TSo wappnet sich Kirche gegen sexuelle Übergriffe

Die Kirchenkreissynode Stade tagte auf der Elbinsel Krautsand. Foto: Susanne Helfferich
Es ist ein großes Projekt - und ein überaus wichtiges. Die Kirchenkreise Stade und Buxtehude haben ein Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt auf den Weg gebracht. Darum geht es konkret.
Krautsand. Die Sitzung auf Krautsand war die letzte der sechsjährigen Wahlperiode, denn am 23. Januar wird eine neue Synode gewählt. „Da mussten wir noch wichtige Themen zu Ende bringen“, sagt Stades Superintendent Dr. Marc Wischnowsky.
Dazu gehörte das Konzept zum Schutz vor sexualisierter Gewalt und Kindeswohlgefährdung, an dem die beiden Kirchenkreise Stade und Buxtehude in den vergangenen zwei Jahren gearbeitet haben. Jetzt liegt es vor: Beide Synoden - Stade unter der Leitung von Wischnowsky und Buxtehude unter Superintendent Dr. Martin Krarup - stimmten dem Konzept zu.

Stades Superintendent Dr. Marc Wischnowsky (rechts) und Pastor Uwe Junge, Vorsitzender der Kirchenkreissynode Stade. Foto: Susanne Helfferich
Die Landeskirche Hannover hatte die Kirchenkreise aufgefordert, eigene Schutzkonzepte zu erstellen. Denn trotz Prävention hatte es in der Vergangenheit in der Landeskirche sexualisierte Gewalt gegeben. Landesbischof Ralf Meister hat dieses Versagen im Juni 2020 benannt und die Betroffenen um Entschuldigung für die Verletzungen und die damit verbundenen Folgen gebeten, die ihnen die Institution Kirche zugefügt hat.
Verbindliche Grundsätze für Prävention und Hilfe
Ziel der Landeskirche ist es, einen wirksamen Schutz vor sexualisierter Gewalt zu unterstützen. Hierfür sollen die einzelnen Kirchenkreise verbindliche Grundsätze für Prävention, Intervention, Hilfe und Aufarbeitung in Fällen sexualisierter Gewalt formulieren und in einem entsprechenden Schutzkonzept festlegen. „Das Grundmuster wurde von der Landeskirche vorgeschlagen und in unserem Konzept auf die Bedürfnisse vor Ort angepasst“, erklärt Uwe Junge, Vorsitzender der Kirchenkreissynode Stade.
Das Konzept dient nicht nur dem Schutz vor sexualisierter Gewalt, sondern auch vor Kindeswohlgefährdung. Zum einen gebe es eine große Schnittmenge zwischen beiden Bereichen, zum anderen verlange die Aufarbeitung beider Bereiche ähnliche Strukturen, heißt es im 15-seitigen Papier.
Wichtig sei, den Mitarbeitenden eine Orientierung und Handlungssicherheit zu geben. So werden klare Beschwerde- und Beratungswege festgelegt. „Dadurch werden Unsicherheiten genommen“, sagt Pastor Junge.
Pastoren und Ehrenamtliche werden geschult
Eine Steuerungsgruppe, die von einer entsprechend qualifizierten Fachkraft geleitet wird, soll Risiken in der eigenen Gemeinde analysieren. So werde überprüft, wie innerhalb der verschiedenen Beziehungsgeflechte gearbeitet wird, erklärt Wischnowsky. Ob es Abhängigkeiten gibt oder eine Opferrolle.
In welcher Situation treffen Menschen aufeinander? Und ob es Orte gibt, die zu Unwohlsein führen; etwa der dunkle Parkplatz beim Gemeindehaus. Dabei sollten möglichst viele Perspektiven einfließen. Machtstrukturen müssten selbstkritisch analysiert und Situationen, die Gewalt und grenzüberschreitendes Verhalten begünstigen, verhindert werden, heißt es im Schutzkonzept.
Leitungspersonen, Kirchenvorsteher, Pastoren, aber auch ehrenamtliche Gruppenleiter sind verpflichtet, an einer Grundschulung zur Prävention gegenüber sexualisierter Gewalt teilzunehmen.
Kindeswohlgefährdung und sexualisierte Gewalt sind auch Teil der Jugendleiterausbildung. Hauptamtliche und mit Kindern oder Jugendlichen arbeitende Ehrenamtliche müssen alle drei Jahre an entsprechenden Fortbildungen teilnehmen und ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen.
Superintendent setzt auf Sensibilisierung
Kommt es zu einem Fall sexualisierter Gewalt oder Kinderwohlgefährdung, wird das Interventionsteam des jeweiligen Kirchenkreises eingesetzt, bestehend aus dem Superintendenten, den Stellvertretern und dem Kirchkreisjugendwart. Sie betrachten und analysieren den Vorfall nach einem festgelegten Muster. „Wenn etwas aufploppt, gibt es eine klare Kette, was zu geschehen hat, wer was wem mitteilen muss. Das nimmt bisher vorhandene Unsicherheiten“, sagt Uwe Junge.
Wischnowsky setzt auf steigende Sensibilisierung: „Wir müssen lernen, anders auf den Umgang miteinander zu schauen.“ Allein dadurch, dass die Grundsätze für den Umgang miteinander schriftlich festgehalten sind, seien sie noch nicht umgesetzt.
„Missbrauch kann überall passieren, auch wenn wir glauben, uns untereinander zu kennen“, so der Superintendent. Über viele Generationen habe es die Tendenz gegeben, die eigene Institution zu schützen und nicht die Betroffenen. „Das war falsch!“, sagt Marc Wischnowsky.