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Holocaust-Gedenktag

TStader Mahnwache: Der dringende Appell der 1000 Menschen

Rund 1000 Menschen kamen nach Auskunft der Veranstalter am Sonnabend auf den Platz Am Sande, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen.

Rund 1000 Menschen kamen nach Auskunft der Veranstalter am Sonnabend auf den Platz Am Sande, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen. Foto: Susanne Helfferich

Es waren weit mehr als die zunächst genannten 600 Teilnehmer beim „Nie wieder ist jetzt“-Gedenken auf dem Sande in Stade. Viele zeigten sich ebenso besorgt wie mutig – und erhoben ihre Stimme.

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Von Susanne Helfferich
Sonntag, 28.01.2024, 16:48 Uhr

Stade. Sechs Schülerinnen und Schüler der IGS tragen am Sonnabendvormittag auf dem Platz Am Sande 23 Namen vor. 23 Namen von Menschen aus Stade, die verschleppt, verfolgt und ermordet wurden. „Diese Namen stehen für Millionen Opfer von Nazi-Terror, Rassenwahn und Menschenverachtung“, sagt Kai Köser, SPD-Vorsitzender in Stade und Organisator der Mahnwache am Holocaust-Gedenktag. Und wenige Sätze später erklärt er: „Mich hätten die Nazis geholt.“ Kai Köser bezeichnet sich als Stader Jung. Er ist Ehemann, Vater und homosexuell. Auch Homosexuelle wurden im Nationalsozialismus verfolgt.

„Heute treffen sich wieder antidemokratische Menschenhasser“, sagt der Sozialdemokrat, „und sie planen, wen von euch sie holen wollen.“ 91 Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und „nur wenige Kilometer entfernt vom Ort der Wannseekonferenz“, so Köser, „planen sie die Deportation von Millionen Menschen, fantasieren von einem Musterstaat in Nordafrika für Migranten und Flüchtlingshelfer.“ Ein Viertel der Bevölkerung sei betroffen, ein Drittel aller Kinder und Schüler.

Oberstufenschüler der IGS erinnerten an das Schicksal von im NS-Regime Verfolgter.

Oberstufenschüler der IGS erinnerten an das Schicksal von im NS-Regime Verfolgter. Foto: Susanne Helfferich

Der Holocaust-Gedenktag sei daher ein Aufruf, aktiv zu werden, sich für Demokratie und eine offene Gesellschaft einzusetzen. Die vielen Demonstrationen der vergangenen Wochen machten Mut, so Köser. Er warnte davor, zu schweigen, vor den Ereignissen in Potsdam und der Ausgrenzung die Augen zu verschließen. Nie wieder dürfe es so sein. „Nie wieder ist jetzt“, so Köser.

Mahnwache zum Holocaust-Gedenktag in Stade

Foto: Helfferich

Mahnwache Stade Platz Am Sande
Mahnwache Stade Platz Am Sande Foto: Helfferich

Foto: Helfferich

Mahnwache Stade Platz Am Sande
Mahnwache Stade Platz Am Sande Foto: Helfferich

Foto: Susanne Helfferich

Protest auf dem Sande.
Protest auf dem Sande. Foto: Susanne Helfferich

Foto: Helfferich

Mahnwache Stade Platz Am Sande
Mahnwache Stade Platz Am Sande Foto: Helfferich

Foto: Helfferich

Mahnwache Stade Platz Am Sande
Mahnwache Stade Platz Am Sande Foto: Helfferich

Foto: Helfferich

Mahnwache Stade Platz Am Sande
Mahnwache Stade Platz Am Sande Foto: Helfferich

Foto: Susanne Helfferich

Kai Köser (Vorne) und Sönke Hartlef mahnten zu Geschlossenheit.
Kai Köser (Vorne) und Sönke Hartlef mahnten zu Geschlossenheit. Foto: Susanne Helfferich

Foto: Susanne Helfferich

Mitglieder der muslimischen Ahmadiyya Gemeinde waren als Ordner eingesetzt.
Mitglieder der muslimischen Ahmadiyya Gemeinde waren als Ordner eingesetzt. Foto: Susanne Helfferich

Foto: Susanne Helfferich

Ein buntes Netz gegen braunen Einheitsbrei.
Ein buntes Netz gegen braunen Einheitsbrei. Foto: Susanne Helfferich

Foto: Susanne Helfferich

Protest gegen Rechts auf dem Sande.
Protest gegen Rechts auf dem Sande. Foto: Susanne Helfferich

Foto: Susanne Helfferich

Doris Lübben-Hermann und Timm Kavacs demonstrierten gegen Rechtsextremismus.
Doris Lübben-Hermann und Timm Kavacs demonstrierten gegen Rechtsextremismus. Foto: Susanne Helfferich

Foto: Susanne Helfferich

Bunter Protest auf dem Sande.
Bunter Protest auf dem Sande. Foto: Susanne Helfferich

Foto: Christoph Langen

An der evangelischen Kirche in Harsefeld versammelten sich ebenfalls rund 120 Me...
An der evangelischen Kirche in Harsefeld versammelten sich ebenfalls rund 120 Menschen. Foto: Christoph Langen

Foto: Susanne Helfferich

Omas gegen rechts haben die Stolpersteine, die an Opfer des Nationalsozialismus ...
Omas gegen rechts haben die Stolpersteine, die an Opfer des Nationalsozialismus erinnern, in Stade gereinigt. Foto: Susanne Helfferich

Bürgermeister Hartlef zitiert Udo Lindenberg

Auch Bürgermeister Sönke Hartlef (CDU) forderte die Staderinnen und Stader zu Geschlossenheit gegen Rechtsextremismus auf. Er zitierte Udo Lindenberg: Wer in der Demokratie pennt, wacht in der Diktatur auf. „Wir nehmen es nicht hin, dass rechtsextreme Kräfte eine Atmosphäre der Verunsicherung, der Angst und des Hasses in unserem Land und in unseren Städten schüren“, rief der Bürgermeister.

Menschen unterschiedlicher Herkunft machten das Zusammenleben in Deutschland aus, so Hartlef. „Wir akzeptieren nicht, dass Bürgerinnen und Bürger, dass Familien, dass sogar Kinder Angst davor haben müssen, von hier vertrieben zu werden.“ Eine wehrhafte Demokratie lebe von einer aktiven Zivilgesellschaft. Dass es diese in in Deutschland gebe, zeigten die Hunderttausende, die in den vergangenen Tagen auf die Straße gingen. Statt viel Geld für ein Treffen in Potsdam zu zahlen, hätten die Teilnehmer besser einen VHS-Kurs in Geschichte besuchen sollen. „Dort hätten sie gelernt, wohin es führt, wenn man mit dem Feuer spielt - in die Kastastrophe.“

Kai Köser (vorn) und Sönke Hartlef mahnten zu Geschlossenheit.

Kai Köser (vorn) und Sönke Hartlef mahnten zu Geschlossenheit. Foto: Susanne Helfferich

Ein buntes Netz gegen braunen Einheitsbrei

Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Sande - die Polizei sprach von 500 bis 600, die Veranstalter von 1000 - zeigten sich besorgt. Aktionskünstlerin Carola Kühler lud dazu ein, gemeinsam ein buntes Netz zu knüpfen, „ein buntes Wir gegen den braunen Einheitsbrei“, wie sie sagt, „ich setze mich für demokratische und christliche Werte ein“.

Nur wenige Meter weiter steht eine ältere Dame, die nicht namentlich genannt werden möchte. Sie ist entsetzt vom Rechtsruck in der Gesellschaft. „Ich hoffe nur, dass alle Menschen, die hier oder auch in anderen Städten demonstrieren, zu den nächsten Wahlen gehen werden.“ Die 80-jährige Hildegard, die sich schon vor 50 Jahren für „Jute statt Plastik“ stark gemacht hat, sagt bekümmert: „Wir müssen hier für unsere Demokratie einstehen. Aber ich würde mich viel lieber für die Rettung unseres Planeten engagieren. Die drohende Klimakatastrophe tritt ganz in den Hintergrund.“

Aktionskünstlerin Carola Kühler knüpfte ein buntes Netz gegen braunen Einheitsbrei.

Aktionskünstlerin Carola Kühler knüpfte ein buntes Netz gegen braunen Einheitsbrei. Foto: Susanne Helfferich

Auch Geschäftsleute haben sich auf den Weg zum Sande gemacht. „Wir haben für die Mahnwache für eine Stunde den Laden geschlossen“, sagt Hartmut Köhlmann von Köhlmann Schlafkultur.

2500 Teilnehmer waren es bei einer Demonstration gegen AfD und Rechtsextremismus in der Vorwoche in Buxtehude. In Cuxhaven kamen am Sonnabend 4000 Menschen zusammen. Die Protestwelle reißt nicht ab.

Muslimische Gemeinde stellt Ordnungsdienst - „Omas gegen Rechts“ putzten Stolpersteine

Für Ordnung sorgte in Stade die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde. Sie sammelt regelmäßig an Neujahr die Reste des Silvesterfeuerwerks in der Innenstadt ein. Am Sonnabend stellte die Gemeinde die Ordner für die Mahnwache. Gerade habe seine Gemeinde wieder Fremdenfeindlichkeit erlebt, berichtete Imam Salman Ahmad Malhi, Aufkleber mit „Refugees not welcome!“ seien an die Fenster der Moschee im Altländer Viertel geklebt worden.

"Omas gegen Rechts" putzten am Sonnabendvormitttag 23 Stolpersteine.

"Omas gegen Rechts" putzten am Sonnabendvormitttag 23 Stolpersteine. Foto: Susanne Helfferich

Am Vormittag waren bereits die „Omas gegen Rechts“ in der Stadt unterwegs, um die 23 Stolpersteine, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern, zu putzen. für den Nachmittag lud der Rosa Luxemburg Club Niederelbe ein zu einem Vortrag von Oliver Kogge und Michael Quelle über die Opfer von Zwangsarbeit und Euthanasie, umgekommene Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge und Gestapo-Opfer.

Zeitgleich zur Stader Mahnwache nahmen zahlreiche Teilnehmer an der eigenen Veranstaltung an der Gedenkstele an der evangelischen Kirche in Harsefeld teil. Rund 120 Menschen sollen dabei gewesen sein. „Zusammen wollen wir auf die Straße gehen und ein Zeichen setzen für ein weltoffenes, buntes Harsefeld“, hatte der SPD-Ortsverein zuvor aufgerufen.

Rund 120 Menschen trafen sich in Harsefeld zum Gedenken.

Rund 120 Menschen trafen sich in Harsefeld zum Gedenken. Foto: SPD Harsefeld/Langen

Die Mitglieder des Verdi-Landesbezirksvorstands in Niedersachsen und Bremen verabschiedeten am Samstag eine Resolution gegen rechts. „Wir sind schockiert, aber nicht überrascht, dass sich Ende November hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer getroffen haben, um Pläne zu schmieden, wie sie größere Teile unserer Bevölkerung deportieren können“, sagte Christina Domm vom Landesbezirksvorstand. Das Erstarken rechter Kräfte erfülle sie mit großer Sorge.

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