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Demonstration

TB75: Trettrecker-Protest für Bauern-Zukunft spaltet die Gemüter

Lesen können viele der Kinder die Forderungen auf ihren Trettreckern noch nicht.

Lesen können viele der Kinder die Forderungen auf ihren Trettreckern noch nicht. Foto: Heyne

Trettrecker-Protest: In Scheeßel solidarisierten sich am Wochenende etwa 60 Menschen mit den Protesten der Landwirte. Wie bereits zuvor in Mulsum, scheiden sich auch an der Veranstaltung in Scheeßel die Geister.

Von Ulla Heyne Dienstag, 30.01.2024, 15:10 Uhr

Scheeßel Samstagnachmittag, kurz vor drei. In der Seitenstraße des Combi-Marktes werden Trettrecker von Anhängern geladen. Familien mit Kinderwagen, Bobbycar oder Laufrad streben zu Fuß dem hinteren Teil des Supermarkt-Parkplatzes zu.

Dort parkt schon ein großer Trecker, der den Korso von etwa 20 Kindern - zumeist im Kindergartenalter - anführen wird. Vor zwei Wochen gab es bereits eine ähnliche Aktion in Mulsum.

Kindergartenkinder „demonstrieren“

Dass die im Internet und auf Plakaten in Geschäften, aber auch in Kindergärten angekündigte „Veranstaltung“ als politische Demonstration angemeldet wurde, darüber sind sich die meisten hier bewusst. Warum sie heute mit ihren Kindern hier sind? „Wir stehen hinter den Landwirten“, meint ein Vater, „Die Regierung muss weg“, eine Mutter.

Namentlich genannt werden möchte hier so gut wie niemand. Auf die Frage, ob die Kinder instrumentalisiert werden, meint der Vater einer schätzungsweise vierjährigen Tochter: „Wir haben es unserer Tochter erklärt, worum es geht, und sie selbst entscheiden lassen.“ Michael Freudig aus Scheeßel findet: „Eine tolle Sache, die haben doch Spaß. Gezwungen wird hier keiner.“

Spaß soll im Vordergrund stehen

Den Spaß betont auch Organisatorin Carolin Meinken aus Wittkopsbostel in ihrer kurzen Ansprache: „Wann kann man schon mal mit dem Trettrecker auf der B75 fahren?“ Auch wenn die wenigsten Kinder in einem Alter sind, in dem sie die Plakate an ihren Treckern lesen können, ist sie überzeugt, dass die Kinder verstehen, worum es geht: „Die kriegen doch mit, wenn Papa wegen der Bürokratisierung nie Zeit für sie hat.“

Kritik: „Belohnung fürs Demonstrieren – das geht gar nicht“

Nicht alle, die sich gleich im Tross in Bewegung setzen werden, um auf der abgesperrten Bundesstraße bis zum Beekekreisel und zurückzugehen, solidarisieren sich mit den Landwirten.

Die Einzige, die ihren Protest öffentlich mit Schildern kundtut, ist Corinna Barkholdt. Als die Politiklehrerin, Mutter und „Oma gegen Rechts“die Aufrufe zu der Demo sah, sei sie entsetzt gewesen: „Das widerspricht so ziemlich allem, was wir den Kindern beibringen, um sie zu mündigen Staatsbürgern zu erziehen.“

Das sieht auch Bernd Braumüller so, der seinem Unmut bereits vorher im Netz Luft gemacht hatte. Er rechnet es der Veranstalterin hoch an, dass sie telefonisch den Kontakt suchte, als er darauf aufmerksam machte, dass Plakate ohne Namen des Veranstalters nicht rechtens sind. Sein Hauptkritikpunkt der politischen Vereinnahmung aber bleibt. Rechte Parolen kann er heute nicht entdecken – am großen Trecker, der voranfährt, prangt ein Schild „Bunt statt braun“. Das steht auch auf den Aufklebern, die auf Tapeziertischen bereitliegen. Genau wie die Bleistifte, grünen Westen, Armbänder und Süßigkeiten: eine Belohnung für die Kinder für danach. Auch das stößt Braumüller auf: „Belohnung fürs Demonstrieren – das geht gar nicht.“

All das sei von anderen Veranstaltungen wie Landvolk und LSV (Landwirtschaft schafft Verbindung) gespendet worden, erklärt Veranstalterin Meinken; man habe sich in den vergangenen zwei Wochen gut vernetzt. Auch „überwältigend viel Geld“ sei im Vorfeld gespendet worden. Davon wurde Butterkuchen für die kleinen und großen Teilnehmer gekauft, den Kinderpunsch habe der Combi-Markt beigesteuert.

Am Rand der Menschenversammlung von rund 20 Kindern und doppelt so vielen Erwachsenen stehen fünf Polizisten. Ein Kind kommt zu einer Polizistin gelaufen und fällt ihr in die Arme. „Gehst Du gleich auch mit, Spatz?“ Auf dem Dorf kennt man sich.

„Nicht überall ist unsere Spende willkommen“

Meinken ist mit dem Verlauf der Demonstration zufrieden, allerdings hätte sie sich mehr Teilnehmer gewünscht. Wohin das der Veranstaltung gespendete Geld, das noch übrig ist, gespendet wird, weiß sie bisher nicht: „Nicht überall ist unsere Spende willkommen“, sagt sie in ihrer Ansprache. Beim Kinderhospiz Löwenherz erhielt sie eine Absage, auf die Anfrage, Spendendosen und Flyer zu schicken. „Beeke-Löwe“ Thomas Voß, ebenfalls vor Ort, erklärt, warum: „Löwenherz beteiligt sich grundsätzlich nicht an politischen Aktionen“; auch eine Spende sei aus diesem Grund nicht erwünscht: „Das Hospiz möchte sich nicht instrumentalisieren lassen.“ (ha)

Rund 60 statt der angemeldeten 200 Teilnehmer fahren die Strecke auf der B75 vom Combimarkt bis zum Beeke-Kreisel und zurück.

Rund 60 statt der angemeldeten 200 Teilnehmer fahren die Strecke auf der B75 vom Combimarkt bis zum Beeke-Kreisel und zurück. Foto: Heyne

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