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Prozess

TSexueller Missbrauch: 75-Jähriger steht erneut in Stade vor Gericht

Blick in einen Saal des Landgerichts Stade (Symbolbild).

Ein 75-Jähriger aus Gnarrenburg steht (Symbolbild). Foto: cnv

Ein 75-jähriger aus Gnarrenburg wurde wegen mehrfachen sexuellen Missbauchs eines Kindes zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Dagegen legte der Mann Revision ein.

Von Birgit Pape Samstag, 27.09.2025, 07:50 Uhr

Stade. Nachdem der Mann gegen das Urteil Revision eingelegt hatte, startete in der vergangenen Woche ein erneuter Prozess im Landgericht Stade. Dieses Mal beschäftigt sich die vierte Strafkammer mit dem Fall.

Dem 75-Jährigen wird schwerer sexueller Missbrauch in zwei Fällen und sexueller Missbrauch in drei Fällen vorgeworfen. Die Taten fanden zwischen April 2020 und November 2021 statt. Täter und Opfer waren Nachbarn.

Das Opfer, ein Mädchen, war damals acht beziehungsweise neun Jahre alt. Seit August 2024 befindet sich der 75-Jährige in der JVA Bremervörde.

75-Jähriger leidet unter Herzrasen und Atemnot

Am Mittwoch legten die beiden Verteidiger des Angeklagten zunächst Befunde von Ärzten vor. Darin ging es um Herzerkrankungen des Angeklagten. Die Arztberichte stammten aus den Monaten Juli und November 2024. Zwischen Juli und November verschlechterte sich der Gesundheitszustand des damals 74-Jährigen.

Nach drei Monaten im Gefängnis klagte er über Herzrasen und Atemnot. Auch ein Vorhofflimmern wurde diagnostiziert. Sein Allgemeinzustand sei gut, hieß es in allen Berichten. Das nahmen die Vorsitzende Richterin Reinecker, Richter Oesterling, die beiden Schöffen und Staatsanwältin Meyer zur Kenntnis.

Mutter des Opfers sagt über Gesundheitszustand der Tochter aus

Anschließend wollte sich auch die Mutter des inzwischen 13-jährigen Opfers zum Gesundheitszustand ihres Kindes äußern. Daraufhin erklärte Rainer Mertins, der Verteidiger des Angeklagten, dass er eine verzerrte Wahrnehmung des Gerichtes nach einer Aussage der Mutter befürchte.

Immerhin sei im ersten Urteil festgestellt worden, dass eine Kausalität zwischen der Tat und der vom Mädchen geäußerten Bauchschmerzen nicht sicher feststellbar sei. Die Richter zogen sich daraufhin zur Beratung zurück und erklärten dann, dass die Mutter im Rahmen der Schlussworte zu Wort kommen werde.

Schuldspruch hat für Staatsanwältin Bestand

Nachdem der Angeklagte sich weiter nicht zu den Vorwürfen äußern wollte, erklärte Staatsanwältin Meyer in ihrem Plädoyer, dass ihrer Meinung nach der Schuldspruch des vergangenen Jahres Bestand habe. Schwerer sexueller Missbrauch sehe gesetzlich ein Strafmaß zwischen zwei und zehn Jahren Freiheitsstrafe vor.

Besonders der Umstand, dass die Tat im Rahmen eines absoluten Vertrauensverhältnisses stattgefunden habe, sei ausschlaggebend für die Strafbemessung gewesen. Das Kind habe seine Nachbarn als Oma und Opa bezeichnet. Der schwere sexuelle Missbrauch sei insgesamt mit vier Jahren Freiheitsstrafe bewertet worden.

Die drei weiteren Taten, die als sexueller Missbrauch gewertet wurden, führten zu weiteren zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe, sodass der damals 74-Jährige zu insgesamt sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Mutter berichtet von Selbstverletzungen ihrer Tochter

Anschließend äußerte sich die Mutter des Opfers in ihrem Schlusswort zum Gesundheitszustand ihres Kindes. Ihre Tochter sei inzwischen 13 Jahre alt und realisiere inzwischen, was damals geschehen sei.

Die 13-Jährige leide sehr stark unter den Folgen der Tat und könne sich erst jetzt dazu konkreter äußern. Sie sei seit längerer Zeit in psychologischer Behandlung und verletze sich derzeit selbst.

„Ich habe drei Aktenordner voller Unterlagen darüber zu Hause“, sagte sie. Derzeit gehe es ihrer Tochter so schlecht, dass eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik im Raum stehe. Die Mutter war am Mittwoch ohne ihre Anwältin vor Gericht erschienen.

Anwalt: Mandant lange ein unbescholtener Bürger

Rechtsanwalt Mertins und sein Kollege Rechtsanwalt Schlüter hielten anschließend ein umfangreiches Plädoyer. Sie betonten noch einmal, dass ihr Mandant nicht vorbestraft sei und bis ins hohe Alter ein unbescholtener Bürger gewesen sei. Ihrem Mandanten gehe es im Gefängnis zunehmend schlechter, was die Arztberichte belegen würden.

Der Angeklagte erlebe die Haft als kleiner und dünner Mann als sehr bedrohlich. Das Argument der Staatsanwältin, dass die Tat während eines engen Vertrauensverhältnisses geschah, wiegelte Rainer Mertins ab. „Solche Taten geschehen meistens in vertrauensvollen Verhältnissen“, betonte er.

Taten sind laut Verteidigung für das Kind folgenlos geblieben

Auch dann würden Täter nicht gleich statt zu zwei Jahren zu vier Jahren Haft verurteilt. Die Taten seien für das Kind folgenlos geblieben. So interpretiere er die Aussagen dazu im Urteil des vergangenen Jahres. Es gäbe keine klar zuzuordnenden Tatfolgen beim Opfer.

Die Aussage der Mutter am Mittwoch könne nicht in die erneute Urteilsfindung einbezogen werden, weil sie nicht im Rahmen der Beweisaufnahme stattfand. Der Bundesgerichtshof habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die positiven Aspekte des Angeklagten genauer beurteilt werden sollten.

Bewährungsstrafe für Gnarrenburger?

„Das sollte das Gericht nun tun“, forderten die Verteidiger. Schlussendlich erklärten sie, dass die Taten als minderschwere Fälle eingeordnet werden könnten und sogar eine Bewährungsstrafe infrage kommen würde.

Am Donnerstag, 2. Oktober, verkündet das Stader Landgericht das Urteil. (zz)

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