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Segelflug

TStader Geigenbauerin bringt eine fliegende Legende wieder in die Luft

Letzte Vorbereitungen für den Erstflug nach der Flügel-Restaurierung. Im Hintergrund der Transportanhänger für die Minimoa.

Letzte Vorbereitungen für den Erstflug nach der Flügel-Restaurierung. Im Hintergrund der Transportanhänger für die Minimoa. Foto: Richter

„Die sieht ja aus wie eine Möwe!“ Das sagt fast jeder, der die Minimoa sieht. Das historische Segelflugzeug von 1939 ist jetzt wieder in der Luft - dank einer Geigenbauerin aus Stade.

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Von Anping Richter
Montag, 15.12.2025, 19:00 Uhr

Stade. Blauer Himmel, Cumuluswolken. „Das sind die guten“, erklärt Constanze Bruns. Die Thermik ist ideal an diesem Sonnabendmorgen, an dem die Minimoa erstmals nach ihrer Flügel-Überholung wieder in die Luft gehen soll. Das vorherrschende Klima auf dem Flugplatz des Stader Luftsportvereins Günter Groenhoff: freudige Erwartung. Nicht nur bei den Eigentümern, sondern auch bei den Vereinskollegen, die auf den Start warten.

Constanze Bruns ist Geigenbaumeisterin. In ihrer Werkstatt in der Salzstraße in Stade baut und restauriert sie Streichinstrumente. Doch in ihrer Freizeit widmet sie sich Flugzeugen. Sie fliegt nicht nur, sie ist zusammen mit vier Männern auch Inhaberin eines historischen Segelflugzeugs, einer Minimoa, die 1938/39 gebaut wurde. Sie haben sie mit viel Liebe, Mühe und Sachverstand wieder flott gemacht.

Sperrholz der Flügel ist einen Millimeter dünn

„Wir sind vier Flugzeugingenieure und eine Geigenbauerin. Aber ohne sie wäre es nicht gegangen“, sagt Michael Preß, der zur fünfköpfigen Eigentümergemeinschaft gehört. Die Minimoa ist nämlich ganz und gar aus Holz - und damit kennt Constanze Bruns sich bestens aus.

Zum Fliegen ist die Geigenbauerin über ihren Mann gekommen: Christian Ückert, Ingenieur beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Stade, begann schon als 14-Jähriger mit dem Segelfliegen. „Als er mich mitgenommen hat, fand ich es gleich toll“, berichtet sie. Sie lernte fliegen - und entdeckte vor allem die alten Segelflugzeuge aus Holz für sich.

Schöne, alte Dinge am Leben zu erhalten, die eine Geschichte erzählen - das liebt Constanze Bruns und es gehört zu ihrem Beruf. Was der Geigenbauerin an alten Segelflugzeugen gefällt, ist aber auch die geniale Einfachheit der Technik: „Ich weiß, warum das Ding fliegt und ich kann es reparieren, wenn etwas kaputtgeht.“

Eine von sechs flugtüchtigen Minimoas weltweit

Die Minimoa war das erste Hochleistungs-Segelflugzeug der Welt, das in Serienproduktion gefertigt wurde. Von 1935 bis 1939 wurden im Sportflugzeugwerk Schempp-Hirth 110 dieser Flieger gebaut, die mit ihren charakteristischen Knickflügeln an die Anatomie einer Möwe erinnern. Deutschland war und ist bis heute ein Land der Segelflieger. Das lange Flugverbot nach dem 1. Weltkrieg förderte die Entwicklung des motorlosen Fliegens.

Heute gibt es weltweit nur noch sechs flugtüchtige Minimoas. Eine in England, eine in Japan, eine in den USA und drei in Deutschland. In Braunschweig, wo Christian Ückert studierte, war er Mitglied eines Studentensegelflugvereins. Dort lernten er und Constanze Bruns auch die drei anderen Ingenieure und Mitbesitzer des Flugzeugs kennen: Michael Preß, Arne Seitz und Rolf Radespiel. Letztgenannter ist Professor für Aerodynamik und hörte bei einer Veranstaltung auf der Wasserkuppe, im deutschen Mekka der Segelflieger in der Rhön, dass eine Minimoa verkauft werden sollte.

Oldtimer-Segelflieger nur in gute Hände abzugeben

„Sie gehörte Geld Allerdissen, dem ehemaligen Präsidenten des deutschen Aeroclubs. Er wollte sie nur in gute Hände abgeben“, berichtet Constanze Bruns. Sie und ihre Freunde sahen sich das Flugzeug an. Und obwohl ihnen sofort klar war, dass damit viel Arbeit auf sie zukommen würde, stand die Entscheidung sofort fest: „Wir waren alle schwer verliebt in den alten Vogel.“ Das war 2017.

Die Minimoa am Himmel. Durch das Licht ist die Holzkonstruktion der Flügel gut zu erkennen.

Die Minimoa am Himmel. Durch das Licht ist die Holzkonstruktion der Flügel gut zu erkennen. Foto: privat

Im Jahr 2019 überholen sie zunächst den Rumpf, um die Flugtüchtigkeit zu sichern. In irgendeiner Garage ist so etwas nicht zu machen: Die Minimoa trägt das „Mini“ zwar im Namen, hat aber immer noch 17 Meter Flügelspannweite. Ein Luftsport-Kollege weiß Rat: Der Altländer Dierk König stellt einen Schuppen auf seinem Hof zur Verfügung - und tut das erneut für die große Flügel-Überholung, die immerhin von 2022 bis 2025 dauern wird.

Drei Jahre Arbeit an den Flügeln

Zuerst schleifen sie das Holz ab. Erst jetzt wird richtig sichtbar, wie filigran die Konstruktion ist.„Dieses Sperrholz ist einen Millimeter dick, hat 85 Jahre überlebt - und sie funktioniert immer noch“, schwärmt Constanze Bruns. Allerdings fördern sie viele Schichten Lack und Spachtel zutage, seltsame Altreparaturen, korrodierte Beschläge, modrige Stellen im Holz und einzelne gebrochene Rippen in der Flügelkonstruktion.

Blick in die Holzkonstruktion der Flügel, die Constanze Bruns und Christian Ückert zur Überarbeitung in einer Halle im Alten Land aufgebockt haben.

Blick in die Holzkonstruktion der Flügel, die Constanze Bruns und Christian Ückert zur Überarbeitung in einer Halle im Alten Land aufgebockt haben. Foto: Richter

Alle Metallteile bauen Constanze Bruns und Christian Ückert aus und schicken sie an ihre Mitbesitzer in Braunschweig. Die sandstrahlen sie, verzinken sie neu und schicken sie wieder zurück. Drei Jahre - immer in der Freizeit - arbeiten sie an der Flügelüberholung und dokumentieren das Ganze, auch fotografisch. Mehr über die Geschichte der Minimoa ist auf ihrer Internetseite zu lesen unter www.minimoa Constanze Bruns.de

Die Möwe fliegt wieder

Mitte August 2025 ist es endlich so weit: Nach gründlicher Durchsicht bescheinigt ein Prüfer die Lufttüchtigkeit. Die Minimoa hat also wieder TÜV und darf starten.

Er hat Vertrauen in die Technik: Constanze Bruns Ehemann Christian Ückert kurz vor dem ersten Flug nach der Flügelüberholung.

Er hat Vertrauen in die Technik: Constanze Bruns Ehemann Christian Ückert kurz vor dem ersten Flug nach der Flügelüberholung. Foto: Richter

Den ersten Flug mit den neuen Flügeln im September hat Constanze Bruns übrigens ihrem Mann überlassen - nach folgendem Dialog: „Willst du?“ „Wenn ich darf?“ „Wenn du dich traust!“

Sie fliegt wieder: Constanze Bruns in ihrer Minimoa.

Sie fliegt wieder: Constanze Bruns in ihrer Minimoa. Foto: C. Wilsche

„Ich vertraue der Technik“, sagt Christian Ückert, während er den obligatorischen Fallschirm anlegt. Er schwingt sich ins Cockpit. Noch ein Abschiedskuss - dann schieben Constanze Bruns und Mitinhaber Michael Preß das Segelflugzeug mit ein paar Laufschritten an, bevor es vom Boden abhebt. Noch hat ein Motorflugzeug es im Schlepptau, aber nur kurz. Dann fällt das Seil. Die Minimoa fliegt wieder. Sie sieht aus wie eine Möwe.

Vorbereitung auf den ersten Flug: Christian Ückert legt den Fallschirm an, Constanze Bruns letzte Hand.

Vorbereitung auf den ersten Flug: Christian Ückert legt den Fallschirm an, Constanze Bruns letzte Hand. Foto: Richter

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