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Cuxhaven

TExplodierende Hundesteuer: Ein Promi setzt sich zur Wehr

Vorsitzende des Tierheims Cuxhaven Birgit Block befürchtet, dass Hunden wie Ignaz mit dem Stempel „gefährlich“ jede Chance auf ein neues Zuhause genommen wird.

Vorsitzende des Tierheims Cuxhaven Birgit Block befürchtet, dass Hunden wie Ignaz mit dem Stempel „gefährlich“ jede Chance auf ein neues Zuhause genommen wird. Foto: Privat

Vier Hunderassen und ihre Mischlinge gelten im Stader Nachbarkreis ab Januar grundsätzlich als gefährlich – egal, ob sie es sind oder nicht. Die Hundesteuer explodiert. Ein Promi ruft jetzt zum Widerstand.

Von Katja Gallas Sonntag, 14.01.2024, 08:30 Uhr

Cuxhaven. „Das ist an Frechheit und Dreistigkeit der Stadt Cuxhaven nicht zu überbieten.“ Worüber regt sich Cuxhavens wohl bekanntester Promi Jochen Bendel in den sozialen Medien tierisch auf? 960 Euro Hundesteuer sollen Besitzer von Bullterriern, Pitbull-Terriern, American Staffordshire Terriern und Staffordshire Bullterriern und Mischlinge mit diesen Rassen ab sofort in Cuxhaven berappen.

Ihre Lieblinge gelten nun grundsätzlich als „Gefährlicher Hund“. Ohne Vorwarnung und Umstellungsfrist ist die Steuer damit mal eben knapp verzehnfacht worden. Daran kann in Cuxhaven nicht mal ein Wesenstest rütteln, bei dem untersucht wird, ob ein Hund sozialverträglich ist. Bisher galten Hunde nur dann als gefährlich, wenn sie entsprechend aufgefallen sind.

Menschen im Netz reagieren mit Unverständnis

Der Rat habe entsprechende Änderungen beschlossen, denen die Verwaltung nachkommen muss, teilt Cuxhavens Stadtsprecher Marcel Kolbenstetter mit. Außerdem verweist er darauf, dass unter anderem die Gemeinde Wingst im Landkreis Cuxhaven sowie die Landeshauptstadt Hannover vergleichbar vorgehen.

Und das Netz reagiert mit Unverständnis. Über 1500 Kommentare und knapp 10.000 Likes sammelt allein das erste von mehreren Videos, das über 600.000 Mal aufgerufen wurde. Seine Petition wiegt über 10.000 Unterschriften schwer.

Moderator und Hundeprofi Jochen Bendel hat den American Staffordshire Terrier Snoopy aus dem Tierheim Cuxhaven adoptiert.

Moderator und Hundeprofi Jochen Bendel hat den American Staffordshire Terrier Snoopy aus dem Tierheim Cuxhaven adoptiert. Foto: Privat

„Das ist eine Diskriminierung!“

Der Moderator („Ruck Zuck“, „Big Brother“, „Haustier sucht Herz“) zog im April 2020 aus München gemeinsam mit seinem Ehemann, dem Sozialpädagogen Matthias Pridöhl nach Cuxhaven in Niedersachsen – auch, weil es das Bundesland mit einer der modernsten Hundeverordnungen ist. Dass ihre Wahlheimat jetzt solch eine Rolle rückwärts vollzieht, ist für beide kaum zu fassen. Bendel und Pridöhl sind Hundetrainer und haben erst kürzlich den American Staffordshire Snoopy aus dem Tierheim Cuxhaven adoptiert.

„Das ist Diskriminierung und ein Rückschritt in die 1990er!“, wettert Bendel, der auch zertifizierter Hundetrainer und im Beirat des Vereins „Institut Forschung Listenhunde“ aktiv ist. Die finanzielle Mehrbelastung bringe einige Hundebesitzer an den Rand einer Katastrophe. Doch bei der Entscheidung des Stadtrats gehe es nicht nur um Geld, um persönliche Schicksale. Es gehe auch um wissenschaftlich nicht haltbare Vorverurteilung bestimmter Rassen.

Cuxhavener Entscheidung: „Ein Rückschritt in die 1990er“

„2024 braucht keiner mehr eine Rasseliste!“, sagt Bendel mit Nachdruck. Genetik sei kein Beweis für Aggressivität. Keine Beißstatistik gebe den Hinweis darauf, dass sogenannte Listenhunde mehr beißen als andere. „Wie sagt meine Schwiegermutter so schön: ‚Hunde beißen, egal welche Rasse.‘ Es kommt auf das Umfeld an, in dem sie aufwachsen.“

Dem berechtigten Sicherheitsbedürfnis der Bürger wird solch eine Liste also nicht gerecht. Es sei vollkommen richtig, dass auffällig gewordene Hunde mit einer höheren Steuer und Auflagen belegt werden. Doch willkürlich irgendwelche „gewürfelten Hunderassen“ zu verhaften? Das ergebe keinen Sinn. Seiner Meinung nach kann es für diese Entscheidung nur einen Grund geben: Geld. Hundesteuer ist nicht zweckgebunden. Soll damit womöglich die klamme Haushaltskasse aufgefüllt werden?

„Wenn ein Labrador bellt, ist das nicht schlimm, wenn ein Staffordshire bellt schon.“ Katharina Korff fürchtet noch mehr Vorverurteilung ihrer Hündin Tara.

„Wenn ein Labrador bellt, ist das nicht schlimm, wenn ein Staffordshire bellt schon.“ Katharina Korff fürchtet noch mehr Vorverurteilung ihrer Hündin Tara. Foto: Privat

Anpassung könnte teuer für die Stadt werden

Doch der Schuss könnte gewaltig nach hinten losgehen. „Das ist auch für den Tierschutz ein Schlag ins Gesicht“, sagt Birgit Block, Vorsitzende des Cuxhavener Tierheims, „wir haben zwei Hunde im Tierheim, die jetzt so gut wie nie mehr die Chance auf ein neues Zuhause, ein eigenes Körbchen bekommen.“

Finanziell überforderte Hundehalter werden versuchen, ihre Tiere loszuwerden, auf die eine oder andere Art, malt sie ein düsteres Bild. Auch im Tierheim rechnet sie mit Zulauf, das ohnehin am Rand der Kapazitäten läuft.

Solch ein Hund kostet im Jahr 5000 bis 6000 Euro, berichtet Block. „Und letztlich müssen Städte und Gemeinden für diese Hunde aufkommen. Da hat doch niemand was gewonnen. Ganz im Gegenteil – alle verlieren!“

Tränen am Telefon – Hundebesitzer sind verzweifelt

Die Hunde – aber auch ihre Besitzer. „Sie rennen uns das Büro ein, sind verzweifelt, haben Panik. Menschen rufend weinend an, weil sie mit dem Steuerbescheid völlig überfordert sind“, berichtet Block. Haben sie einen Mischling angemeldet, müssen sie nun enthaltene Rassen melden. „Wenn nur ein Funken Staffordshire drinsteckt, werden knapp 1000 Euro fällig“, sagt Block. Und selbst ein Wesenstest, der nachweist, dass dein Hund ungefährlich ist, ändere nichts daran. „Das stimmt uns einfach unsagbar traurig.“

Davon ist auch Tierheim-Mitarbeiterin Katharina Korff betroffen. Aus der Zeitung erfährt sie, welch ein Stempel ihrer American-Staffordshire-Terrier Hündin Tara nun aufgedrückt wird. „Ich war geschockt. Ich hab‘ nicht im Traum darüber nachgedacht, dass das hier passieren könnte.“

In Cuxhaven wähnt sie sich in Sicherheit

Mehrfach hat sie schon vor drei Jahren bei der Stadtverwaltung angerufen. Immer wieder wird ihr eines vergewissert: Ein Hund gilt in Cuxhaven erst dann als gefährlich, wenn er gefährlich aufgefallen ist. „Nur deswegen hab‘ ich mich überhaupt erst dazu entschieden, Tara aus dem Tierschutz zu mir zu holen.“ Doch seit dem 1. Januar sei ihr Hund vorverurteilt.

Damit einher gehe eine „krasse finanzielle Belastung“. Die Steuer wird vierteljährlich abgebucht. Das erste Mal im Februar. Statt einiger Euro fehlen jetzt auf einen Schlag über 200.

„Das ist einfach Wahnsinn. Aber am meisten tut mir persönlich diese Verurteilung weh. Dass mein Hund jetzt als gefährlich gilt und man das nicht widerlegen kann. Tara liebt Menschen über alles. Das tut weh“, sagt sie verzweifelt.

Das sagt die Stadt zu den Reaktionen

Wie geht‘s jetzt weiter? Das Tierheim befinde sich in Gesprächen mit der Stadt, sagt Birgit Block. Am Mittwoch legte Jochen Bendel im Rathaus seine Petition vor. „Ich bin gerne bereit, die besten Experten in die Stadt zu holen, damit wir uns alle mal an einen Tisch setzen und auf den aktuellen Stand bringen können“, bietet Bendel an. Danach könne es keine andere Entscheidung geben, als den Beschluss zurückzunehmen. „Damit würde Cuxhaven wirklich Größe zeigen.“

Und was sagt die Stadt Cuxhaven? Man habe die Diskussionen in den sozialen Medien zur Kenntnis genommen und Gespräche zwischen der Kommunalpolitik, Vertreterinnen und Vertretern von betroffenen Hundebesitzern sowie der Verwaltung aufgenommen, teilt Sprecher Marcel Kolbenstetter mit. Ein Ergebnis könne er jedoch bis jetzt nicht nennen.

Vorsitzende des Tierheims Cuxhaven Birgit Block befürchtet, dass Hunden wie Ignaz mit dem Stempel „gefährlich“ jede Chance auf ein neues Zuhause genommen wird.

Vorsitzende des Tierheims Cuxhaven Birgit Block befürchtet, dass Hunden wie Ignaz mit dem Stempel „gefährlich“ jede Chance auf ein neues Zuhause genommen wird. Foto: Privat

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