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Container-Sammlung

TTextilverwerter aus der Region warnt vor Altkleider-Krise

Auch Stofftiere sind weltweit eine gefragte Handelsware: Geschäftsführer Stefan Voigt, stellvertretender Geschäftsführer von East-West Textilrecycling, steht im Lager in Debstedt, in dem mehr als 440 Sorten Altkleider zum Verkauf bereitliegen

Auch Stofftiere sind weltweit eine gefragte Handelsware: Geschäftsführer Stefan Voigt, stellvertretender Geschäftsführer von East-West Textilrecycling, steht im Lager in Debstedt, in dem mehr als 440 Sorten Altkleider zum Verkauf bereitliegen Foto: Dahlmann-Aulike

Die Altkleider-Container von East-West Textilrecycling Kursun stehen an vielen Orten im Landkreis Stade. Wie zuvor die DLRG, berichtet auch der stellvertretende Geschäftsführer über massive Probleme.

Von Eva Dahlmann-Aulike Donnerstag, 10.07.2025, 05:50 Uhr

Landkreis Cuxhaven. Seit Anfang des Jahres gilt die EU-Vorgabe zur getrennten Sammlung von Textilabfällen. Sie hat Auswirkungen auf die Textilrecycling-Branche. Denn: Viele Kommunen hätten ihren Bürgern mitgeteilt, dass ab Januar alle Alttextilien in Altkleider-Containern entsorgt werden sollen, berichtet Stefan Voigt, stellvertretender Geschäftsführer von East-West Textilrecycling Kursun aus Debstedt. Er ist auch Vorsitzender des Fachverbandes Textilrecycling des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung. Doch das sei falsch: „Altkleider-Container sind für gut erhaltene Kleidung und Textilien gedacht, nicht für textile Abfälle.“

Kommunen nicht vorbereitet auf neue Vorgaben

Seit Jahren sei ein Trend zu verzeichnen: „Es gibt eine Steigerung der Abfallmengen in den Altkleider-Containern“, sagt Voigt, der im Verband rund 100 Textil-Verwerter vertritt. Überrascht habe ihn jedoch, wie wenig sich die Kommunen mit ihren Entsorgungsverpflichtungen durch die neuen Vorgaben gekümmert hätten.

Er kenne nur eine Kommune, die an den Wertstoff-Sammelplätzen neben Altkleider-Containern auch Container für „Textile Abfälle“ aufgestellt habe. Diese Materialien könnten die Textilverwerter ebenfalls abnehmen, müssten dies aber von den Kommunen bezahlt bekommen.

Was Verbraucher weiterhin in der Restmülltonne entsorgen sollten, seien schmutzige Putzlappen, zerlumpte und verdreckte Kleidung oder auch feuchte Stoffe. So werde verhindert, dass tragbare Kleidung und noch recycelbare Stoffe verschmutzt und damit unbrauchbar würden.

4500 Container hat die Firma East-West Textilrecycling aus Debstedt im Nord- und Mitteldeutschland aufgestellt.

4500 Container hat die Firma East-West Textilrecycling aus Debstedt in Nord- und Mitteldeutschland aufgestellt. Foto: Dahlmann-Aulike

Das eigentliche Problem der Branche sei indes nicht das neue Entsorgungsgesetz: „Es gibt unglaublich viele bekannte Faktoren, das gleichzeitige Zusammentreffen der Faktoren ist das Problem“, sagt Stefan Voigt. „Der Kollaps ist schon da – regional.“ So sei spätestens seit Anfang 2024 zu beobachten, dass die Altkleidersammler ihre Kosten nicht mehr mit den Verwertungserlösen decken könnten. „Wir sehen viele Insolvenzen in der Branche. In vielen Regionen gibt es keine Angebote mehr.“

Woran das liegt? Voigt kann eine ganze Liste von Gründen runterrattern: „Die miese Qualität der Altkleider“, sei einer der Gründe. Die Konsumenten kauften günstige Fast Fashion und Ultrafast Fashion. Diese sei nicht wiederzuverwerten.

Immer schlechtere Qualität und immer mehr Probleme

Auch der Trend, gut erhaltene modische Kleidung auf Plattformen privat zu verkaufen, schmälere die Qualität der gesammelten Ware und die Gewinne. Früher hätten gut 10 Prozent der Altkleider theoretisch auch in einem deutschen Secondhand-Laden wiederverkauft werden können. Heute sein es vielleicht noch 0,6 Prozent.

Dazu komme, dass die Kosten für das Einsammeln, Sortieren und Weiterverkaufen stark gestiegen seien, berichtet Voigt. Durch höhere Lohnkosten, Benzinpreise und Frachtkosten. Die Kosten, einen Container nach Afrika zu schaffen, hätten sich gar verdoppelt. Wenn im Israel-Iran-Konflikt die Straße von Hormus gesperrt werde, wirke sich das weltweit auf jedes Transportgut aus.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine habe den osteuropäischen Absatzmarkt zerstört: Von Kleidung über Winterschuhe bis Skianzüge habe East-West ein breites Sortiment nach Russland, in die Ukraine, nach Kasachstan, Usbekistan, Aserbaidschan oder Georgien geliefert. Die belieferten Läden hätten geschlossen, teilweise sei auch hier der Transport sehr viel teurer geworden.

Kleinballen mit 45 Kilogramm sortierter Ware gehen nach Afrika. In dieser Größe können sie noch von Einzelpersonen transportiert werden.

Kleinballen mit 45 Kilogramm sortierter Ware gehen nach Afrika. In dieser Größe können sie noch von Einzelpersonen transportiert werden. Foto: Dahlmann-Aulike

Auf dem afrikanischen Markt gebe es Probleme mit den Chinesen. Wo bisher gerne Alttextilien aus Naturstoffen aus Europa gekauft worden seien, hätten sie politischen Einfluss genommen und Einfuhrstopps erwirkt, um eigene Neuware absetzen zu können.

Und schließlich gebe es in der Branche ein Problem mit dem Geldfluss. Während die Textilverwerter in Europa ihre Kosten sofort begleichen müssten, könnten die Kunden in den Abnehmerländern oft erst zahlen, wenn die Ware verkauft sei. Teilzahlungen oder gar durch Banken abgesicherte Geschäfte seien in der Branche unüblich. Immer wieder gebe es Schwierigkeiten, Geld über das internationale SWIFT-System zu transferieren. So würden manche Rechnungen erst nach einem Jahr beglichen.

Zügige Gesetzgebung und Umdenken gefordert

So vielfältig wie die Probleme der Altkleider-Branche, die für 2025 mit circa 1,5 Millionen Tonnen Alttextilien rechnet, so vielfältig sind auch die Lösungsansätze. Die Politik müsse die EU-Vorgaben schnell in ein praktikables Gesetz umsetzen. Die Kommunen müssten Verantwortung für die Textilabfallentsorgung übernehmen und die Unternehmen dafür bezahlen. „Wir müssen die junge Generation sensibilisieren, nachhaltig zu kaufen. Der Massenkonsum ist ein gesellschaftliches Problem“, sagt Voigt. „Wir als Branche fordern, dass Textilien recyclefähig sein sollen. Gewünscht ist, dass aus dem Material wieder Kleidung wird.“

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