TSo hilft Firma Sitte alkoholkranken Mitarbeitern

Geschäftsführer Bernd Sitte zeigt eine Notschalttafel aus dem Unternehmen, die demnächst in einem Kreuzfahrtschiff verbaut wird. Foto: Iven
Erschreckende Zahlen: 15 Prozent aller Deutschen trinken zu viel. Dennoch ist Alkoholismus ein Tabuthema - vor allem am Arbeitsplatz. Das Unternehmen Sitte Elektrotechnik hilft betroffenen Kollegen.
Landkreis Cuxhaven. Rund 1,5 Millionen Deutsche gelten als alkoholabhängig, zwei Drittel davon Männer. Knapp 15 Prozent aller Deutschen haben Experten zufolge einen riskanten Umgang mit Alkohol und trinken zu viel. Der volkswirtschaftliche Schaden geht in die Milliarden, vom menschlichen Leid ganz zu schweigen.
Elektrotechnik-Unternehmen mit einem eigenen Suchtberater
Doch auch Unternehmer Bernd Sitte aus Bramstedt war zunächst skeptisch, als ein trockener Alkoholiker aus seiner Belegschaft vor fünf Jahren anbot, als Suchtkrankenhelfer anderen betroffenen Kollegen zu helfen. Zumal Sitte sich nicht vorstellen konnte, dass Alkoholiker ausgerechnet am Arbeitsplatz über das Tabuthema sprechen möchten.
„Aber da es nichts kosten sollte, hatte ich nichts dagegen“, sagt er. Fünf Jahre später läuft das Programm richtig erfolgreich und das Unternehmen Sitte Elektrotechnik wurde unter anderem auch für dieses Engagement für den Großen Preis des Mittelstandes nominiert.
Was macht das Unternehmen Sitte Elektrotechnik aus Bramstedt?
Sitte Elektrotechnik – das sind 1000 Mitarbeiter an 30 Standorten in der nördlichen Hälfte Deutschlands von der gesamten Küste bis nach Chemnitz. Gegründet wurde das Unternehmen 1971 vom Vater Herbert Sitte, der immer noch regelmäßig im Haus ist.
Das Unternehmen liefert vor allem das Know-how für Wartung und Installation, aber auch die Produktion von großen Schaltanlagen – in Kreuzfahrtschiffen, Offshore-Windkraftanlagen oder Kraftwerken. „Wir sind in fast allen deutschen Werften tätig“, sagt Sitte, auch auf der Meyer-Werft. So verlegen die Mitarbeiter Kabel in Kreuzfahrtschiffen und Luxusjachten und schließen die Schaltanlagen an.
Am Hauptsitz in Bramstedt mit rund 60 Mitarbeitern werden die Schaltanlagen zusammengebaut. Dabei handelt es sich quasi um riesige Sicherungskästen, die etwa auch den Strom der Hamburger U- und S-Bahnen regeln. Auch die Schaltanlagen im Klimahaus in Bremerhaven wurden von dem Unternehmen installiert.
Alkoholismus als Problem der gesamten Gesellschaft
Unternehmer Bernd Sitte geht davon aus, dass etwa fünf Prozent der Bevölkerung alkoholkrank sind. Bei 1000 Mitarbeitern wären das anteilmäßig schon mehrere Dutzend. Zumal bei Sitte vor allem Männer arbeiten, Handwerker, die auch viel auf Montage arbeiten und länger weg von zu Hause und Familie sind.
Und das Angebot von Suchtkrankenhelfer Egon Tinnemeyer wird gut angenommen. „Mittlerweile wurde meine Hilfe von 96 Mitarbeitern in Anspruch genommen. Aber nicht alle sind süchtig“, sagt Tinnemeyer. Manche Kollegen sprächen über andere Probleme mit ihm, zum Beispiel über Depressionen. Er kann an Beratungsstellen vermitteln.
„Er kann sehr gut mit den Betroffenen reden und macht ihnen sehr deutlich, dass sie selbst etwas für sich tun müssen“, sagt Bernd Sitte. Vielfach konnte geholfen werden. Nur in ganz wenigen Fällen habe eine Kündigung ausgesprochen werden müssen.
Mit der Arbeit eines eigenen Suchtkrankenhelfers im Betrieb möchte Sitte auch ein klares Zeichen an die Mitarbeiter senden. „Unsere Kollegen sind uns nicht egal. Auch ihre Gesundheit ist uns wichtig“, sagt er.
Alkoholismus ist ein Tabuthema. Unternehmer könnten befürchten, dass der Eindruck entsteht, bei ihnen arbeiteten nur Säufer, weil sie das Problem angehen. Doch Betriebe könnten es sich nicht mehr leisten, gute Fachkräfte an die Krankheit zu verlieren.
So sucht das Unternehmen wie viele andere auch händeringend Elektriker und Auszubildende und möchte dabei mit interessanten Aufgaben locken, etwa auf Offshore-Windkraftanlagen. „Wir müssen schon Aufträge ablehnen, weil wir nicht genügend Personal haben“, sagt Sitte. Sogar die Niederlassung in Weimar musste wegen Personalmangels geschlossen werden. Die Gesundheit der Mitarbeiter ist daher von großer Bedeutung.
Überraschende Nominierung vom Landkreis Cuxhaven
Vom Landkreis wurde die Firma Sitte nun unter anderem für die Arbeit des Suchtkrankenhelfers für den Großen Preis des Mittelstandes nominiert. „Das war eine völlige Überraschung, hat uns aber natürlich sehr gefreut“, sagt Bernd Sitte, auch wenn er für die Anmeldung zum Wettbewerb erst mal einen Fragebogen mit 17 Seiten ausfüllen musste. Damit ist Sitte eines von 5000 Unternehmen, das für den Wirtschaftspreis nominiert wurde. Der Preis wird im September in Düsseldorf verliehen.
Spende über 10.000 Euro an den TSV Lunestedt
Weiterer Pluspunkt in der Nominierung: Jedes Jahr zu Weihnachten spendet der Betrieb 10.000 Euro an einen Verein, der von den Mitarbeitern an allen Standorten vorgeschlagen wird. Zuletzt ging die Spende an den TSV Lunestedt für eine neue LED-Beleuchtung in der Turnhalle.
Beratungsstelle VBS Alkohol, Medikamente, Drogen, Grodener Chaussee 21, Cuxhaven, Tel.: 04721 37067, info@vbs-cuxhaven.de. Suchtkrankenhelfer Egon Tinnemeyer: suchthilfe@sitte.de