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Kirchen-Casting

TStade sucht den neuen Superkantor: Wie ein Musiker die Jury überzeugt

Thorsten Ahlrichs hat sich beim Casting durchgesetzt und wird im nächsten Jahr neuer Kreiskantor.

Thorsten Ahlrichs hat sich beim Casting durchgesetzt und wird im nächsten Jahr neuer Kreiskantor. Foto: Lukas Klose

Es hat etwas von einem Casting wie bei „Deutschland sucht den Superstar“. Nur eben ohne die nervigen Sprüche von Juroren wie Dieter Bohlen. Der Kirchenkreis Stade suchte einen neuen Kreiskantor und hat ihn gefunden - auf eine ganz spezielle Weise.

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Von Daniel Berlin
Sonntag, 12.11.2023, 13:50 Uhr

Stade. In der ersten Kirchenbank von St. Cosmae macht sich eine Frau Notizen auf ihrem Tablet. Die Frau schließt die Augen, um die Musik zu spüren, in die Töne einzutauchen, die Akustik zu genießen. Nachdem die Huß-/Schnitger-Orgel verstummt ist, steht der Superintendent des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Stade, Dr. Marc Wischnowsky, auf und eröffnet den Applaus.

Das Publikum applaudiert Thorsten Ahlrichs. Der 45-Jährige bewarb sich als Kreiskantor. Er will am 1. März 2024 Martin Böcker ablösen. Als einer von 18 Bewerbern warf Ahlrichs im Sommer seinen Hut in den Ring. Dass Stade einen Kreiskantor sucht, stand damals im Fachorgan für Kirchenmusik in Deutschland. Neun Bewerber lud der Kirchenkreis zum Gespräch ein, sieben kamen in die nächste Runde, drei wählte eine Kommission für den praktischen Test aus. Ahlrichs schaffte es bis ins Finale. Oder, um in der Sprache der populären Casting-Formate zu bleiben, in die Liveshow.

Spannendes Casting - keinerlei Interaktion mit Publikum

Groß gewachsen, kantiges Gesicht, exakt gestutzter Bart, am Kinn und an den Wangen grau meliert, Linksscheitel, filigrane Brille vor den freundlich leuchtenden Augen. Mit klarer Stimme stellt sich Thorsten Ahlrichs an diesem Abend in St. Cosmae seinem Publikum vor. Ahlrichs trägt ein blau-graues Sakko über dem weißen Hemd und eine dunkle enge Hose. Der erste Eindruck ist wichtig. Schließlich sehen die Zuhörer und das Gremium, das über die berufliche Zukunft des Bewerbers entscheidet, Ahlrichs so schnell nicht wieder.

Ahlrichs wirkt gelassen. Er schwitzt nicht, zittert nicht, als er an seinem großen Tag in Stade seine Musikauswahl verbal vorstellt. Er will „Magnificat primi toni“ von Dietrich Buxtehude an der Orgel interpretieren, danach Stücke von Franz Tunder und Nicolaus Bruhns. Nichts aus der ganz populären Schublade. Ahlrichs will Klangfarben zum Leuchten bringen. „Es ist ein spannendes Casting“, sagt Ahlrichs. In der Branche sei diese Art von Casting gar nicht so unüblich, sagt Superintendent Wischnowsky. Ahlrichs erzählt den Leuten, wie er die Musik versteht. Dann steigt er im Rücken der Zuhörer die Stufen zur Orgel empor und zieht alle Register. Interaktion mit dem Publikum gibt es nicht. „Aber du merkst schon, ob dir die Menschen zuhören“, sagt Ahlrichs.

Superintendent Wischnowsky ist Chef der Jury

Noch am selben Abend sitzt die Jury zusammen. Wischnowsky leitet die Kommission aus Experten und Vertretern der Kirchengemeinden St. Cosmae und Wilhadi. Hauke Ramm ist als Kirchenmusikdirektor des Sprengels dabei, Hans-Joachim Rolf als Landeskirchenmusikdirektor. „Alle drei Bewerber hatten ihre Schwächen und Stärken. Keiner wäre eine unmögliche Besetzung gewesen“, sagt Wischnowsky ein paar Tage später.

Thorsten Ahlrichs überzeugt schließlich die Jury. Zunächst bei einer Probestunde mit einem Kinderchor, dann final an der Huß-/Schnitger-Orgel. Am nächsten Tag erhält Ahlrichs den Anruf aus Stade, 24 Stunden später sagt er zu. „Ich freue mich, den Kosmos der Huß-/Schnitger-Orgel zu erforschen und Stade als neue Heimat zu erobern“, sagt Ahlrichs.

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Eine Orgel hat eine Persönlichkeit. Zu dem Schluss kommt, wer Ahlrichs Worte interpretiert. „Kennt man eine, kennt man diese“, sagt er. Rein technisch bedeutet der Umzug nach Stade für Ahlrichs 20 Register mehr und damit mehr Klangfarben und mehr Kombinationsmöglichkeiten. Ahlrichs arbeitet seit 2015 als Kreiskantor und Kirchenmusiker im Kirchenkreis Delmenhorst/Oldenburg-Land mit Sitz an der St. Cyprian- und Corneliuskirche Ganderkesee. Von den technischen Möglichkeiten aber einmal abgesehen, betrachtet Ahlrichs solch ein Instrument voller Respekt und Ehrfurcht, im Stader Fall aber auch mit Vorfreude. „Seit 300 Jahren begleitet die Orgel den Menschen in allen Lebenslagen. Das macht was mit einem“, sagt Ahlrichs. Der künftige Kreiskantor gibt sich etwa ein Jahr, um die ganzen Feinheiten des berühmten Instrumentes in der Cosmae-Kirche kennenzulernen.

Kantor bildet Kirchenmusiker und Organisten aus

Seine Jobbeschreibung sieht vor, dass Ahlrichs als Kreiskantor und Kirchenmusiker in Stade arbeitet. Im Kirchenkreis soll er die Gemeinden beraten und die nebenamtlichen Kirchenmusiker und Organisten begleiten und fortbilden. Ahlrichs soll die Bildung von Chören und Instrumentalgruppen anregen und in Stade die Kinder- und Jugendchöre leiten.

In den nächsten Wochen wird Ahlrichs eine Bestandsaufnahme machen. Was ist da? Was läuft gut? Was kann er erneuern, was auffrischen? Ahlrichs macht sich eine Liste mit Ideen. Die besten Ideen kreiert Ahlrichs immer dann, wenn er mit seinem Irish Doodle Bamse im Wald spazieren geht.

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