TSchummelärztin sorgt vor Gericht für nächste Überraschungen

Die Angeklagte arbeitete unter anderem in der Ameos-Klinik in Debstedt (Kreis Cuxhaven). Foto: Friso Gentsch/dpa
Die 21-Jährige gerät in Bedrängnis: eine falsche Adresse, ein teurer BMW - und zahlreiche Fotos. Im Prozess tun sich Widersprüche auf, neue Enthüllungen kommen ans Licht.
Osnabrück. Schon vor der Vernehmung des Zeugen wurde es interessant: Die Vorsitzende Richterin der Großen Strafkammer am Landgericht Osnabrück hielt der Angeklagten eine ganze Reihe von Fotos vor, zu denen sie sich äußern sollte.
Dabei war eine zweite offensichtlich gefälschte Approbationsurkunde, die angeblich in Österreich ausgestellt worden sein sollte. Zur Erinnerung: Die Angeklagte hatte sich im Ameos-Krankenhaus in Debstedt bei Bremerhaven sowie am Ludmillenstift Meppen mit einer gefälschten Urkunde beworben, die angeblich in Hamburg ausgestellt worden war.
Es gab also mindestens zwei Varianten und zudem mehrere Zwischenschritte, die auf den Datenträgern der Frau gefunden worden waren: Urkunden mit anderen Namen, die als Vorlage für eine Fälschung gedient haben könnten und auf denen jemand markiert hatte, was zu streichen und zu ergänzen war. Diese Schriftstücke kenne sie nicht, sagte die Angeklagte.
Vorgehalten wurden ihr auch mehrere Fotos, die die Angeklagte mit der falschen Urkunde posierend und später bei der Arbeit als angebliche Ärztin zeigten. Diese Fotos hatte sie „vielleicht“ an dritte Personen weitergeschickt, „möglicherweise“, um zu beweisen, wozu sie fähig sei, sagte die junge Frau aus Hagen im Kreis Cuxhaven. Die den Fotos hinterlegten Daten zeigten die Weitergabe allerdings eindeutig.
Falsche Ärztin hat zahlreiche Fotos an Bekannte geschickt
An einem der ersten beiden Verhandlungstage hatte die Angeklagte behauptet, aus Angst vor ihrem gewalttätigen und eifersüchtigen Lebensgefährten gehandelt und auf seinen Druck hin sich als falsche Ärztin ausgegeben zu haben. Er habe die Approbationsurkunde wohl gefälscht und ihr auch beim fantasievollen, aber gefälschten Lebenslauf geholfen. Der Staatsanwalt wollte wissen, warum sie dann mit ihrem Leben als angebliche Ärztin per Foto hausieren gegangen sei. Immerhin habe das die Gefahr, aufzufliegen, erhöht. Ihre Antwort: „Ich war einfach maximal dumm.“
Nicht alle Details der aktuellen Befragung können hier wiedergegeben werden, deshalb nur einige wesentliche: So hat die Angeklagte möglicherweise das Nähen von Wunden geübt – und zwar an einer Banane. Jedenfalls hat sie selbst ein Foto von einer genähten Banane angefertigt.
In ihrer Zeit im Meppener Krankenhaus hat sie ein Foto vom dortigen Hubschrauberlandeplatz gemacht und an Freunde oder Bekannte verschickt, mit der Ankündigung, gleich komme ein Polytrauma rein. Also ein schwer mehrfach verletzter Mensch nach einem Unfall. Der kam dann auch, aber nicht per Hubschrauber. Mit seiner Behandlung hatte sie nichts zu tun.
Die Ausbildung zur Krankenschwester, die die Angeklagte am 1. April 2021 in Bremerhaven begonnen hatte, musste sie beenden. Denn nach 331 Fehlstunden wurde ihr gekündigt. Gefehlt hatte sie unter anderem, weil sie sich schon ab dem 1. April 2022 als Ärztin in der Ameos-Klinik in Debstedt hatte anstellen lassen.
Teurer BMW, 1400 Euro in bar und medizinische Ausrüstung
In ihrem Auto – einem teuren BMW – fanden Ermittler medizinisches Material, vor allem sogenannte Zugänge oder Verbandsmaterial. Wozu sie das benötigte? Ihr Freund habe ihr wegen Dehydrierung zweimal einen Zugang gelegt. Dazu fand man 1400 Euro in bar, abgelaufene Medikamente und die gemeinsame Wohnung in einem Zustand, den die Angeklagte selbst als „Messi-Wohnung“ bezeichnete.
Die Vernehmung des Ex-Freundes ergab eine in Teilen vollkommen andere Sichtweise. Der heute 30-Jährige bestätigte nur Teile der Aussage seiner Ex-Freundin. Er hatte sie als Rettungssanitäter in einem Corona-Impfteam kennengelernt. Sie habe ihm berichtet, sie habe Medizin studiert.
Ex-Freund zeichnet ein anderes Bild
Für einen Abschluss brauche sie noch eine Prüfung, habe sie gesagt. Dann sei der Abschluss doch ohne Prüfung möglich gewesen und irgendwann habe sie die Approbationsurkunde in der Hand gehabt. Offenbar per Post zugesandt. Er habe sie dann ermuntert, sich in Debstedt zu bewerben.
Grundsätzlich widersprechen müsse er aber den Beschuldigungen seiner Ex-Freundin, von denen er nach dem ersten Prozesstag aus der Zeitung erfahren habe. So habe er die Approbationsurkunde nicht wie von ihr behauptet im Internet bestellt und von ihrem Konto bezahlt: „Ich hatte keinerlei Zugangsdaten. Weder für Handy oder Rechner noch für das Konto. Ich war das nicht.“
Mit Fleischerhammer den Fuß verletzt?
Auch habe er ihr niemals mit einem Fleischerhammer den Fuß verletzt. Das hatte die Angeklagte behauptet, um eine Verletzung zu erklären, mit der sie wochenlang krankfeiern musste. Stattdessen sei ihr ein Pferd, das sie gekauft hatte, auf den Fuß getreten. „Da bin ich dabei gewesen“, sagte der Mann.
Nach dem Auffliegen des Betrugs in Meppen im Oktober 2022 sei er noch bis Ende 2022 mit der Frau liiert geblieben und mit ihr in den Raum Bremen zurückgezogen.
Angeklagte nennt dem Gericht falsche Anschrift
Zwei weitere Überraschungen gab es zum Schluss: Zum einen hatte die Angeklagte dem Gericht am ersten Prozesstag nicht ihre tatsächliche Anschrift genannt. „Weil die Öffentlichkeit das nicht wissen muss“, meinte sie. Sehr zum Ärger des Staatsanwalts.
Dann stellte sich heraus, dass der Kontakt zwischen ihr und ihrem Ex-Freund nie abgerissen war. „Wir haben auch nach dem Ende der Beziehung oft, manchmal täglich, telefoniert“, sagte der Rettungssanitäter. „Ich habe sie auch weiter finanziell unterstützt und war der Meinung, dass wir wieder zusammenkommen würden.“
Wie lange das noch so gegangen sei, wollte die Richterin wissen: „Bis nach dem ersten Prozesstag vor einer Woche. Da hat sie mir gesagt, dass sie bereits einen neuen Lebenspartner hat.“
Der Prozess wird am Montag mit einem Gutachten über die Persönlichkeit der Angeklagten fortgesetzt. Dies allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. (noz/skw)