TSeit 30 Jahren ist Ilse Möhrchen in Buxtehude Diakonin: Wie Bibelunterricht sich verändert

Diakonin Ilse Möhrchen steht vor dem Plakat für Kindergottesdienste in St. Paulus. Die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde sind hier Superhelden. Foto: Thomas Sulzyc
So ein Jubiläum ist selten: Vor 30 Jahren begann Ilse Möhrchen in der Kirchengemeinde St. Paulus in Buxtehude ihren Dienst als Diakonin - und blieb ihr bis heute treu. Generation Z und Gendern: Wie Konfirmandenunterricht dem Zeitgeist unterliegt.
Buxtehude. Ältere zweifeln an der Leistungsbereitschaft der 12- bis 25-Jährigen, Generation Z genannt. Arbeitsscheu und arrogant seien viele von ihnen. Da passt in diesen Tenor so gar nicht, was Diakonin Ilse Möhrchen über die Teenager von heute sagt: „Konfirmandenunterricht ist heute komfortabler als früher.“
Seit 1994 rund 800 Konfirmanden begleitet
Die 56-Jährige weiß, wovon sie spricht. Etwa 800 Konfirmanden hat sie seit 1994 unterrichtet und begleitet. Seit 30 Jahren ist Ilse Möhrchen (verheiratet, drei erwachsene Kinder) als Diakonin an der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde St. Paulus in Buxtehude beschäftigt. Am Ostermontag, 1. April, feiert die Gemeinde beim Gottesdienst um 10 Uhr in der Paulus-Kirche das seltene Dienstjubiläum.

Das Foto entstand 1997 oder 1998: Diakonin Ilse Möhrchen während einer Ferienfreizeit beim Segeln auf dem Ijsselmeer. Foto: Ev.-luth-Kirchengemeinde St. Paulus Buxtehude
Die Finanzierung einer Diakoninnenstelle in Vollzeit ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr. Denn ein dramatischer Mitgliederschwund reißt Löcher in die Kirchenfinanzen. Im Projekt Menschenzkinder der St.-Paulus-Kirche ermöglichen Spender und Spenderinnen eine ganze Diakoninnenstelle, einen gemütlichen Jugendkeller und Ferienfreizeiten für Jugendliche.
Früher verdonnerte die Oma den Enkel zum Unterricht
Wenn Ilse Möhrchen die unterschiedlichen Generationen im Bibelunterricht der vergangenen 30 Jahre vergleicht, erleichtert die christliche Erziehung heute vor allem eins: Fast ausnahmslos Jungen und Mädchen, die sich selbst zur Teilnahme entschlossen haben, besuchen den Konfirmandenunterricht. „95 Prozent nehmen teil, weil sie Interesse daran haben“, sagt die Diakonin. Das mache ihre Aufgabe komfortabler. Früher dagegen hätten Eltern oder die Oma oft die Jungen und Mädchen zur Teilnahme verdonnert - ob sie wollten oder nicht.
Ortswechsel
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Ilse Möhrchen, aufgewachsen in Nienburg, hat an der damaligen Evangelischen Fachhochschule in Hannover Religionspädagogik studiert. Nach einem Anerkennungsjahr in Lüneburg kam sie in die St.-Paulus-Kirchengemeinde - und blieb bis heute. Am 8.Oktober 1994 schrieb das TAGEBLATT über die damals neue Diakonin: Sie wolle dafür sorgen, dass während der Predigt keine Langeweile aufkommt.
In kaum einer anderen Institution in Deutschland spielt Tradition eine bedeutendere Rolle als in den Kirchen. Immerhin berufen sich die christlichen Kirchen auf 2000 Jahre alte Schriften. Die Art und Weise der Religionsvermittlung in den vergangenen 30 Jahren hat sich aber laufend verändert. „Es gibt immer neue Übersetzungen der Bibel“, sagt Ilse Möhrchen.
Gendern mit Sternchen in der Kinderbibel
Zeitgeist beeinflusse die Religionsvermittlung. Die Diakonin zeigt eine Kinderbibel in sogenannter geschlechtergerechter Sprache. Mit Hilfe von Sternchen soll darin die Gleichbehandlung aller Geschlechter und Identitäten zum Ausdruck gebracht werden.
Manchen Eltern gefällt das nicht. Bei Kindern, sagen sie, könne man doch nicht gendern. Die Diakonin dagegen begrüßt eine gendergerechte Sprache. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass sich heute manche Kinder bereits ab dem elften Lebensjahr Fragen nach ihrer Sexualität und Identität stellen. Auch das hat sich in den 30 Jahren verändert.

Ilse Möhrchen segnet 2022 in der St.-Paulus-Kirche ein Paar aus einem Wohnheim der Lebenshilfe Buxtehude. Foto: Nils Klensang
Zu den Aufgaben der Diakonin zählt die Betreuung bei Jugendfreizeiten. Die benachbarte evangelisch-lutherische St.-Petri-Gemeinde in Buxtehude erschüttern derzeit Vorwürfe um harte Erziehungsmethoden auf Jugendfreizeiten in den Jahren 2006 bis 2009, die manche Betroffene als Missbrauch empfinden und öffentlich gemacht haben.
Die Frage nach den Risikofaktoren, die Missbrauch in der evangelischen Kirche ermöglichen, beschäftigt Ilse Möhrchen. „Wir können nur versuchen, den Einstieg für Täter so schwierig wie möglich zu machen“, sagt sie. Kirche müsse mit allerhöchster Sensibilität und Transparenz reagieren und dürfe nichts vertuschen. Mit Vorwürfen zur Jugendarbeit in St. Paulus ist Ilse Möhrchen in den vergangenen 30 Jahren nie konfrontiert worden.
In den 30 Jahren Dienst in der St.-Paulus-Kirchengemeinde hat sich Ilse Möhrchen ein hohes Ansehen erworben. Die Buxtehuder Stadtverwaltung arbeitet mit der Diakonin zusammen. Ihre Aufgabe: in der Stadtteilarbeit im Buxtehuder Süden die Einwohner und Einwohnerinnen zu vernetzen. Warum Ilse Möhrchen dafür genau die Richtige ist, erklärt Pastorin Michaela Jannasch: „Sie besitzt die Fähigkeit, Menschen zusammenzubringen.“