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Phänomene der Natur

TSchön und voller Geheimnisse: Die Prachtlibelle

Das auffallende Prachtlibellen-Männchen macht mit seiner blauen Farbe auf sich aufmerksam.

Das auffallende Prachtlibellen-Männchen macht mit seiner blauen Farbe auf sich aufmerksam. Foto: Hajo Schaffhäuser

Sie leuchten in prachtvollen Farben - jedenfalls die Männchen der Prachtlibellen. Die Weibchen haben andere Qualitäten: Sie sichern die Art, weil sie bei der Paarung nur das Supersperma zulassen.

Von Wolfgang Kurtze Montag, 29.07.2024, 05:56 Uhr

Landkreis. Prachtlibellen gehören zu unseren schönsten Insekten. Die Flügel männlicher Tiere sind kräftig tiefblau und glitzern während des Fluges. Die Flügel der Weibchen sind unscheinbar bräunlich gefärbt. Prachtlibellen sind nur an den Bächen und Flüssen zu finden, die nicht durch Gülle belastet sind, wenige Schadstoffe und viel Sauerstoff enthalten.

Prachtlibellen sind besonders anspruchsvoll. Sie zeigen an, ob ein Gewässer ungestört und in Ordnung ist. Außerdem benötigen sie einen reichen Bewuchs an Ufer- und Wasserpflanzen. An den Oberläufen von Oste oder Aue zum Beispiel fühlen sich Prachtlibellen wohl. Das Werben männlicher Prachtlibellen um ihr Weibchen ist sehr aufregend. In den letzten Jahren hat die Wissenschaft interessante Einblicke in das Paarungsverhalten bekommen. Die Resultate erstaunen.

Luftkämpfe um das beste Paarungsrevier

Das unscheinbar gefärbte Weibchen legt seine Eier immer an Wasserpflanzen ab. Deshalb muss ein Männchen das passende Revier finden, in dem für das Weibchen die Eiablage möglich ist. Um die besten Reviere wird heftig gestritten. Immer wieder präsentiert sich das Männchen in seinem Revier, stetig wird kontrolliert, die Grenzen werden ausgelotet. Dringt ein Rivale ein, kommt es zu Luftkämpfen. Ist endlich das Revier gesichert, dann sitzt das Männchen an einer höher gelegenen Warte und stellt die blau schillernden Flügel zur Schau. Schaut alle her, hier bin ich!

Ein schwaches Männchen ist chancenlos: Es wird verdrängt und muss sich mit den ungünstig gelegenen Revieren am Uferrand begnügen. Täglich verändern sich die Reviergrenzen. Es ist immer Bewegung an einem Prachtlibellen-Bach.

Durchfliegt ein Weibchen ein Revier, wird es spannend. Sofort fliegt das Männchen auf und befliegt es wie ein Hubschrauber im Schwirrflug. Es präsentiert und zeigt sich von allen Seiten. Genügt das Männchen den Ansprüchen des Weibchens, dann wird die Paarung zugelassen. Die Eier werden befruchtet und abgelegt. Soweit schien alles klar zu sein.

Nur das beste Sperma hat eine Chance

Doch die Wissenschaft fand heraus: Prachtlibellen-Weibchen paaren sich mehrfach. Nur so zum Spaß? Die Experten sagen: Das der Paarung nachfolgende Libellen-Männchen kann alte Spermien aus der Spermientasche des Weibchens entfernen. Dazu besitzt es in seinem Paarungsorgan kleine Haken. Zusätzlich kann das Männchen das Weibchen veranlassen, die alten Spermien abzuwerfen. Die Vaterschaft hat damit das zweite Männchen.

Damit nicht genug, auch das Libellen-Weibchen kann direkt Einfluss nehmen: Es kann hochwertige von weniger wertvollen Spermien trennen und nur die ihres Super-Männchens für die Befruchtung zulassen. Damit bleiben die Gene eines für das Weibchen uninteressanten Männchens unberücksichtigt.

Doch nach welchen Merkmalen beurteilt das Prachtlibellen-Weibchen ihren Favoriten? Nach der Flügelfärbung, seinem Paarungsverhalten, seiner Körperstärke? Oder sind es lediglich chemische Eigenschaften der Spermien, die zur Befruchtung zugelassen werden? Kann sich das Weibchen vielleicht an ihre Männchen und deren Eigenschaften erinnern? Die Paarung von Libellen ist weiterhin rätselhaft und ein sehr spannender Gegenstand der Forschung.

Die Serie

Was kreucht und fleucht denn da in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge. Die erfolgreiche TAGEBLATT-Serie „Phänomene der Natur“ rückt kurzweilig Wissenswertes aus der Natur in den Mittelpunkt. Jetzt ist der zweite Band von Wolfgang Kurtze im Buchhandel erhältlich. Herausgeber ist die Lions Stiftung Stade zur Förderung des Natur- und Umweltschutzes. Erhältlich ist das reich illustrierte und in Jahreszeiten gegliederte Werk im Buchhandel für 19,90 Euro.

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