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24-Stunden-Reportage

TStades Tor zur Welt: Was Besucher an Stadersand so schätzen

Schiffe gucken bei einer Tasse Kaffee: Von der Elbblick-Terrasse aus genießt Angela Melcher den Blick aufs Wasser.

Schiffe gucken bei einer Tasse Kaffee: Von der Elbblick-Terrasse aus genießt Angela Melcher den Blick aufs Wasser. Foto: Lohmann

Stadersand ist Stades „Tor zur Welt“. Der öffentliche Zugang zur Elbe ist seit jeher ein Besuchermagnet. Schiffe gucken vom Gasthaus Elbblick aus ist zurzeit aber nur eingeschränkt möglich. Pächter Robert Diekers stößt an seine Grenzen.

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Von Sabine Lohmann
Samstag, 13.07.2024, 19:25 Uhr

Stade. Um 17 Uhr parken ein Dutzend Autos und ein Wohnmobil an der Kaimauer, Flaggen wehen an zehn Masten. Der Anleger an der Stelle, wo die Schwinge in die Elbe mündet, ist ein beliebter Ausguck für Menschen, die gern Containerriesen und Kreuzfahrtschiffe gucken. Auch auf dem Platz am Anleger - unterhalb vom Restaurant Elbblick - sitzen Menschen in ihren Autos und schauen aufs Wasser.

Eine Bank mit Aussicht: Tanja, Jörg und Rune Gissel aus Stade fahren oft raus, um einmal aufs Wasser zu gucken.

Eine Bank mit Aussicht: Tanja, Jörg und Rune Gissel aus Stade fahren oft raus, um einmal aufs Wasser zu gucken. Foto: Lohmann

Auf dem Ponton hat es sich ein Paar auf Klappstühlen gemütlich gemacht; daneben steht der Picknickkorb. Bei Wellengang, wenn Schiffe vorbeiziehen, schwankt der Boden. Die beiden kommen immer wieder an die Elbe, denn hier haben sie ihre Ruhe. Der Lühe-Anleger ist ihnen inzwischen zu voll. „Schade, dass die Fähre nicht mehr fährt“, sagen sie.

Rentner treffen sich zum Klönschnack an einer Bank

Im Oktober 2023 stellte die Elbfähre Liinsand, die vier Jahre lang zwischen Stadersand und Hamburg verkehrte, ihren Betrieb ein. Das war der letzte Versuch, eine regelmäßige Fährverbindung zwischen den beiden Hansestädten zu etablieren. Von 1996 bis 2007 fuhr hier der Schnellkatamaran Elbe-City-Jet.

Der Personalmangel macht Sandra und Robert Diekers zu schaffen: Sie betreiben das Ausflugslokal Elbblick mit Panoramablick auf die Elbe.

Der Personalmangel macht Sandra und Robert Diekers zu schaffen: Sie betreiben das Ausflugslokal Elbblick mit Panoramablick auf die Elbe. Foto: Lohmann

Um Klönschnack geht es den Rentnern auf der ersten Bank am Schotterparkplatz. Die Bank haben sie links um einen klappbaren Campingstuhl und rechts um einen Rollator verlängert, damit alle sieben Platz finden, um aufs Wasser zu schauen. Sie siezen sich, obwohl sie seit Jahren fast jeden Nachmittag „bei Wind und Wetter“ an der Bank zusammenkommen.

Weil man von hier „bis nach Hamburg und nach Cuxhaven gucken kann“. Zu der losen Gruppe gehören rund zehn Rentner zwischen 68 und 92 Jahren. Sie beobachten die Einsätze der DLRG und der Wasserschutzpolizei, die Schiffe beim Hamburger Hafengeburtstag. Auch den Bau des LNG-Terminals und den damit einhergehenden regen Schutenverkehr haben sie mit Interesse verfolgt. Jetzt sei wieder Ruhe eingekehrt.

Trampelpfad zum Sandstrand verwildert

Eine Bank weiter sitzen Tanja und Jörg Gissel mit Sohn Rune aus Stade. Sie sind im Sommer oft hier: eben mal schnell Eis essen und einmal aufs Wasser gucken. „Wasser ist Heimat“, sagt Tanja Gissel. Seit der kleine, verfallene Bunker am Elbufer abgerissen wurde, sei der Trampelpfad zum Sandstrand am Leuchtturm leider zugewachsen, bedauert sie. Verboten ist der Zugang aber nicht, wie der Deichverband Kehdingen-Oste auf Nachfrage mitteilt.

Ulrike Giese hat es sich mit einem Kaffee auf einer geschwungenen Holzliege auf der Wiese bequem gemacht: „Es ist einfach nur schön hier.“

Ulrike Giese hat es sich mit einem Kaffee auf einer geschwungenen Holzliege auf der Wiese bequem gemacht: „Es ist einfach nur schön hier.“ Foto: Lohmann

Ulrike Giese aus Oldendorf hat einen freien Liegeplatz mit Aussicht ergattert. Die fünf geschwungenen Holzliegen wurden vor einem Jahr auf der Wiese aufgestellt. „Wasser. Schiffe. Leute beobachten. Entspannen. Es ist einfach nur schön hier“, sagt die 67-Jährige. Bei Regen bleibt sie im Auto sitzen. Und wenn sie Hunger verspürt, geht sie in den Elbblick.

Gastwirt plagen Personalprobleme

Von der Elbblick-Terrasse aus, bei einer Tasse Kaffee, schaut Angela Melcher aufs Wasser. Die Staderin ist mit dem Auto gekommen, wie die meisten hier. Horst und Ingrid Schulz aus Fredenbeck sitzen in der anderen Ecke der Terrasse bei einem Bier. Sie seien selten auf Stadersand, denn für einen Spaziergang mit Hund Lilly sei das Areal zu klein. Sie loben die Kuchenauswahl. Dass es ab 17 Uhr keine warme Küche mehr gibt, bedauern sie.

Wegen der Erinnerungen sind sie nach Stadersand gekommen: Hannelore Oellrich (Mitte) isst mit Sohn Udo Oellrich und Schwiegertochter Riwana Tidow im Elbblick.

Wegen der Erinnerungen sind sie nach Stadersand gekommen: Hannelore Oellrich (Mitte) isst mit Sohn Udo Oellrich und Schwiegertochter Riwana Tidow im Elbblick. Foto: Lohmann

Das liegt am Personalproblem, erklärt Gastwirt Robert Diekers. Ihm fehlen Mitarbeiter, Köche, Küchenhilfen, Tresen- und Servicekräfte und Raumpfleger. Früher beschäftigte er 7 Festangestellte (heute nur noch 3) und 20 Aushilfen (heute: 6). Die Gaststube schließt deshalb schon um 18 Uhr, die Speisekarte wurde eingeschränkt. „Ich würde gern länger aufhaben“, sagt der 62-Jährige, „doch wir schaffen es nicht mehr.“

Auch Frühstück am Sonntag ab 10 Uhr würde er gern wieder anbieten. Früher seien hier Hochzeiten und Geburtstage gefeiert worden. Inzwischen sei er froh, „wenn das Tagesgeschäft läuft“. Seine Frau Sandra arbeitet als Festangestellte mit, seine Tochter - sie haben zwei erwachsene Kinder - hilft aus.

Der Anleger bringt Erinnerungen hoch

Hannelore Oellrich legt Messer und Gabel zur Seite. Sie hat im Restaurant mit Sohn Udo Oellrich und Schwiegertochter Riwana Tidow gespeist. Sie seien hier „wegen der Erinnerungen“, sagt die Bützfletherin. Früher sei sie mit ihrem Mann oft am Anleger gewesen - zum Schiffegucken und wegen der Schiffsansagen.

Die Schwarz-Weiß-Fotos zeigen Stadersand im vorigen Jahrhundert - auch die Elbkate mit Reetdach und Sandstrand.

Die Schwarz-Weiß-Fotos zeigen Stadersand im vorigen Jahrhundert - auch die Elbkate mit Reetdach und Sandstrand. Foto: Lohmann

Robert Diekers zeigt Schwarz-Weiß-Fotos aus dem vorigen Jahrhundert. Traditionsgaststätte Elbkate mit Reetdach und Sandstrand. Anleger mit Fähre. Segelboote vor der Kaimauer. Der gebürtige Stader kennt die jüngste Geschichte des Schiffsanlegeplatzes, der erstmals 1300 als „Breddenviet“ erwähnt wurde. Schon als Kind kam er oft mit seinen Eltern zum Kaffeetrinken in die Elbkate. Vor knapp 20 Jahren - der Gastwirt der Keglerstuben in Stade suchte ein zweites Standbein für das Sommergeschäft - verschlug es ihn beruflich hierher.

Zugang zur Elbe wird über Jahrzehnte immer kleiner

Der Anleger spielte lange eine wichtige Rolle für den Fremden- und Fährverkehr. Doch der Zugang zur Elbe wurde immer weiter eingeschränkt. Das liegt an der industriellen Entwicklung auf Bützflether- und Stadersand seit den 70er Jahren. Ab 1998 stand die Elbkate leer, diente der DRLG als Unterkunft. Eine Sanierung war zu teuer, zumal der Standort am Wasser wegen der Sturmfluten nicht mehr zu halten war. Das benachbarte Chemie-Unternehmen Dow drängte darauf, den Zugang zum Anleger für die Öffentlichkeit zu sperren. Das Gefährdungspotenzial sei zu hoch.

Doris Sauss und Horst Barmföhr haben einen freien Liegeplatz mit Aussicht ergattert.

Doris Sauss und Horst Barmföhr haben einen freien Liegeplatz mit Aussicht ergattert. Foto: Lohmann

Doch die Stader wollten ihr maritimes Eingangstor behalten. Und so beschloss der Stadtrat, das marode Gebäude abzureißen und ein höher gelegenes Lokal auf der Grünfläche des Wasser- und Schifffahrtsamts neben dem alten Hafenmeisterhaus zu bauen - mit einem Schutzraum für Menschen bei einem Gasunfall.

Seit 2006 steht das hochwassersichere Glashaus auf dem alten Deich oberhalb des Anlegers. 2007 wurde die Elbkate abgerissen, die DLRG erhielt für ihre Wachstation einen Container. 2011 wurde die marode Kaimauer saniert.

Spundwand am Molenkopf wird zurzeit erneuert

Jetzt steht dort wieder ein Bauzaun. Denn die baufällige Spundwand am Molenkopf, die während des LNG-Terminal-Baus gerammt wurde, wird zurzeit erneuert. Das berichtet das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Elbe-Nordsee auf Nachfrage.

Nach Feierabend um 18 Uhr muss Robert Diekers noch in seiner Küche im Elbblick klar Schiff machen.

Nach Feierabend um 18 Uhr muss Robert Diekers noch in seiner Küche im Elbblick klar Schiff machen. Foto: Lohmann

Seit 2021 ist die Zufahrt für Kraftfahrzeuge zwischen 22 und 6 Uhr verboten - weil sich der Anleger zu einem beliebten Treffpunkt für Autoposer entwickelt hatte. Von den nächtlichen Feiern erzählen Ewald und Hilda Bartels, die letzten Einwohner von Stadersand. Ewald Bartels war hier von 1975 bis 1998 Hafenaufseher; in der Dienstwohnung leben sie heute noch. „Inzwischen ist es wieder ruhiger geworden. Wir können wieder mit offenem Fenster schlafen“, sagt der 85-Jährige.

Es ist kurz vor 18 Uhr, kurz vor Feierabend. Die Tische haben sich geleert. Sandra Diekers fängt an, aufzuräumen. Danach wird Robert Diekers in seiner Küche noch klar Schiff machen.

Mit Luca-Julian Drews, Mika Fynn Techert und Emily Sobschinski sitzt die nächste Generation an der Kaimauer, um aufs Wasser zu schauen.

Mit Luca-Julian Drews, Mika Fynn Techert und Emily Sobschinski sitzt die nächste Generation an der Kaimauer, um aufs Wasser zu schauen. Foto: Lohmann

Auch draußen an der Kaimauer ist es still geworden. Nur noch drei junge Leute, 15 bis 22 Jahre alt, sitzen vor ihrem Auto an der Kaimauer. Mit Emily Sobschinski, Mika Fynn Techert und Luca-Julian Drews und ihren Freunden trifft sich die nächste Generation an Stades Tor zur Welt, um aufs Wasser zu schauen.

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