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Fantasy

TSteampunk-Festival in Buxtehude: In der Altstadt geht es heiß her

Imposant gekleidet besuchen Dagmar und Jürgen Herzer aus dem Saarland das Steampunk-Festival in Buxtehude. Die Steampunk-Darstellerin trägt eine silberne Drachenfigur unterm Rock.

Imposant gekleidet besuchen Dagmar und Jürgen Herzer aus dem Saarland das Steampunk-Festival in Buxtehude. Die Steampunk-Darstellerin trägt eine silberne Drachenfigur unterm Rock. Foto: Sulzyc

Atemberaubende Mode und fantastische Maschinen: Steampunk-Darsteller haben in Buxtehude ihre große Bühne.

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Von Thomas Sulzyc
Samstag, 03.05.2025, 20:27 Uhr

Buxtehude. Sonnabendvormittag, noch vor 11 Uhr: Dagmar und Jürgen Herzer aus dem Saarland schreiten anmutig aus dem Hotel zur Mühle in die Buxtehuder Altstadt. Weiter Gehrock, Overknee-Stiefel aus Leder, Zylinder. An diesem Tag ist modisch nichts fantastisch genug: Steampunk-Darsteller haben in der Altstadt ihre große Bühne. Es ist Aethercircus, das nach Angaben des Veranstalters größte reine Steampunk-Festival Europas.

Steampunk bezeichnet eine Fantasiewelt. Sie sieht so aus, wie Menschen um 1900 sich die Zukunft vorgestellt haben könnten. Nicht Strom, sondern Dampf (englisch: steam) ist die treibende Kraft. Modisch ist Steampunk vom viktorianischen Zeitalter inspiriert, aber mittlerweile auch von dem Lolita-Look japanischer Comics und der Gothic-Szene.

Werktags Erzieherin, am Wochenende Königin

Mittelalter-Märkte, Steampunk-Feste: „Wir sind fast an jedem Wochenende auf einem Event in Deutschland, Frankreich oder Luxemburg“, sagt Dagmar Herzer. Im bürgerlichen Leben ist sie Erzieherin, heute Königin eines Schattenreichs. Zu Hause bei Saarlouis hat das Paar ein Ankleidezimmer für seine Garderobe.

Für das Steampunk-Festival in Buxtehude hat sich Dagmar Herzer etwas besonders Extravagantes ausgedacht: Unter dem weiten Gehrock trägt sie einen Drachen. Eine silberne Figur in einem Käfig.

Das viktorianische Erscheinungsbild dominiert im Steampunk. Manchem gelingt es, sich abzuheben. Wohl einzigartig kommt der Amerikaner Donald Krueger aus Frankfurt (Main) daher: Er gibt den Luftschiffkapitän. Seine Uniform sei von einem Safari-Anzug aus dem Jahr 1880 inspiriert, sagt er. Im bürgerlichen Leben ist er Elektriker.

Trotz seiner Flügel hat es ein Paar von dem Markt vor der früheren Malerschule noch nicht bis in die Altstadt geschafft. Zu beliebt ist es als Fotomotiv. „Wir sind Claudia und Jörg aus der Nähe von Düsseldorf“, stellt das Paar sich freundlich vor.

Modischer Ausdruck von Dark Steam Punk: Claudia und Jörg geben die „Herrschaften Todesengel“.

Modischer Ausdruck von Dark Steam Punk: Claudia und Jörg geben die „Herrschaften Todesengel“. Foto: Sulzyc

Ihre Rolle ist dagegen düster. Ganz in Schwarz sind sie gekleidet. Die Frau mit langen Kunststoffkrallen an den Fingern. „Wir sind die Herrschaften Todesengel“, erklärt Claudia. Dark Steampunk nennt sich das Subgenre. Jeden Fotowunsch erfüllt das Paar. Geduldig, wie alle übrigen Steampunk-Darsteller in der Innenstadt. „Du willst die Bühne, bist eine extrovertierte Persönlichkeit“, erklärt Jörg.

Die Zeitreisenden Jan und Peter Wessels aus den Niederlanden bewegen sich auf ihren Fantasiemaschinen durch die Buxtehuder Altstadt.

Die Zeitreisenden Jan und Peter Wessels aus den Niederlanden bewegen sich auf ihren Fantasiemaschinen durch die Buxtehuder Altstadt. Foto: Sulzyc

Mit schauspielerischerem Talent inszenieren Jan und Peter Wessels aus den Niederlanden ihren Auftritt. Wenn sie sich mit ihren Hochrädern durch die Fußgängerzone bewegen, begleitet sie eine hymnische Musik. Mit Gesten wie in Zeitlupe ziehen sie die Menschen in ihren Bann. Ihre Vehikel, von Zeitmaschinen des Autoren Jules Verne inspiriert, sind ein beliebtes Fotomotiv.

Die Zeitmaschinen sind nur scheinbar von Dampf angetrieben. Tatsächlich funktionieren sie elektrisch. Wer genau hinschaut, erkennt Pumpen, Schläuche, Uhren und anderes, das vom Schrottplatz gerettet wurde und so ein zweites Leben geschenkt bekommt.

Weniger fantastisch, aber ebenso faszinierend ist die retrofuturische Lokomotive eines Paars vom Niederrhein. Mit Kohle befeuert Gotthard Sonneborn den Kessel, seine Lebensgefährtin Gisela Beloch überlässt ihm die technischen Dinge. Echter Dampf steigt auf. 400 Grad heiß wurde früher der Dampf zum Antrieb von Lokomotiven. Bei dem Auftritt in der Buxtehuder Fußgängerzone treibt aber nicht Dampfkraft die Lok an. Die Steampunk-Darsteller bewegen sie stattdessen auf einem Anhänger mit dem Kraftfahrzeug.

1,7 Tonnen wiegt die mit Dampfkraft betriebene Maschine von Gisela Beloch und Gotthard Sonneborn. Das Vorbild stammt aus dem Jahr 1927.

1,7 Tonnen wiegt die mit Dampfkraft betriebene Maschine von Gisela Beloch und Gotthard Sonneborn. Das Vorbild stammt aus dem Jahr 1927. Foto: Sulzyc

Fünf Jahre Arbeit stecke in der 1,7 Tonnen schweren Maschine, sagt Gotthard Sonneborn. Die Lokomotive sei nach Originalplänen gebaut, nur im kleineren Maßstab. Das Vorbild stamme aus dem Jahr 1927.

Die Eroberung des Himmels galt 1900 als Zukunftsvision. Wohl auch deshalb zählt Luftakrobatik zum Festival-Programm. Oder auch nur, weil es dem Publikum den Atem stocken lässt. Auf beiden Seiten des historischen Hafenbeckens versammeln sich die Zuschauer.

Akrobatische Figuren in der Takelage des Ewer Margareta zeigt das Ensemble Chronos Artisten.

Akrobatische Figuren in der Takelage des Ewer Margareta zeigt das Ensemble Chronos Artisten. Foto: Sulzyc

Der Schauplatz der Show ist der Luftraum über dem Ewer Margareta. In der Takelage des Frachtschiffs turnen Artisten des Hamburger Ensembles Chronos ihre Figuren - eine Premiere. In den Seilen eines Schiffs hätten sie noch nie eine Show gespielt, sagt einer der Künstler beeindruckt. Die Zuschauer sind begeistert, applaudieren kräftig.

In einem Zwischenfazit am Sonnabend rechnet der Veranstalter mit einem neuen Besucherrekord: „Wir gehen davon aus, dass wir mehr Besucher als 2023 haben werden“, sagt der Vorsitzende des Altstadtvereins, Ulrich Wiegel, dem TAGEBLATT. Voraussichtlich würden es von Freitag bis Sonntag insgesamt mehr als 60.000 Menschen sein.

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