Zähl Pixel
Nordsee

TAbsolute Stille: In diesem Hotel am Deich herrscht Handy- und Schuhverbot

Ein besonderes Hotel an einem besonderen Ort: Das Upstalsboom-Hotel Upleven steht auf dem Nordseedeich in Wremen.

Ein besonderes Hotel an einem besonderen Ort: Das Upstalsboom-Hotel Upleven steht auf dem Nordseedeich in Wremen. Foto: Polgesek

Im Upleven im Nordseebad Wremen soll sich der Mensch auf sich selbst besinnen. Nichts ist laut oder aufgeregt. Das kommt an.

Von Heike Leuschner Dienstag, 31.12.2024, 07:00 Uhr

Wremen. Was für ein Empfang: Gleich links neben dem gläsernen Eingangsportal befindet sich eine Schuhstation. Ein geradliniges System, in dem die Gäste ihre Schuhe verstauen. Kästen aus honigbraunem Echtholz sorgen dafür, dass alles aufgeräumt wirkt.

Gleich daneben ein Polsterhocker zum Sitzen und ein Korb mit Filzpantoffeln in verschiedenen Größen. Fast wie zu Hause mutet dieser für ein Hotel eher ungewöhnliche Service an. Straßenschuhe, darum bittet der freundliche Mitarbeiter im Eingangsbereich mit leiser Stimme, sind im Hotel nicht erwünscht.

Sebastian Lutz heißt der Mann am Empfang, der sich als Direktor des Upleven vorstellt. Er tritt hinter einem modernen Schreibtisch hervor, der den in vielen Hotels üblichen Tresen ersetzt. Überhaupt ist vieles anders in diesem Haus. Was sofort auffällt, ist eine große Ruhe, die sich durch das gesamte Haus zieht. Das Upleven mit seinen 34 Zimmern und 17 Beschäftigten will all denen eine Herberge sein, die sich nach Stille sehnen.

Direkt am Eingang kann man seine Schuhe in eine schöne Holzbox stellen.

Direkt am Eingang kann man seine Schuhe in eine schöne Holzbox stellen. Foto: Polgesek

Verzicht auf Handys, Tablets, Laptops und kein WLAN

Lutz nimmt sich Zeit für die Gäste. Neben dem Hausschuh-Prinzip gibt es die Regel, in den öffentlichen Bereichen des Hotels auf elektronische Geräte wie Handys, Tablets oder Laptops zu verzichten. In den Hotelzimmern gilt dieses Gebot nicht. Allerdings gibt es dort kein WLAN für die Gäste. Auch Fernseher sind in den Zimmern nirgendwo installiert. Dafür gibt es lange Essenstafeln und feste Essenszeiten. Alle Mahlzeiten sind im Übernachtungspreis enthalten und werden, gemeinsam mit den Angestellten, im Speiseraum eingenommen – morgens um 7.15 Uhr, mittags um 12.45 Uhr und abends um 18.45 Uhr.

Bewusst nur wenige Möglichkeiten zur Ablenkung

„Dadurch kommen die Menschen zwangsläufig wieder in Kontakt, wenn sie zusammen essen, es gibt wenig Möglichkeiten, sich abzulenken“, erklärt Lutz. „Das wird von unseren Gästen als sehr heilsam wahrgenommen.“

Kein Handy, feste Essenszeiten, Hausschuhe – funktioniert das? „Zu 100 Prozent“, versichert Lutz. Als das Upleven anfangs noch über Buchungsportale wie booking.com reserviert werden konnte, habe es aber Irritationen gegeben. Mittlerweile lässt sich das Upleven nur noch über die Firmenseite buchen. „So haben wir unsere Kommunikation in der Hand, können so darauf hinweisen, was unsere Gebote sind. Und wir nehmen uns beim Einchecken viel Zeit für den Gast, um auf die Gebote hinzuweisen.“

Die spartanische Einrichtung der Zimmer soll ein Rückzugsort sein aus der hektischen und lauten Welt.

Die spartanische Einrichtung der Zimmer soll ein Rückzugsort sein aus der hektischen und lauten Welt. Foto: Polgesek

Gäste buchen das Hotel wegen seines besonderen Konzepts. „Viele legen ihr Handy sogar freiwillig in den Hotelsafe, weil es auf den Zimmern keine Safes gibt“, erzählt Lutz. Erwartet werde das aber nicht.

Upleven will keine Lehre vorgeben

In der Hotelbibliothek mit Nordseeblick im Erdgeschoss stehen religiöse Bücher aus dem evangelischen und katholischen, buddhistischen und hinduistischen Glauben nebeneinander. „Unser Konzept ist neutral“, sagt Lutz, „wir geben keine Lehre vor.“ Dadurch erreiche das Haus ein sehr breites Publikum.

Auf dem Parkplatz stehen die Autos der Gäste. Vom Porsche bis zum betagten Kleinstwagen ist alles vertreten. „Oft begrüßen wir Menschen, die schon ganz lange auf dem spirituellen Weg sind und gar nicht so viel Wert auf Materielles legen“, sagt Lutz. Menschen, die den Ort schätzen, wo sie ihre spirituelle Praxis mit Meditation ausleben und intensivieren können.

Aber auch Menschen, die besser durch den Alltag kommen wollen, weil sie beruflich viel Stress haben, buchen im Upleven ein Zimmer. „Vielen geht es erst mal um Stressabbau, da passt das Bild des gestressten Managers aus der Großstadt.“

Bewusstsein für Handy-Verzicht gestiegen

Was den Hotelleiter immer wieder überrascht, sind „sehr viele junge Gäste Anfang 20, die wissen, dass sie Zeit für sich brauchen, Zeit ohne Handys“.

Hoteldirektor Sebastian Lutz steht hinter dem Upleven-Konzept in Wremen. Die Produkte, die im Hotel als Erinnerungsstücke verkauft werden, stammen aus nachhaltiger Produktion.

Hoteldirektor Sebastian Lutz steht hinter dem Upleven-Konzept in Wremen. Die Produkte, die im Hotel als Erinnerungsstücke verkauft werden, stammen aus nachhaltiger Produktion. Foto: Polgesek

Im Upleven ermutigt das Team den Gast ausdrücklich dazu, für die Welt draußen einmal unerreichbar und nur für sich selbst da zu sein. Ein Prinzip, um das es auch beim sogenannten Silent Travel geht. Zu dem Reisetrend gehört der stille Rückzug genauso wie der Verzicht auf digitale Medien oder Wandern, ohne dabei zu sprechen. Fester Bestandteil des Tagesablaufs im Upleven sind sechs gemeinsame halbstündige Meditationen. Alle Hotelgäste sind hier willkommen. Zu diesen Zeiten ist es im ganzen Haus besonders still. Ansonsten gibt es Inseln zum Schweigen und Reden.

Auf dem Hotelzimmer liegt für jeden Gast ein roter Gurt, das sogenannte Schweigeband. Wer es trägt, signalisiert allen anderen Menschen im Upleven, dass er weder angesprochen werden noch selbst sprechen möchte, erklärt Lutz.

Der 42-Jährige ist selbst Seiteneinsteiger in der Hotelbranche. Er stammt aus der Nähe von Frankfurt am Main. 15 Jahre lang habe er als DJ gearbeitet, später im Vertrieb und im Marketing für Modemarken. Als er 2021 mit seiner Frau von München nach Wremen zog, war er bereits mit Meditationspraktiken vertraut. Dass dieses weiße Hotel auf dem Nordseedeich sich genau darauf spezialisiert hatte, habe ihm das Ankommen erleichtert. Anfangs nahm er an Gruppenmeditationen teil, später leitete er einige Seminare.

Trinkbecher, Handtücher und Klopapier für alle

Vor anderthalb Jahren wurde der Vater einer kleinen Tochter Mitarbeiter im Upleven; seit Sommer leitet er das Haus. „Manchmal“, sagt er und schmunzelt, „klingt das immer noch surreal für mich.“

In einem Regal am Empfang stehen hübsche Trinkbecher. Jeder Gast erhält zu Beginn für die Dauer seines Aufenthaltes einen solchen Becher, mit dem er sich an den Trinkstationen im Haus bedienen kann. Schon das ist eher untypisch für einen klassischen Hotelbetrieb. Noch ungewöhnlicher sind Hinweise auf den Zimmern, wo der Gast Toilettenpapier, Handtücher oder Reinigungsgeräte findet. Denn für die Sauberkeit im Zimmer ist jeder selbst verantwortlich. So ungewöhnlich wie jetzt war das Hotel nicht immer. 2008 hatte das Haus unter dem Namen Deichgraf als 4,5-Sterne-Plus-Hotel eröffnet.

2018 stellte die Eigentümergesellschaft ihren Geschäftsbetrieb ein, die Hotelkette Upstalsboom, die das Hotel bislang mit einem sogenannten Managementvertrag geführt hatte, übernahm das Haus zur Pacht. Upstalsboom-Eigentümer Bodo Janssen veränderte das Konzept grundlegend.

Der Luxus von einst wird heute noch an der Größe der Hotelzimmer deutlich. „Hätten wir neu gebaut, wären die Zimmer deutlich kleiner konzipiert worden“, sagt Lutz. Und die edle schwarze Duschverkleidung im Badezimmer hätte es wohl auch nicht gegeben.

Mit dem Konzeptwandel verschwand auch das À-la-carte-Restaurant, in dem auch Einheimische gern speisten. Heute besteht das Essen aus einer Mahlzeit für alle. Es wird ausnahmslos vegetarisch und vegan sowie saisonal und regional zubereitet.

Neues Konzept nährt Gerüchteküche im Dorf

Für Einheimische wirkt das Upleven mit seinen geschlossenen Türen oft wie ausgestorben. Seit Jahren sorgt das Konzept für Tuscheleien im Dorf.

„Wir nehmen die Fragezeichen wahr und geben gern Auskunft“, sagt Lutz. Langsam reifen Ideen, wie man den Einheimischen einen Einblick in das Upleven gewähren kann, ohne das Konzept und den Ablauf für Hotelgäste zu stören.

Lutz denkt an ein Angebot, das Besuchern sowohl einen Einblick in die Küche als auch in das Meditieren im Haus ermöglicht. Niedrigschwellig soll es sein. „Wir wollen nicht so wirken, als würden wir die Menschen ausschließen wollen.“

Weitere Artikel