TTatortreiniger: Die Realität ist ganz anders als die NDR-Comedyserie

Schauspieler Bjarne Mädel wischt in der Comedy-Serie „Der Tatortreiniger“ den Boden. „Die Realität“, sagt ein echter Reiniger, „sieht anders aus“. Foto: Maja Hitij/dpa
Er kommt, wenn alles vorbei ist. Cevin Ludwig Schröder ist Tatortreiniger und beschäftigt sich den ganzen Tag mit dem, womit Menschen normalerweise nichts zu tun haben wollen. Er beseitigt Spuren des Todes - und musste selbst lernen, damit umzugehen.
Bremerhaven. Eine Leiche wird gefunden - nach einem Verbrechen, nach einem Unfall oder einfach nur am Ende eines Lebens. Cevin Schröder wird meist erst dann gerufen, wenn der Zeitpunkt des Todes schon einige Zeit zurückliegt und der Ort des Geschehens gereinigt werden muss.
„In den seltensten Fällen geht es um ein Verbrechen“, sagt Schröder. „Viel häufiger ist Einsamkeit mein Thema. Dass jemand stirbt, ohne dass es auffällt, und in seiner Wohnung liegenbleibt.“ Schröder ist Gebäudereiniger von Beruf - spezialisiert auf „Tatorte“. Immer, wenn ein Verstorbener entdeckt werde, sei der Fundort so lange auch ein Tatort, bis geklärt sei, was vorgefallen ist.
Cevin Schröder ist in ganz Norddeutschland unterwegs
Die spezialisierten Gebäudereiniger werden meist von Vermietern, Hausverwaltungen, Angehörigen oder auch vom Nachlassgericht beauftragt, wie Schröder erklärt. Sein Unternehmen mit Sitz in Delmenhorst ist in ganz Norddeutschland im Einsatz. „Zwei, drei Mal“, schätzt er, geht seine Fahrt im Jahr nach Bremerhaven. Zum Gesprächstermin kommt er gerade von einem „Tatort“ - einem tödlichen Arbeitsunfall. Mehr sagt er nicht, will er nicht sagen.
„Mein Job ist der, den niemand machen möchte.“ Aber er mag ihn. „Ich komme erst, wenn der Bestatter dagewesen ist.“ So könne die Geschichte hinter den Überresten abstrakt bleiben und belaste ihn nicht.

Nie ohne Schutzanzug und Atemmaske: Tatortreiniger Cevin Ludwig Schröder bei der Arbeit. Foto: privat
Er arbeitet nie ohne Schutzanzug und Atemfilter
Der 36-Jährige arbeitet nie ohne Schutzanzug und Atemfilter, „nach zehn Stunden bist Du fix und fertig“, sagt er. Tatortreiniger müssen auch körperlich fit sein. Er stelle keine Fragen, was geschehen ist, erklärt Schröder einen Grundsatz seiner Arbeit. Denn die Antworten könnten ihn belasten, fürchtet er. „Ich möchte auf keinen Fall ein Bild der Person haben, deren Blut ich gerade wegwische.“ „Kein Mitleid“, sagt er, „ich will abends schlafen können.“
Blutspuren aus Teppichboden zu beseitigen, sei beinahe unmöglich, „verfärbt sich immer wieder“. Der Tatortreiniger schätzt PVC-Böden. Weil sie leicht zu putzen seien und nichts durchließen. An einer Hochhaus-Fassade hat Schröder schon Blutspuren beseitigt, er stemmt Estrich raus, kratzt Tapeten von den Wänden. Er reinigt Unfallorte, saniert Tatorte, neutralisiert Gerüche.
Mit speziellen Reinigungsmitteln und -methoden entfernen er und sein Mitarbeiter Körperflüssigkeiten, Gewebe, Blut. Wie aufwendig die Reinigung ist, hängt Schröder zufolge vor allem davon ab, wie lange der Schauplatz verschlossen war - für polizeiliche Ermittlungen gesperrt oder auch nur lang unentdeckt.
„Wenn Leichenflüssigkeit und Blut schon tief eingezogen sind, dann muss der Boden in der Regel entfernt werden, zum Teil auch die Decken, Wände, Holztüren und -fenster.“ Den Geruch einer Leiche herauszubekommen, könne Wochen dauern, manchmal Monate.
Eine Behandlung mit einem Ozongenerator helfe, die Luft im Raum zu reinigen, jedoch nicht die Ursache. „Aber man bekommt eigentlich jeden Tatort irgendwie wieder hin“, sagt er.
Bundesverband: Diese Arbeit erfordert besondere Qualitäten
Tatortreiniger ist kein Ausbildungsberuf oder geschützter Begriff, jeder kann sich so nennen. „Das ist in unseren Augen ein Problem“, sagt Christopher Lück vom Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks. Der Beruf sei menschlich und inhaltlich sehr sensibel, „das erfordert professionelle Qualität“ mit Kenntnissen von Hygiene oder Desinfektion.
Unternehmen, die sich auf Tatortreinigung spezialisieren, besuchten einschlägige Seminare und Fortbildungen. Cevin Schröder hat das getan, auch wenn er nicht der Innung angehört. „Es gibt so viele Anbieter“, stöhnt der 36-Jährige gar über Konkurrenzdruck.

Der Schauspieler Bjarne Mädel steht als Heiko „Schotty“ Schotte in Hamburg Kirchwerder während eines Fototermins am Set von „Der Tatortreiniger“. Foto: dpa
Seit der NDR sieben Jahre lang mit einer Comedy-Serie um den Tatortreiniger „Schotty“ Erfolge feierte, „will das jeder machen“, sagt Schröder. „Aber in den Filmen riecht man nichts. Die Realität ist anders.“ Wie der Tod riecht? „Süßlich..., nicht gut..., und Blut nach Eisen.“
Kollege zieht einen merkwürdigen Vergleich
Getrocknetes Blut fühle sich an wie das Watt in der Nordsee – dick und schmierig, hat einmal ein Branchenkollege von Schröder gesagt. Er selbst hält sich mit derartigen Äußerungen zurück. Ihn erschüttert mehr die Räumung einer Wohnung vor wenigen Tagen, deren Bewohner darin anderthalb Jahre vorher verstorben sein muss. „Hat niemand bemerkt.“
Die Angehörigen hätten ihn jetzt bestellt, aber häufig seien es auch Nachlassgerichte. Mit der Begleitung von Polizisten dürfe er dann seiner Arbeit nachgehen, eine halbe Stunde lang sauber machen und desinfizieren. „Danach wird die Wohnung versiegelt, bis Erben gefunden sind“, sagt Schröder. Gibt es keine, kommt er zum Entrümpeln wieder, „ein Jahr kann da vergehen“. Wenn er dann „ein ganzes Leben in den Müll“ entsorge, begleite ihn häufig der Gedanke an das eigene Ende. „Ich habe eine Frau und fünf Kinder“, sagt er, „da wird hoffentlich jemand bemerken, wenn ich mal sterbe.“