Zähl Pixel
Gesundheitswesen

TWarum Patienten im Krankenhaus immer öfter auf die Körperpflege warten müssen

Das Pflegepersonal habe kaum noch Zeit für die Körperpflege der Patienten, sagt Gesundheitsexperte Professor Dr. Lars Timm von der Hochschule Fresenius.

Das Pflegepersonal habe kaum noch Zeit für die Körperpflege der Patienten, sagt Gesundheitsexperte Professor Dr. Lars Timm von der Hochschule Fresenius. Foto: Marijan Murat/dpa

Der Patient klingelt, aber es kommt lange niemand: Das Pflegepersonal hat kaum noch Zeit für die Körperpflege der Patienten. Gesundheitsexperte Lars Timm, ehemaliger Krankenhausdirektor der Ameos-Kliniken in Bremerhaven, erklärt, woran das liegt.

Von Denise von der Ahé Samstag, 25.11.2023, 08:50 Uhr

Bremerhaven. Klingeln, aber es kommt niemand. Keine Hilfe beim Essen, obwohl man allein nicht mehr an den Teller kommt. Stundenlanges Liegen in den eigenen Exkrementen, bis es irgendwann Angehörigen auffällt. Werden Patienten immer mehr in Deutschlands Krankenhäusern vernachlässigt, weil das Personal fehlt?

„Das Pflegepersonal hat kaum noch Zeit für die Körperpflege der Patienten“, sagt der Gesundheitswissenschaftler der privaten Hochschule Fresenius, Professor Dr. Lars Timm, ehemaliger Krankenhausdirektor der Ameos-Kliniken in Bremerhaven, der Nordsee-Zeitung. „Wir beobachten bedauerlicherweise, dass die Abgänge von hochkompetentem Pflegepersonal zunehmen und nur wenige junge Leute den Pflegeberuf erlernen wollen.“ 2021 schlossen noch mehr als 56.000 angehende Pflegekräfte einen Azubi-Vertrag mit deutschen Krankenhäusern, ein Jahr später sank die Zahl bereits um sieben Prozent.

Das sollten Angehörige bei der Auswahl der Klinik beachten

„Die Lücke wird durch den demografischen Wandel zusehends dramatischer“, sagt Timm. „Der Fachkräftemangel verschärft sich, weil sich die Modalitäten der Vergütungssysteme im Krankenhaus verändert haben. Servicekräfte werden nicht mehr als Pflegekräfte anerkannt, obwohl sie ja die Pflege entlasten. Die Folge ist, dass viele Pflegefachkräfte wieder niedrigschwellige Aufgaben selbst wahrnehmen müssen. Insofern kann es sein, dass pflegerische Leistungen zugunsten von Servicetätigkeiten, etwa Essen verteilen und aufräumen, nur verzögert wahrgenommen werden können.“

Timm rät Angehörigen, sich bei der Auswahl der Kliniken genau zu erkundigen, ob die Qualität der Krankenhausleistungen stimmig ist. „Es ist sinnvoll, sich eine Zweitmeinung einzuholen“, sagt der Professor für Gesundheitsmanagement, der als Krankenhausmanager zuvor über viele Jahre bei mehreren privaten Krankenhausträgern Einblick in die Führung von Kliniken hatte. „Haus- und Fachärzte sind meist sehr gut informiert, welches Krankenhaus eine gute Qualität für die jeweilige Behandlung bietet“, sagt Timm.

Versorgungslage durch Klinikschließung gefährdet?

Timm kennt die Bremerhavener Krankenhauslandschaft durch seine langjährige Tätigkeit vor Ort. „Die Kliniken müssen zwingend nach spezialisierten Zentren aufgegliedert werden“, sagt er. „Ein Beispiel: Nur ein Klinikum in Bremerhaven führt Gefäßeingriffe durch, das andere Klinikum ausschließlich den künstlichen Einsatz von Gelenken. Derzeit bieten das ja mehrere an. Die Fachabteilungen sollte man bündeln, so können Kliniken effizienter arbeiten, und auch der Patient profitiert davon durch mehr Qualität.“

Eine Konkurrenzsituation der Kliniken untereinander sollte durch eine politisch geregelte und faire Marktveränderung vermieden werden, sagt Timm. Studien hätten belegt, „dass hohe Fallzahlen auch zu hohen Ergebnissen führen. In Dänemark wurde die Zentrenstrategie konsequent umgesetzt. Mit dem Erfolg, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit nach einem Herzinfarkt deutlich höher ist als in Deutschland - mittlerweile auch die Lebenserwartung.“

In Bremen sei mit der geplanten Schließung des Klinikums Links der Weser eine konsequente Entscheidung getroffen worden - im Sinne der Zentrenstrategie. Eine Schließung bedeute nicht das „Aus“ für einen Standort. Es biete sich an, „Regionale Versorgungszentren zu etablieren, um ein Grundangebot mit Haus- und Facharztzentren oder einem Zentrum für ambulante Operationen sicherzustellen. Das Land Niedersachsen hat diese Regionalen Versorgungszentren bereits erfolgreich umgesetzt.“

Weitere Artikel