Leon sind Puppenspieler. Das „Tri Tra Trallala“ haben beide von ihren Vätern und Großvätern in die Wiege gelegt bekommen.

Leon Frank und Michelle Lauenburger mit Tochter Tiana. Das zwei Monate alte Mädchen ist Schaustellerkind der 10. Generation. Foto: Stehr
Kennengelernt haben sich die 21-Jährige und der 22-Jährige vor knapp fünf Jahren ganz klassisch auf einer Geburtstagsfeier. „Seitdem sind wir unzertrennlich“, sagt Michelle Lauenburger. Dass sie die Schausteller-Tradition fortführen wollen, stand für beide nie zur Debatte.
„Einen festen Job und ein festes Zuhause zu haben, können wir uns gar nicht vorstellen. Im Wohnwagen fühlen wir uns am wohlsten. Besonders, wenn der Regen aufs Dach prasselt“, sagt Leon Frank. Schon jetzt kann er es kaum erwarten, im April endlich wieder loszufahren - mit der Lauenburger Großfamilie mit insgesamt sechs Wohnwagen.
Glühweinhütte
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Michelle Lauenburger hat sechs Schwestern, die teilweise noch schulpflichtig sind. Sie werden während der Schaustellersaison von einem sogenannten Bereichslehrer unterrichtet und lernen online. Momentan gehen sie in Stade zur Schule. Auf dem Hof im Bützflether Moor haben die Lauenburgers seit drei Jahren ihr festes Winterquartier. Vorher hatten sie lediglich eine Meldeadresse und lebten durchgehend im Wohnwagen.
Kaspertheater und Weihnachtsmarkt
Komplett frei haben die Schausteller im Winter übrigens nicht. In der Adventszeit spielt Familie Lauenburger traditionell „Kaspers Weihnachtsmärchen“. Dieses Jahr steht das Theaterzelt erstmals im Stader Moor, drum herum ist ein kleiner Weihnachtsmarkt mit Karussells und Buden aufgebaut. Als Weihnachtsmann verkleidet nimmt Leon Frank vor seinem Auftritt im Kaspertheater noch Wünsche entgegen.

Leon Frank und Familie Lauenburger laden bis zum 21. Dezember immer freitags bis samstags zum Puppentheater mit kleinem Weihnachtsmarkt ein. Foto: Stehr
Ansonsten müssen die Schausteller sich im Winter um öffentliche und private Plätze kümmern, auf denen sie im kommenden Jahr ihr Theaterzelt aufschlagen können. Die Plätze müssen groß genug sein, einen festen Boden sowie Zugang zu Strom und Wasser haben. Der Aufbau des Zelts inklusive Dekoration dauert bis zu drei Tage, alle packen dann mit an.
„So wächst auch Tiana auf“, sagt Leon Frank. Seine Tochter werde - so wie er selbst auch - von klein auf mitbekommen, dass alle an einem Strang ziehen, fest zusammenhalten und mithelfen müssen. Beim Dekorieren, Aufbauen und Aufräumen, beim Kassieren sowie später womöglich auch beim Puppenspielen mit den handgeschnitzten Hohnsteiner Handspielpuppen. Die sind schon lange im Familienbesitz.

Leon Frank hat das Puppenspielen von seinem Vater gelernt. Foto: Stehr
„Mein Vater hat mich mit 15 das erste Mal alleine auftreten lassen“, sagt Leon Frank. Lampenfieber habe er bis heute. Man wisse ja nie, wie gut die Kinder mitmachen. Es falle auf, dass inzwischen viele durchs Handy abgelenkt seien.
Gemeinsames Weihnachtsfest ist Familientradition
Trotzdem stehe das traditionelle Kasperstück mit Hexe Wackelzahn, Wachtmeister Dimpfelmoser und Co. noch immer hoch im Kurs bei Kindern und Erwachsenen. Das spornt die Lauenburgers an, dieses Stück deutscher Kultur zu bewahren.
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Zur Lauenburger Tradition gehört das gemeinsame Weihnachtsfest. Gefeiert wird dieses Jahr im Stader Moor mit knapp 20 Leuten. Außerdem ist im Winter Zeit für Besuche von Freunden und Verwandten.
Leon Franks Familie hat ihren festen Wohnsitz in Magdeburg. „Wir halten auch zu anderen Schaustellern Kontakt, treffen uns manchmal mit bis zu 100 Leuten. Wir sind eine große Familie“, sagt Leon Frank.
Überhaupt seien gerne immer alle zusammen, spielen gemeinsam Brettspiele oder gehen mal zum Bowlen. „Alleine zu sein, ist nichts für uns, das sind wir einfach nicht gewohnt“, sagt Michelle Lauenburger. Trotzdem achtet sie darauf, dass sie und Leon Frank auch mal nur zu zweit etwas unternehmen, zum Beispiel ins Kino oder essen gehen. Ein Babysitter für Tiana findet sich zum Glück immer.
„Kaspers Weihnachtsmärchen“ läuft noch bis zum 21. Dezember immer freitags, samstags und sonntags von 15 bis 16 Uhr im Bützflether Moor, Süderstraße 263. Einlass ist ab 14 Uhr. Erwachsene zahlen 14 Euro, ermäßigt 12 Euro, Kinder zahlen 12 Euro, ermäßigt 10 Euro. Reservierung möglich unter 0176/84627311.
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