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Geschichte

TSie sind jeden Tag im Einsatz: Die Arbeit der Seenotretter

Pferde brachten die Ruderrettungsboote auf speziellen Ablaufwagen zum Strand.

Pferde brachten die Ruderrettungsboote auf speziellen Ablaufwagen zum Strand. Foto: DGzRS

Wenn draußen der Sturm tobt und Menschen Schutz suchen, sind sie die Ersten, die auslaufen: die Seenotretter der DGzRS. Das sind die besonderen Geschichten der Stationen Cuxhaven und Helgoland.

Von Tamina Francke Montag, 26.05.2025, 12:55 Uhr

Cuxhaven. Während draußen Sturm über die Nordsee peitscht, Wellen sich haushoch auftürmen und andere Schiffe Schutz im Hafen suchen, laufen sie erst recht aus - die Seenotretter. Mutig und bereit, alles zu geben. In diesem Jahr feiert die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) ihr 160-jähriges Bestehen. Ein Jubiläum, das nicht nur ein Stück deutscher Seefahrtsgeschichte würdigt, sondern auch den unermüdlichen Einsatz der Männer und Frauen auf den Stationen in Cuxhaven und auf Helgoland ins Rampenlicht rückt.

Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) wurde am 29. Mai 1865 gegründet - aus purer Notwendigkeit. Seenot galt damals vielerorts noch als unausweichliches Schicksal. Vor allem vor den deutschen Nordseeinseln verunglückten jährlich über 50 Schiffe. Eine organisierte Rettung? Fehlanzeige. Statt zu helfen, plünderte man oft gestrandete Schiffe - das sogenannte Strandrecht war noch gängige Praxis.

Grundstein am 29. Mai 1865 gelegt

Doch einige Männer wollten das nicht länger hinnehmen. Einer von ihnen war der Navigationslehrer Adolph Bermpohl aus Vegesack. Gemeinsam mit dem Advokaten Carl Kuhlmay rief er 1860 erstmals öffentlich zur Gründung eines Seenotrettungswerks auf - unabhängig vom Staat und ausschließlich durch Spenden finanziert. Eine mutige Idee, ihrer Zeit voraus.

Die Seenotretter von Cuxhaven mit ihrer "Anneliese Kramer" - unterwegs, wenn andere Schutz suchen.

Die Seenotretter von Cuxhaven mit ihrer "Anneliese Kramer" - unterwegs, wenn andere Schutz suchen. Foto: DGzRS

Bermpohl fand Mitstreiter: Der Bremer Redakteur Dr. Arwed Emminghaus verschaffte dem Anliegen Gehör, der Emder Oberzollinspektor Georg Breusing setzte es in die Tat um. 1861 gründete sich unter seiner Leitung in Emden der erste regionale Verein zur Rettung Schiffbrüchiger - ein Vorbild, dem weitere Gründungen folgten. 1862 entstand der Hamburgische Verein zur Rettung Schiffbrüchiger, der noch im selben Jahr die Station Cuxhaven ins Leben rief.

Am 29. Mai 1865 schlossen sich die einzelnen regionalen Initiativen in Kiel zur Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger zusammen - und legten damit den Grundstein für ein unabhängiges, spendenfinanziertes Seenotrettungswerk, das bis heute Bestand hat.

Cuxhaven: Eine Station mit langem Atem

Seit über 160 Jahren ist Cuxhaven festes Glied der Rettungskette auf See. Heute liegt hier der Seenotrettungskreuzer Anneliese Kramer mit Tochterboot Mathias in ständiger Bereitschaft. Rund 70 bis 80 Mal im Jahr rücken die Seenotretter der Station aus - ob es um havarierte Segler, vermisste Fischer oder medizinische Notfälle an Bord von Schiffen geht.

Dabei helfen sie jährlich rund 120 bis 150 Menschen - oft unter Bedingungen, bei denen andere längst nicht mehr auslaufen würden. Neun fest angestellte sowie etwa zehn freiwillige Seenotretter bilden das Team.

Helgoland: Einsatz mitten in der Deutschen Bucht

Die Station Deutsche Bucht/Helgoland blickt ebenfalls auf eine außergewöhnliche Geschichte zurück. Als die Insel 1890 deutsch wurde, stellte man zunächst ein provisorisches Rettungsboot bereit. Bereits zwei Jahre später stationierte die DGzRS ein speziell für die Bedingungen auf Helgoland konzipiertes Rettungsschiff. Heute ist es die Hermann Marwede, eine der modernsten und größten Rettungseinheiten der Flotte, die dort gemeinsam mit Tochterboot Verena für Sicherheit sorgt.

In den ersten Jahrzehnten nach Gründung der DGzRS vor 160 Jahren waren die Seenotretter in offenen Ruderrettungsbooten im Einsatz.

In den ersten Jahrzehnten nach Gründung der DGzRS vor 160 Jahren waren die Seenotretter in offenen Ruderrettungsbooten im Einsatz. Foto: Gemälde von Claus Bergen

Jährlich fährt das Team von Helgoland etwa 30 bis 40 Einsätze und rettet rund 40 bis 60 Menschen. Auch hier stehen rund 15 fest angestellte und ebenso viele freiwillige Retter bereit - 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr.

Tragische Schicksale von Rettern im Dienst

Beide Stationen sind immer wieder Teil bedeutender Einsätze. Noch in Erinnerung ist die dramatische Kollision der beiden Frachter Verity und Polesie im Oktober 2023 in der Deutschen Bucht. Über 18 Stunden lang suchten die Seenotretter in schwierigsten Bedingungen nach Überlebenden. Die Hermann Marwede übernahm dabei die Koordination sämtlicher Einheiten vor Ort - insgesamt waren acht DGzRS-Kreuzer und 17 weitere Schiffe im Einsatz. Auch die Anneliese Kramer war beteiligt.

Nicht weniger tragisch: der Untergang des seinerzeit auf Helgoland stationierten Seenotrettungskreuzers Adolph Bermpohl im Jahr 1967. Im Orkaneinsatz mit geretteten niederländischen Fischern an Bord sank der Kreuzer - die gesamte vierköpfige Besatzung kam ums Leben. Es war eines der schwersten Unglücke in der Geschichte der DGzRS.

Seit der Gründung vor 160 Jahren sind insgesamt 45 Seenotretter im Dienst ums Leben gekommen.

Keine staatlichen Gelder für die Seenotrettung

Was viele überrascht: Die DGzRS arbeitet völlig unabhängig und wird ausschließlich durch Spenden finanziert - keine staatlichen Zuschüsse, kein öffentliches Geld. Symbol für diese Unabhängigkeit ist das Sammelschiffchen: Deutschlands wohl bekannteste Spendendose gibt es seit 150 Jahren. Heute stehen rund 13.000 dieser kleinen Modelle in Läden, Arztpraxen, Rathäusern und Apotheken - von der Küste bis zu den Alpen.

Dank dieser Unterstützung sind rund 1000 Seenotretter auf 54 Stationen zwischen Borkum und Ueckermünde einsatzbereit. Etwa 800 von ihnen arbeiten freiwillig. Unterstützt werden sie vom Maritime Rescue Coordination Centre (MRCC) Bremen, das als Rettungsleitstelle See alle Einsätze koordiniert und auch den internationalen Seefunkverkehr überwacht.

Die Seenotretter der DGzRS stehen für Mut, Menschlichkeit und maritime Tradition. Cuxhaven und Helgoland sind dafür herausragende Beispiele. Seit 160 Jahren helfen sie dort, wo andere Schutz suchen - bei jedem Wetter, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Mehr als 87.000 gerettete Menschenleben sind der eindrucksvolle Beleg für ihre Bedeutung.

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