TSeminarturnhalle Stade: Peter Kühn muss gehen

Peter Kühn bespielte jahrelang das Parkett in der Seminarturnhalle. Jetzt muss der Verein lernen, ohne ihn auszukommen. Foto: Strüning
Die Stader Kulturszene beendet das Jahr 2024 mit einem Knall: Der Förderverein Seminarturnhalle trennt sich von seinem langjährigen Geschäftsführer und künstlerischen Leiter Peter Kühn.
Stade. Am Silvesterabend ist die Hütte voll. Das Team der Seminarturnhalle feiert mit seinen Gästen ins neue Jahr hinein. Und 2025 bedeutet für das Kulturhaus auch eine Zäsur.
„Die Seminarturnhalle Stade stellt sich neu auf“, ist eine aktuelle Pressemitteilung überschrieben, die auf TAGEBLATT-Nachfrage zustande kam. Die Spatzen hatten die spannende Nachricht in Stade bereits von den Dächern gepfiffen. Der Förderverein hat den zum Jahresende auslaufenden Vertrag mit Peter Kühn nicht verlängert.
Kühn ist die personifizierte Seminarturnhalle
Kühn gilt als die personifizierte Seminarturnhalle. Er war von Anfang an mit dabei, entwickelte die Idee mit, aus dem brachliegenden Gebäude ein Kulturhaus zu machen, packte bei der Sanierung mit an, war seit dem ersten Tag, dem 3. Oktober 2010, die prägende Figur.
Kühn, selbst Theaterregisseur, stellte als künstlerischer Leiter das Programm zusammen und kümmerte sich um die Geschäfte oder auch um die Technik. Die Finanzsituation der Seminarturnhalle war schon immer eine heikle Geschichte - nach Corona erst recht.
Das Polster ist extrem dünn, offenbar stimmten die Zahlen jetzt nicht mehr. Im Spätsommer kam das Gerücht auf, der Verein sei pleite. „Die zweimonatige Sommerpause tat uns weh“, sagt Töns Dittmer, der seit Angang dieses Jahres der Vorsitzende des Fördervereins ist und für einen Neuanfang steht.
Die Kasse ist leer - der Vorstand musste handeln
Die Fixkosten liefen auch im Sommer weiter, die Kasse war leer. Der Vorstand sah sich zum Handeln gezwungen. Zu den Fixkosten gehören nicht nur hohe Energierechnungen für das alte Haus, sondern auch das Gehalt für den Geschäftsführer. Das will der Verein jetzt sparen.
Die Entscheidung, die keinem leicht gefallen sei, so steht es in der Pressemitteilung, trägt der Vorstand einstimmig mit. Es soll in dem vierköpfigen Gremium eine Enthaltung gegeben haben. So wird von einem „schwierigen Prozess“ berichtet und offiziell „mit Bedauern“ mitgeteilt, dass die Zusammenarbeit mit Peter Kühn nicht fortgesetzt wird.
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Kühn habe von Anfang an einen entscheidenden Beitrag zur kulturellen Vielfalt und zur Bereicherung des Kulturlebens in Stade geleistet. „Unser Dank gilt ihm, der mit seinem Engagement und seiner Kreativität eine Seminarturnhalle Stade und mit ihr viele Veranstaltungen und Projekte erst ermöglicht hat“, so das Schreiben des Vorstands.
Peter Kühn ist nach der Entscheidung enttäuscht
Kühn war das Gesicht der Seminarturnhalle, er hat viel Herzblut in das Projekt gesteckt. Nach der Trennung gibt er sich zurückhaltend. Kühn, durchaus mit einem starken Ego versehen, sagte am Montag: „Da gibt es schon eine Form der Enttäuschung.“ Okay sei für ihn die Entscheidung nicht. Er habe jetzt aber einen Haken gesetzt hinter die Angelegenheit.

Peter Kühn auf dem Dachboden der Seminarturnhalle. Foto: Strüning
Die Seminarturnhalle ist nicht die einzige ehrenamtlich geführte Kulturinstitution, die in Turbulenzen gerät. Immer wieder zu kämpfen hat auch das Kulturforum am Buxtehuder Hafen oder auch der Kornspeicher in Freiburg. Ohne diese Einrichtungen wäre das Leben in der Region deutlich ärmer.
Im kommenden Jahr will das Seminarturnhallenteam mit einem angepassten Konzept starten: Auch mit der Unterstützung der Hansestadt Stade soll das Angebot erweitert werden, um ein breiteres Publikum für die Seminarturnhalle zu gewinnen. Erste Abstimmungsgespräche mit Bürgermeister, städtischer Kultur und der Stade Marketing hätten stattgefunden, ein Strategiekonzept sei in Arbeit.
Peter Kühn hinterlässt eine große Lücke im Kulturhaus
Die vielfältigen Aufgaben sollen auf das bewährte Team von langjährigen Ehrenamtlichen rund um den Vorstand verteilt werden, um die laufenden Kosten der Seminarturnhalle zu senken. Der Vorstand arbeite intensiv daran, die finanziellen Herausforderungen, die ihn seit der Pandemie begleiten, zu bewältigen. Töns Dittmer: „Wir wollen jetzt nach vorn blicken.“ Viele Helfer stünden bereit, um die Lücke zu schließen, die die Trennung von Kühn hinterlässt. „Ich bin da ganz optimistisch“, sagt Dittmer.
Die bereits gebuchten Privatanmietungen sollen wie geplant stattfinden. „Neue Anfragen sind herzlich willkommen“, da sie eine wichtige Einnahmequelle darstellten, um die Seminarturnhalle als kulturellen Treffpunkt weiterhin zu erhalten und zu gestalten.
Neben den bereits vereinbarten Kulturveranstaltungen seien für das Jahr 2025 beliebte Formate wie die „Nacht des unnützen Wissens - Kneipenquiz“ „filmclub@seminarturnhalle“ „Hanse Song Festival“ und „Stade tanzt in den Mai“ fester Bestandteil des Programms. Zudem soll es frischer werden.
Erste Pläne: Mehr Tanzabende und auch Sport
Erste Bands für eine neue Konzertreihe sind gebucht, Disco-Abende mit lokalen DJs gehen an den Start und ein neues Veranstaltungsformat, das die Seminarturnhalle als Sportarena erlebbar macht, sei in der Entwicklung.
Das Kulturhaus will sich breiter aufstellen. „Trotz der aktuellen Herausforderungen sind wir zuversichtlich, eine Perspektive für die Zukunft zu entwickeln und das kulturelle Angebot in der Hansestadt Stade zu sichern und auszubauen“, so Töns Dittmer und sein Vorstand.
Der Verein als Betreiber der Seminarturnhalle bekommt keine öffentlichen Zuschüsse. Er zahlt jährlich den symbolischen Preis von einem Euro an die Stadt, der Immobilienbesitzerin. Dafür hat er aber auch per Darlehen 300.000 Euro in die Sanierung der maroden Turnhalle in der Seminarstraße gesteckt - und fortlaufend viele ehrenamtliche Arbeitsstunden.
In der Seminarturnhalle wurde ab 1863 geturnt
Die Seminarturnhalle war am 30. August 1863 in Betrieb genommen worden. Bauherr war der Männerturnverein von 1850, der 4846 Reichsmark dafür bezahlte und schnell 100 Mitglieder zählte, darunter sogar eine Frauenriege. Generationen von Schülern übten sich hier im Winter an Reck und Stangen.
1921 kaufte die Stadt das Gebäude für 50.000 Mark, das weiterhin zum Sporttreiben und von diversen Stader Vereinen genutzt wurde. Dann lag es brach, und der Förderverein Seminarturnhalle Stade kam ins Spiel. Die Stadt stellt dem Verein quasi kostenfrei das Gebäude zur Verfügung. Er hat das Haus renoviert, hält es in Schuss und bespielt es seit Herbst 2010 - bis heute.