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Illegale Tötungen

TSchießen, Schaufeln, Schweigen: Das Problem mit der illegalen Jagd auf Wölfe

In Köhlen im Landkreis Cuxhaven wurde im September 2016 ein weiblicher Wolf illegal erschossen.

In Köhlen im Landkreis Cuxhaven wurde im September 2016 ein weiblicher Wolf illegal erschossen. Foto: Privat

Ein gezielter Schuss, ein gefährlicher Köder: Wölfe werden regelmäßig illegal getötet. Straftaten, die mit bis zu 50.000 Euro oder Gefängnis bestraft werden. Die Abschüsse können Folgen für Weidetierhalter haben, sagt eine Theorie.

Von Levin Meis Dienstag, 07.05.2024, 11:15 Uhr

Landkreis Cuxhaven. Der Wolf ist seit 1979 in Europa streng geschützt. Wer ein Tier in Deutschland ohne Genehmigung tötet, dem drohen Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro oder das Gefängnis. In Deutschland wurden laut der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) seit 1999 mindestens 92 Wölfe illegal getötet. In Niedersachsen sind es seit 2003 mindestens 17.

Mitte April 2024 hat ein Wanderer bei Lauenbrück im Landkreis Rotenburg einen toten Wolf gefunden. Das Tier lag in einem Graben unweit der Kreisstraße 212. Der Wolfsberater Jürgen Cassier begutachte das Tier als einer der Ersten. „Als ich das Tier aus dem Graben gezogen habe, rutschte ein Stück vom Fell ab“, sagt Cassier. Am Bauch des Wolfes erkannte er ein Loch. Diese Beobachtung brachte den Wolfsberater zu dem Schluss, dass das Tier möglicherweise erschossen wurde. Ein Verdacht.

Der Wolf aus Lauenbrück wurde anschließend nach Berlin in das Leibniz-Institut gebracht. Dort soll die Todesursache des Wolfes festgestellt werden. „Nach meinem Urteil war es kein Verkehrsopfer“, sagt Cassier. Er vermutet, dass das Tier absichtlich in den Graben gelegt wurde.

„Der Abschuss geschützter Tiere ist eine Straftat.“

Die Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) ist für das landesweite Wolfsmonitoring zuständig. Der Wolfsbeauftragte der LJN, Raoul Reding, weist auf die Dunkelziffer in diesen Fällen hin. „Die genauen Zahlen kennen wir nicht“, sagt Reding. Viele der illegal geschossenen Wölfe werden nicht gefunden.

Unter Wolfsgegnern kursiert das Credo „Schießen, Schaufeln, Schweigen“. Wer im Internet nach diesen drei Wörtern sucht, wird viele Treffer finden. „Für mich ist das eine Aufforderung zur Straftat“, sagt Wolfsberater Jürgen Cassier. Schon vor rund drei Jahren begutachtete er einen Wolf, der in der Nähe von Rotenburg zwar im Verkehr umkam, aber Schussverletzungen aufwies.

Marie Neuwald ist Wolfsexpertin beim Nabu. Sie betont: „Der Abschuss geschützter Tiere ist eine Straftat.“ Neuwald merkt an, dass noch kein illegaler Wolfsabschuss in Deutschland durch Ermittlungsbehörden aufgeklärt wurde. Es gab lediglich Fälle, in denen sich die Schützen gestellt haben. „In der Regel waren das versehentliche Abschüsse“, so Neuwald. Bei den zuständigen Behörden gebe es zu wenige Kapazitäten für Wildtierkriminalität.

Verkehrsunfälle sind häufigste Todesursache von Wölfen

Problematisch, weil auch Wildtiere wie Luchse oder Greifvögel regelmäßig Opfer von illegalen Tötungen werden. Da noch kein Fall aufgeklärt werden konnte, kann Neuwald über die Motive nur mutmaßen. „Viele schieben diese Taten schnell in Richtung der Jägerschaft“, so die Nabu-Expertin. „Das tue ich nicht. Viele Jäger stellen sich gegen die illegalen Abschüsse.“ Wut nach Rissen von Weidetieren seien mögliche Motive, genau wie der Reiz des Verbotenen, erklärt Neuwald.

Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf wertet die Totfunde von Wölfen in einer Statistik aus. An erster Stelle steht der Verkehr.

Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf wertet die Totfunde von Wölfen in einer Statistik aus. An erster Stelle steht der Verkehr. Foto: Meis, Levin

Den Bestand der Wolfspopulation in Deutschland gefährden die illegalen Tötungen nicht. Illegale Tötungen machen laut den Daten der DBBW einen untergeordneten Anteil der Totfunden aus. Rund drei Viertel der Wölfe sterben durch Verkehrsunfälle. Illegale Tötungen machen einen Anteil von weniger als zehn Prozent aus.

Der illegale Abschuss eines Wolfes kann ungeahnte Folgen haben. Es existiert die Theorie, dass nach dem Tod einer Fähe oder eines Rüden die Zahl der Risse ansteigen können. Für ein geschwächtes Rudel ist das Jagen von Herdentieren leichter. „Wenn die Risse hochgehen, könnte es ein Hinweis darauf sein, aber ein sehr unsicherer“, sagt Raoul Reding über diese Theorie.

Illegale Abschüsse könnten Anstieg von Rissen verursachen

Im Landkreis Cuxhaven fiel im September 2016 eine Fähe einem illegalen Schuss zu Opfer. Von Januar 2016 bis zu dem Tod der Wölfin wurden im Landkreis Cuxhaven elf Tiere gerissen. Die Risse wurden entweder auf einen Wolf zurückgeführt oder der Wolf konnte als Verursacher nicht ausgeschlossen werden.

Von den Tagen, in denen der Abschuss der Fähe passiert sein muss, bis fünf Monate danach gab es 15 solcher Risse. Gibt es einen Zusammenhang? „Einen kausalen Zusammenhang können wir in diesem Fall nicht herstellen – ausschließen können wir ihn aber auch nicht“, sagt der Wolfsbeauftragte LJN. Eine wissenschaftliche Abschlussarbeit geht dieser Theorie aktuell auf den Grund, so Reding.

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