TStader Clan-Prozess: Sanitäter verfolgte Männer mit dem Auto

Am am 22. März 2024 wurde ein Mann an der Straße Beim Salztor in Stade getötet. Foto: Battmer
Mord oder Totschlag? Diese Frage schwebt über dem Clan-Prozess. Und in dieser Woche wurde einmal mehr deutlich, dass die Polizei von den Ereignissen offenkundig überrollt worden war.
Stade. Am zwölften Verhandlungstag gegen ein Mitglied des Miri-Clans wurden ein Rettungssanitäter und ein 35-jähriger Polizeibeamter vernommen. Letzterer war am Tattag mit seiner Kollegin als Streife unterwegs und wurde zu allen vier Einsatzorten gerufen.
Als er beim Sportartikel- und Shisha-Shop in der Hökerstraße eintraf, sei die Auseinandersetzung bereits beendet gewesen. Nur Glassplitter auf dem Boden zeugten davon, berichtete der Beamte. Die Verursacher waren nicht mehr vor Ort.
Im Gespräch mit dem Geschäftsführer habe er von dem Konkurrenzkampf zwischen den beiden Shisha-Läden in der Hökerstraße und der Großen Schmiedestraße erfahren. Der später getötete Khaled R. soll in einem Chat geschrieben haben, dass er ihn, den Geschäftsführer in der Hökerstraße, totschlagen werde, wenn er ihn erwische.

Der 34-jährige Angeklagte zu Prozessbeginn zwischen seinen Anwälten Dinah Busse und Dirk Meinicke im Stader Landgericht. Foto: dpa
Weitere Eskalation sollte vermieden werden
Danach fuhr der Polizist mit seiner Kollegin für eine Gefährderansprache in die Große Schmiedestraße, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Doch dann wurde er zum Wohnhaus der Al-Zeins im Altländer Viertel gerufen. Als er dort ankam, erfuhr er per Funkspruch von den Ereignissen am Salztor.
„Person am Boden mit Messer im Kopf“, meldeten die Kollegen. Dort angekommen, sei die Lage sehr unübersichtlich gewesen. „Ich konnte nicht feststellen, wer welche Rolle spielte“, berichtete der Zeuge. Er habe Schreie wahrgenommen, „Miri“ und „Allahu akbar“ (Allah ist groß). Seine Kollegin habe Unterstützung angefordert.
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Verteidiger Dirk Meinecke fragte nach, wie er mit der in der Hökerstraße geäußerten Information umgegangen sei, dass eine Person eine Waffe im Hosenbund trage. Die habe er zur Kenntnis genommen und dokumentiert, so der Beamte. Außerdem gab es die Gefährderansprache am Nachmittag.
„Da wird auf eine Schusswaffe hingewiesen und es passiert nichts?“, wunderte sich Meinicke. „Wir konnten die Information ja nicht 100-prozentig zuordnen“, entgegnete der Beamte. Ob er denn seine Erkenntnisse dem zuständigen Einsatzleiter gemeldet habe. Darauf antwortete der Polizist: „Ich meine ja, aber ich kann mich nicht 100-prozentig erinnern.“
Zeuge verfolgte den mutmaßlichen Täter
Vor dem Polizeibeamten hatte ein 26 Jahre alter Rettungssanitäter berichtet, was er vom Parkplatz am Hafen aus beobachtet hatte. Er habe gerade eingeparkt und direkt auf die Brücke der Altländer Straße blicken können, wo er „einen Haufen Menschen, die wild umherliefen“ gesehen habe.
Eine Person sei zu Boden gegangen und aus seinem Blickfeld verschwunden. Dann habe er zwei Personen nacheinander weglaufen sehen, eine mit einem dunklen Pullover und eine mit einem rosa Pullover. Er habe den Notruf gewählt und sei den Männern mit seinem Auto durch die Salzstraße gefolgt, bis ihm die dortigen Poller den Weg versperrten.
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Wenige Tage später wurde er von der Polizei vernommen. Auf Antrag Meineckes wurden die damaligen Aussagen verlesen. Auch da hatte der Zeuge von zwei Männern berichtet, einer mit rosa Outfit, der andere in Blau. Doch die Beobachtungen damals wirkten voneinander getrennt: Erst sei der Mann mit rosa Pullover auf einen Mann zugelaufen, der fiel auf die Knie und stand dann wieder auf.
Kurz darauf sei jemand anderes mit blauem Oberteil auf einen anderen Mann losgegangen, habe mehrere Armbewegungen in Richtung Kopf gemacht und sei dann weggelaufen, so die Schilderung bei der damaligen Vernehmung. Damals soll er zudem gesagt haben, dass der Mann einen Gegenstand in der Hand gehabt habe, den er aber nicht erkennen konnte.
Verteidigung will weitere Zeugen befragen
Die Strafverteidiger stellten noch weitere Beweisanträge. So möchten sie erneut eine Zeugin vernehmen, die bereits Mitte November wegen einer Angststörung audiovisuell ausgesagt hatte, dies aber, nach Überzeugung der Verteidigung, nicht umfassend und korrekt.

Beim Clan-Prozess lässt die große öffentliche Aufmerksamkeit allmählich nach. Foto: Vasel
Auch beantragten sie, eine Mutter und deren Tochter zu laden. Auf einem Video aus dem Restaurant Klapperina sei zu erkennen, dass sie unmittelbare Tatzeuginnen seien. Ebenso soll ein Gast des Klapperinas geladen werden. Im Fokus dieser Befragungen soll der Einsatz der Teleskop-Schlagstöcke stehen. Außerdem soll einer der Brüder des Angeklagten geladen werden, der inzwischen aussagewillig sei. Und das Strafregister des Getöteten soll verlesen werden.
Der Prozess wird am Mittwoch, 15. Januar, um 9.30 Uhr fortgesetzt.