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Hochwasserschutz

TSchrubben und spachteln: Wie ein Sperrwerk trockengelegt wird

Hinrich Wolf, Alwin Ahlf und Norman Doßmann (von links) vom NLWKN säubern die trockengelegte Sperrwerkskammer.

Hinrich Wolf, Alwin Ahlf und Norman Doßmann (von links) vom NLWKN säubern die trockengelegte Sperrwerkskammer. Foto: Knappe

Für den Hochwasserschutz ist es elementar: Für vier Wochen werden die Kammern des Sperrwerks am Ruthenstrom trockengelegt und überprüft. Für das Bauwerk wird es eine der letzten Groß-Inspektionen sein.

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Von Katja Knappe
Samstag, 31.08.2024, 11:50 Uhr

Krautsand. Passanten und Radler drängeln sich immer wieder an Kran- und Baufahrzeugen auf dem Sperrwerk vorbei, bleiben stehen und zücken ihr Handy für Fotos. „Dürfen wir durch?“ Meist gibt es als Antwort ein gedehntes „Jaaa...“. Denn eigentlich hat die zuständige Stader Betriebsstelle vom NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Naturschutz) am Elbe-Radweg entsprechende Hinweisschilder aufgestellt: Der Radwanderweg übers Sperrwerk ist während der vierwöchigen Sperrwerks-Inspektion grundsätzlich gesperrt.

Arne Cohrs und seine Kollegen vom NLWKN drücken wegen des langen Umwegs für Radler aber meist ein Auge zu. An einigen Tagen ist die Durchfahrt aber tatsächlich nicht möglich. So voraussichtlich am kommenden Donnerstag, 5. September, und am Montag, 9. September.

Ruthenstrom-Sperrwerk hat Stemm- und Hubtore

Am Montag startete die Inspektion mit der Trockenlegung der ersten der beiden Sielkammern. Das Sperrwerk am Ruthenstrom ist anders konstruiert als die meisten übrigen Elb-Sperrwerke, erläutert Wasserbauingenieur Cohrs, der in Drochtersen aufwuchs.

Das sieht gut aus: Wasserbauingenieur Arne Cohrs ist zufrieden mit dem Zustand in der ersten Sperrwerkskammer.

Das sieht gut aus: Wasserbauingenieur Arne Cohrs ist zufrieden mit dem Zustand in der ersten Sperrwerkskammer. Foto: Knappe

Während die anderen Sperrwerke jeweils ausschließlich über Stemmtore verfügen, deren Tore sich beim Schließen gegeneinander stemmen, gibt es am Ruthenstrom Stemmtore und Hubtore. Beim Hubtor senkt sich jeweils eine 20 Tonnen mächtige Stahlwand nach unten und verschließt so eine Sperrwerkskammer.

Bis zu 120 Mal im Jahr wird das Sperrwerk geschlossen

Das Sperrwerk am Ruthenstrom wird etwa 65 bis 120 Mal im Jahr wegen Sturmfluten geschlossen, im Sommer bei einer Pegelhöhe von 6,90 Meter und im Winter bei 2,20 Meter Pegelhöhe. „Bis jetzt haben wir in diesem Jahr schon etwa 60 Mal geschlossen“, sagt Sperrwerkswartin Kerstin Hinsch, die diesen Job mit ihrem Kollegen Jan Havemann macht.

Beim Trockenlegen des Sperrwerks sind die Tore geöffnet. Dann setzt das NLWK-Spezial-Team aus Basbek miteinander verbundene Stahlröhren, sogenannte Nadeln, senkrecht auf eine zuvor verlegte Bodenschiene. Die beiden Nadel-Wände fungieren als neue provisorische Sperrwände. Bei diesen kniffeligen Arbeiten sind auch Taucher im Einsatz.

Wenn die Nadel-Wände richtig sitzen und zusätzlich abgedichtet sind, wird das Wasser aus der Kammer herausgepumpt. Die drei Pumpen in der Kammer brummen fast ständig, denn die Nadel-Wände dichten die Kammer nicht hundertprozentig ab. Immer wieder läuft Wasser aus dem Ruthenstrom in die Kammer.

Fußnasser Arbeitsplatz in elf Metern Tiefe

Hier, in elf MeternTiefe, ist für vier Wochen der nasse Arbeitsplatz für die Wasserbauer. Am Mittwochvormittag funktionieren nicht alle Pumpen. Der Wasserpegel in der Kammer steigt kurzfristig auf gut 30 Zentimeter. Das reicht, um Gummistiefel zu fluten. Kurze Zeit später laufen die Pumpen wieder, das Wasser reicht nur noch bis über die Knöchel - so soll es sein. Der herbeigerufene Elektriker winkt ab: Er konnte keinen Defekt feststellen.

In der Kammer ist tagelang Schrubben und Kratzen angesagt. Muscheln und Algen, die sich an den Kammerwänden festgesetzt haben, werden mit dem Hochdruckreiniger und mit Langspachteln entfernt. Die Sohle wird von Schlickresten und Steinen befreit - ganz herkömmlich mit Schrubbern und Schaufeln.

Kletterpartie in die Mittagspause: Wasserbauer Hinrich Wolf (44) beim Aufstieg. Links im Bild die sogenannten Nadeln, die während der Inspektion die offene Sperrwerkskammer abdichten.

Kletterpartie in die Mittagspause: Wasserbauer Hinrich Wolf (44) beim Aufstieg. Links im Bild die sogenannten Nadeln, die während der Inspektion die offene Sperrwerkskammer abdichten. Foto: Knappe

„Das Waschen und Wände-Saubermachen ist körperlich anstrengend“, sagt Wasserbauer Hinrich Wolf. Die Arbeiter bauen jetzt ein fahrbares hohes Rollgerüst auf: Das ist für den externen Bauwerks-Inspekteur, der hier auch in den höheren Bereichen die Beschaffenheit der Sperrwerkswände prüfen wird.

Bis jetzt keine größeren Schäden gesichtet

Bis jetzt sieht in der ersten Kammer am Ruthenstrom-Sperrwerk alles sehr gut aus, sagt Arne Cohrs: Kaum Schlick, die beiden wöchentlichen Sperrwerksspülungen tragen Früchte. Und auf den ersten Blick gibt es keine größeren Defekte, Risse oder Löcher. Kleinere Reparatur- und Wartungsarbeiten erledigt das NLWKN-Team selbst. Vorarbeiter Norman Doßmann, der hier seine zwölfte Sperrwerks-Trockenlegung erlebt, wird noch die Hydraulik-Schmierstellen kontrollieren, wenn die Sperrwerkstore gesäubert sind. Bei größeren Schäden müssen Spezialfirmen ran.

Die letzte große Bauwerks-Inspektion mit Trockenlegung erfolgte am Ruthenstrom 2013, die letzte Nass-Großinspektion ohne Abpumpen lief vor sechs Jahren. Eigentlich sollte in diesem Sommer das Abbenflether Sperrwerk trockengelegt werden - doch aus technischen Gründen wurde kurzfristig umdisponiert und die Inspektion des Ruthenstrom-Sperrwerks vorgezogen.

Sperrwerke werden neu gebaut

Die vierwöchige Großinspektion dürfte eine der letzten sein, die das Ruthenstrom-Sperrwerk von 1978 erlebt. Im Zuge der Deicherhöhung werden die Sperrwerke an der Unterelbe neu errichtet, die alten abgebaut. Wann, das ist offen. Die Sperrwerks-Planungen laufen losgelöst von den Planungen zur Erhöhung der Deichlinie.

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