Zähl Pixel
Urlaub

TSeemann für sechs Tage auf der „Alex“

Segel-Trainee Ulf auf der Aleander von Humboldt II

Ulf ist als Student schon auf der ersten „Alexander von Humboldt“ gesegelt. Auch auf dem Nachfolger „Alexander von Humboldt II“ macht dem heute 55-Jährigen das Mitsegeln Spaß. Foto: NZ/ Philipp Steiner

Norbert ist auf dem Törn von Kiel in die Ostsee und das Kattegat einer von rund 45 Trainees auf der „Alexander von Humboldt II“. Die Trainees sind zahlende Gäste, die das Schiff segeln – zusammen mit einer erfahrenen Stammcrew.

Von Phillipp Steiner Samstag, 20.09.2025, 07:50 Uhr

Bremerhaven. Es ist eine Mischung aus Klassenfahrt und Knochenjob. Jeder packt mit an. Die Trainees stehen am Steuer, setzen Segel und bergen sie oder gehen Ausguck am Bug, wo sie manchmal mitten in der Nacht allein sind. Sie decken in der Messe (Kantine) auf und ab und putzen die Toiletten. Swimmingpool, feine Speisen oder Komfort auf der Kammer: Gibt es nicht. Trotzdem will so manche(r) wiederkommen.

Mitfahrer sind zwischen 16 und 80 Jahre alt

Start ist in Kiel. Die „Alexander von Humboldt II“ liegt unweit des Zentrums. Sie ist eine 65 Meter lange Bark. 24 Segel verteilen sich auf drei Masten. Alle sind grün – das Markenzeichen der „Alex“. Der jüngste Trainee ist Moritz, der an Bord seinen 16. Geburtstag feiert. Dagegen zählt Frederik aus Dänemark stolze 80 Jahre. Frederik ist ein Segler mit eigenem Boot. Auf der „Alexander von Humboldt II“ ist er noch nie gefahren.

Stammgäste treffen auf Neulinge

Auch für Ruth (38) aus der Region Aachen ist es eine Premiere, so wie für Kai aus Wanne-Eickel (60). Der frühere Lkw-Fahrer hat die Reise von seiner Familie geschenkt bekommen.

Norbert aus Nürnberg ist das zweite Mal dabei und Irmgard aus Sachsen sogar das achte Mal. Von Beruf Ärztin, hat sie auf einer Fahrt in der Karibik bereits als Bordärztin gedient. Dieses Mal ist sie als gewöhnlicher Trainee hier. Sie hat Mann Arne und Sohn Moritz (den, der Geburtstag feiert,) mitgebracht.

Kapitän Schepers begrüßt die Crew persönlich

Sie alle werden an Deck von Kapitän Conrad Schepers begrüßt. Der 37-Jährige kommt aus der Berufsschifffahrt. Trotzdem trägt er sein Hemd mit den vier goldenen Streifen nur bei der Begrüßung und zum Abschied. Sonst ist er wie die anderen praktisch gekleidet und lässt sich wie sie duzen. Zur ehrenamtlichen Stammbesatzung zählen auf dem Törn unter anderem weitere Steuerleute, ein Koch und ein Kochsmaat und Matrosen.

Einer der leitenden Matrosen („Toppsmatrosen“) heißt Patrick. Mit seinem dichten Bart wirkt er fast wie ein Kapitän, was er auch werden will, er studiert Nautik. Für die Matrosen ist ein seemännischer Beruf oder Berufswunsch allerdings keine Pflicht. Leichtmatrosin Lina (30) zum Beispiel arbeitet als Nachhaltigkeitsmanagerin einer Kommune.

Stammcrew und Trainees arbeiten Hand in Hand

Stammcrew und Trainees fahren das Schiff zusammen. Da gibt etwa der Steuermann dem Rudergänger Norbert Kurs „null-neun-null“ vor. Der dreht das Steuer so, dass sich die Kompassnadel vor ihm auf 90 Grad einpendelt und das Schiff nach Osten fährt. Neben ihm steht Lina zur Beratung. „Bei Norbert läuft das alles“, lobt sie. „Also wenn es hier gleich irgendwelche Manöver gibt, dann würde ich ihn hier auch alleine stehen lassen.“

Norbert aus Nürnberg am Ruder der Alexander von Humboldt II.

Am Ruder: Norbert aus Nürnberg ist einer der Trainees, also der zahlenden Gäste an Bord der „Alexander von Humboldt II“. Das Rudergehen gehört zu den Aufgaben der Trainees, die dabei von der Stammcrew angeleitet werden. Foto: NZ/ Philipp Steiner

Ein typisches Manöver ist eine Halse: Das Schiff geht mit dem Heck durch den Wind. Dabei werden die Rahen mit den Segeln daran in eine neue Stellung gebracht. Segel müssen zuallererst gesetzt werden. Und da sie verschieden sind, werden sie auf verschiedene Weisen gesetzt. So werden die viereckigen Untermars-Segel von ihren Rahen aus nach unten gezogen. Die dreieckigen Stagsegel in Längsrichtung des Schiffes werden zum Setzen hochgezogen. Später werden die Segel wieder geborgen, etwa wenn der Wind zu stark wird oder das Schiff bei Flaute ankert.

Für solche Aktionen erschallen auf der „Alex“ Kommandos im Stil von „Brass rund den Vortopp“ oder „Schot vor die Voruntermars, fier Geitau und Gordinge“. Toppsmatrose Patrick hat sie zusammen mit seinen Co-Matrosen den Trainees vorher erklärt und lässt sie in lautem Singsang ertönen. Das sei traditionell und schone die Stimme, verrät der Mann, der seine Trainees mit lustigen Sprüchen und Süßigkeiten bei Laune hält, wenn sie mal durchschnaufen. „So ein Gummibär ist ein unfassbarer Motivationsfaktor.“

Diverse Herausforderungen warten auf die Trainees

Tatsächlich ist Segeln auf einem Großsegler immer wieder ein Knochenjob. Man kann es manchen am Gesicht ablesen, wenn sie an einer Leine („Tampen“) ziehen, sich gleichsam hineinlegen, um Rahen oder Segel zu bewegen, und der Tampen rührt sich erst mal kaum vom Fleck. Connie wird am Ende sagen: „Hier stellen wir uns mit zehn Leuten an die Tampen und dann wird geschrien ‚hol weg!‘, ‚hol weg!‘, und das macht man vier, fünf Tage lang. Und ich habe jetzt verspannte Schultern und schmerzende Oberarme.“

Hoch ins Rigg zu klettern, um beispielsweise Segel an den Rahen festzumachen, ist eine weitere Herausforderung. Wobei dies für die Trainees freiwillig ist. Sie habe sich vorher vorgestellt, mutig sofort hinaufzugehen, gesteht Connie. „Und gekommen bin ich so die ersten zehn Meter und dann fand ich das recht hoch und bin wieder zurückgeklettert.“

Imgard und Walter auf der Alexander von Humboldt II.

Knochenarbeit: Manchmal kann es sich beim Holen der Tampen, mit denen Segel und Rahen bewegt werden, so anfühlen, als ob sie sich keinen Zentimeter bewegen wollen. Hier legen sich die Trainees Walter und Irmgard ins Zeug. Foto: NZ/ Philipp Steiner

Wild aufs Klettern ist Irmgard, die Ärztin mit Familie an Bord. „Am allerliebsten kletter‘ ich nach ganz oben“, verkündet sie. Später ist zu sehen, wie sie aufentert. In der Höhe balanciert sie an einer Rah auf einem Drahtseil und bindet ein Segel fest- oder los. Gesichert ist sie mit einem Klettergurt.

Auch Ruth klettert gern. Sie genießt auf der „Alex“ noch etwas anderes: Anfänger würden nicht belächelt, sondern eingebunden. „Hier gehen alle davon aus, dass man Bock hat.“ Und jeder bringe eine andere Fähigkeit mit. Man schaue, dass man zusammen etwas hinbekommt. Auch Kai, Ex-Lkw-Fahrer aus Wanne-Eickel, gefällt der Teamgeist. Stets hätten die Leute „alle im wörtlichen Sinne an einem Strick gezogen“.

Ulf (55) war als Student schon auf der ersten „Alexander von Humboldt“ dabei, jetzt will er sehen, wie es sich auf dem Nachfolger segelt. Er hat sich freiwillig für die 0-4-Wache gemeldet. Hintergrund: Jeder Trainee hat zwei Mal täglich vier Stunden Wache, also Dienst: Von 0 bis 4 Uhr und 12 bis 16 Uhr, oder 4 bis 8 Uhr und 16 bis 20 Uhr, oder 8 bis 12 Uhr und 20 Uhr bis Mitternacht. Ulf mag an seiner Schicht nicht nur, wie man die Nacht auf dem Meer erlebt. „Auch einfach nachts Kartoffeln schälen für 70 Mann“ - sei etwas, „was man sonst in seinem normalen Leben seltener macht“.

Von Seekrankheit geplagt

Eines hätten die Betroffenen gern ausgelassen: Seekrankheit. Am Tag vorher war es noch so windstill, dass die „Alex“ im Kattegat den Anker setzte. Wer wollte, sprang zum Schwimmen ins Meer oder ließ sich im Boot zum Landgang nach Dänemark übersetzen. Dann Wetterumschwung, am nächsten Tag herrscht Windstärke sechs bis sieben. Segel werden gesetzt und die „Alex“ tobt sich einen Tag lang aus, wie Conrad es ausdrückt. Das Schiff eilt dahin, stampft, rollt. Bei den Wachwechseln lichten sich die Reihen – seekrank.

„Unbedingt nochmal machen“

Am letzten Abend scheint das vergessen. Beim Captain‘s Dinner läuft die einfache, aber gute Küche zur Hochform auf. Hauptgang: Rinderfilet mit Rosmarinkartoffeln, Blumenkohl und Brokkoli. Dann wird an Deck gefeiert.

Schließlich Rückkehr nach Kiel. Die „Alex“ macht neben der „AIDAnova“ fest. Auf dem Kreuzfahrtschiff sind die Kammern sicher komfortabler und die Gäste können durchschlafen. Aber ist das die Hauptsache? Tom (20) fasst die Reise auf der „Alex“ mit „wunderschön“ zusammen. Und Connie hat trotz schmerzender Glieder angekündigt: „Ich möchte das unbedingt noch mal machen.“

Offen für alle

  • Das Segelschulschiff „Alexander von Humboldt II“ ist ein aus Stahl gebauter Großsegler, eine Bark. Ihre 24 Segel besitzen eine Gesamtfläche von 1.360 Quadratmetern.
  • Die „Alex-2“ oder kurz „Alex“ ist rund 65 Meter lang und 10 Meter breit, ihr Großmast ragt etwa 40 Meter über die Wasseroberfläche. Sie besitzt eine Maschine und moderne Kommunikations- und Navigationsanlagen.
  • Das 2011 getaufte Schiff mit Heimathafen Bremerhaven folgte auf die erste „Alexander von Humboldt“. Auch diese trug Segel im charakteristischen Grün wie die heutige „Alex“ und wurde durch die TV-Werbung für Beck‘s Bier mit dem Song „Sail away…“ bekannt.
  • Betreiber des Segelschulschiffes ist die Deutsche Stiftung Sail Training (DSST) aus Bremerhaven. Dahinter stehen die Sail Training Association Germany, die Brauerei Beck & Co. und der Logistikkonzern BLG. Stiftungszweck: Allen geeigneten und interessierten Personen Gelegenheit geben, unter fachkundiger Leitung Hochseesegeln im Rahmen traditioneller Seemannschaft auf Traditionsschiffen zu betreiben.
  • Neben Fachwissen werden soziale Kompetenzen vermittelt. Hauptzielgruppe sind Jugendliche, grundsätzlich kann jedoch jeder ab 14 Jahren mitsegeln, der sich fit genug fühlt. Ein (ausgebuchter) Elf-Tage-Törn im September 2025 ist zum Beispiel ab 1.690 Euro zu buchen, für Leute bis 25 ab 1.090 Euro.
  • Die Trainees müssen keine seglerischen Vorkenntnisse haben. Betreut und angeleitet werden sie von der Stammcrew. Trainees können in die Stammcrew aufsteigen. Dazu müssen sie in der Regel eine gewisse Fahrzeit aufweisen und eine Prüfung ablegen. (NZ)
Weitere Artikel

Ranger am Wattenmeer: Arbeit mit den Gezeiten

16 Rangerinnen und Ranger kümmern sich um den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Rainer Rehm schätzt seine Arbeit auf der Hamburger Hallig. Und beobachtet dabei nicht nur Vögel.