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Zeven

TÜberhängende Äste vom Nachbarn: Wenn der Garten Streitthema ist

Die Bäume auf dem Parkplatz des Zevener Hallenbades machen Friedhelm Grube seit vielen Jahren zu schaffen. Sein Wohnhaus überragen sie um Längen. Äste hängen weit über. Bislang hat er im Rathaus vergebens um Abhilfe ersucht.

Die Bäume auf dem Parkplatz des Zevener Hallenbades machen Friedhelm Grube seit vielen Jahren zu schaffen. Sein Wohnhaus überragen sie um Längen. Äste hängen weit über. Bislang hat er im Rathaus vergebens um Abhilfe ersucht. Foto: Kratzmann

Dass Büsche und Bäume die Grundstücksgrenze überwuchern, hat nicht selten zur Folge, dass sich Nachbarn nicht grün sind. Von ihren Erlebnissen mit Stadt und Samtgemeinde Zeven als ihren Nachbarn berichten Friedhelm Grube und Hans Kist.

Von Thorsten Kratzmann Dienstag, 17.10.2023, 08:00 Uhr

Zeven. Er verletze die Lufthoheit, die die Stadt Zeven im öffentlichen Raum ausübt, weil er Busch und Baum, die von seinem Grundstück an der Kivinanstraße auf Geh- und Radweg austreiben, nicht mit der Säge zu Leibe rückt.

Diese Luftraumverletzung, wie Hans Kist sein Vergehen nennt, ist ihn teuer zu stehen gekommen: 300 Euro Zwangsgeld plus Gebühr hat er überwiesen. Weitere 750 Euro sind ihm angedroht, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung vor Kists Grundstück wieder herzustellen.

Zwölf Meter hohe Bäume an der Grundstücksgrenze

Die Eheleute Friedhelm und Margrit Grube überlegen dieser Tage, ob sie sich am Vorgehen der Stadtverwaltung ein Beispiel nehmen. Sie stehen 500 Meter Luftlinie von Hans Kist entfernt im Garten hinter ihrem Haus an der Kanalstraße und legen den Kopf in den Nacken, um bis zur Spitze der Bäume zu blicken, die an der Grenze auf des Nachbarn Grundstück in den Himmel und weit auf fremdes Terrain ragen.

Die Nachbarin ist die Samtgemeinde Zeven. Die Bäume, mehrere Hainbuchen und eine kapitale Birke, wachsen am Rande des Hallenbad-Parkplatzes. Augenscheinlich zu dicht, müssten sie doch von Gesetzes wegen einige Meter Abstand halten.

Hans Kist hat Busch und Strauch entlang der Grundstücksgrenze zum breiten Geh- und Radweg zurückgebunden. Überhängende Zweige haben vor Jahren zu einer Auseinandersetzung mit der Stadtverwaltung geführt und ihm seither regelmäßige Kontrollen, viel Post und einige Rechnungen beschert.

Hans Kist hat Busch und Strauch entlang der Grundstücksgrenze zum breiten Geh- und Radweg zurückgebunden. Überhängende Zweige haben vor Jahren zu einer Auseinandersetzung mit der Stadtverwaltung geführt und ihm seither regelmäßige Kontrollen, viel Post und einige Rechnungen beschert. Foto: Kratzmann

Die Grubes beteuern im Angesicht ihrer Enkelin, Naturfreunde zu sein, um die Bedeutung von Laubbäumen in Zeiten des Klimawandels zu wissen. Aber - was zu viel ist, das ist zu viel. Schließlich machen die Äste an der Grundstücksgrenze nicht halt. Jahr um Jahr hat Friedhelm Grube abgeschnitten, wo er rankam. „Aber es wird immer mehr und man wird älter“, sagt der 79-Jährige und beklagt sich.

Die bis zwölf Meter hohe Bäume stehen im Südwesten. Der Garten liegt im Schatten. Die Bäume saugen den Pflanzen in Grubes Beeten das Wasser ab. Die Birkensamen machen das Wäscheaufhängen zum Ärgernis. Blätter und Samen sorgen dafür, dass Friedhelm Grube „laufend“ die Leiter anstellen muss, um die Dachrinnen zu reinigen. Einen lauen Spätsommerabend auf der Terrasse zu verbringen, ist den Eheleuten lange kein Genuss mehr. Und dann kommt im Herbst noch der jeden Tag aufs Neue über Rasen und Terrasse gelegte Blätterteppich.

Termine im Rathaus verlaufen ergebnislos

Es ist schon einige Jahre her, dass der Hausherr auf Abhilfe sann. Er sprach im Rathaus bei Claus Vollmer vor. Der längst pensionierte Naturschutzbeauftragte der Samtgemeinde habe, so zitiert ihn Friedhelm Grube, „keinen Handlungsbedarf“ erkannt. Der Bürger verließ die Amtsstube unverrichteter Dinge, legte die Angelegenheit beiseite und übte sich wie bislang in Selbsthilfe.

Doch innere Ruhe wollte und wollte sich nicht einstellen. Und so unternahm der Rentner einen neuen Anlauf. Er wurde bei Vollmers Nachfolger Mathias Holsten vorstellig und bat um Rückschnitt der Bäume. Holsten habe sich ein Bild gemacht und den Einsatz des Bauhofes angekündigt. „Passiert ist nichts“, stellt Friedhelm Grube trocken fest.

Die Bäume unmittelbar hinter der Grundstücksgrenze auf dem Hallenbadparkplatz möchten die Eheleute Grube als Nachbar beschnitten wissen.

Die Bäume unmittelbar hinter der Grundstücksgrenze auf dem Hallenbadparkplatz möchten die Eheleute Grube als Nachbar beschnitten wissen. Foto: Kratzmann

Daraufhin habe er bei Samtgemeindebürgermeister und Stadtdirektor Henning Fricke angerufen und ihm sein Leid geklagt. Fricke habe ihm versprochen, die Sache mit Mathias Holsten klären zu wollen. Doch bislang ist dem Wort keine Tat gefolgt.

Und so stehen Friedhelm und Margrit Grube im Herbst 2023 im Garten und blicken auf Äste, die mehrere Meter über die Grundstücksgrenze hängen, sie blicken auf Blätter und Samen, die den Rasen decken, und sie werden ungnädig.

Eibe, Mohn und Kletterrose sollen weg

Derweil ist die Stadtverwaltung im Falle von Kists Grenzverletzung nicht untätig. Mit Schreiben vom 6. September droht sie wiederum mit der Verhängung eines Zwangsgeldes. Eine Kletterrose gefährdet im Sinne der Gefahrenabwehrverordnung nach wie vor die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf etwa drei Meter an der Kivinanstraße. Das Ehepaar Kist und die zuständigen Mitarbeiter im Ordnungsamt des Zevener Rathauses sind seit rund zwei Jahren nicht gut aufeinander zu sprechen.

Am Nikolaustag 2021 stellte sich Knecht Ruprecht in Gestalt eines Bauhofmitarbeiters vor dem Hause Kist ein und schmiss die Säge an. Eine unter Naturschutz stehende Eibe war im Nu haarscharf an der Grundstücksgrenze abrasiert. „Unsachgemäß“ urteilt Kist und präsentiert Fotos des misshandelten Baums.

Insbesondere Birkenblätter und die Samen der Hainbuchen (Foto) machen Friedhelm und Magrit Grube zu schaffen und erfordern in diesen Wochen in kurzen Abständen die Reinigung der Dachrinnen.

Insbesondere Birkenblätter und die Samen der Hainbuchen (Foto) machen Friedhelm und Magrit Grube zu schaffen und erfordern in diesen Wochen in kurzen Abständen die Reinigung der Dachrinnen. Foto: Kratzmann

Doch das ist erst der Auftakt. Später soll der Grundeigentümer Mohn, der sich am Rande des mehr als drei Meter breiten Geh- und Radwegs ausgesät hat, entfernen, mal die in voller Blüte stehende Kletterrose „kastrieren“, die in den Luftraum der Stadt eingedrungen ist, wie Kist sagt. Weil er den Aufforderungen nicht beziehungsweise unzureichend nachkommt, zieht die Stadtverwaltung andere Saiten auf.

Krankenhausaufenthalt verhindert fristgerechten Rückschnitt

Der Ton wird schrill. Anfang September 2022 wird Hans Kist förmlich dazu aufgefordert, Zweige, die auf den Gehweg vor seinem Grundstück ragen, binnen zehn Tagen zu entfernen. Er kommt der Aufforderung nicht nach. Daraufhin wird ihm von Amts wegen Ende November eine ordnungsbehördliche Verfügung zugestellt. Kist ist unter Androhung eines Zwangsgeldes von 100 Euro aufgegeben, die überhängenden Zweige bis 12. Dezember zu beseitigen. Und er hat die Verfahrenskosten in Höhe von knapp 50 Euro zu tragen. Die Überweisung geht Anfang Dezember raus. Der Rückschnitt unterbleibt. Hans Kist liegt im Krankenhaus.

Kaum ist das neue Jahr da, liegt ein weiteres Schreiben im Briefkasten. Rückschnitt bis Ende Januar und Zahlung eines Zwangsgeldes in Höhe von 200 Euro plus Gebühr sind Hans Kist auferlegt. Sollten die Zweige bis dahin nicht beseitigt sein, beauftragt die Stadt einen Fachbetrieb. Kosten: bis 1.000 Euro. Kist legt Hand an. Das Zurückbinden und -schneiden trägt die Eheleute bis weit in den Frühling.

Die nächste Kontrolle führt zu erneuter Beanstandung

Ende Mai jedoch erfordert es die Gefahrenabwehr wiederum, die Kists schriftlich zur Erfüllung ihrer Bürgerpflichten aufzufordern. In erster Linie gilt es, der rund einen Meter ausgetriebenen Rose zu Leibe zu rücken. Die steht Anfang Juni in voller Blüte und lockt Heerscharen von Bienen. Kist greift daher zu Bindfaden statt Schere.

Bei der Kontrolle Anfang August fallen seine Bemühungen durch. Kist soll nacharbeiten und die Verwaltungsgebühr von 55 Euro überweisen.

Ende August erfolgt die nächste Kontrolle und erneut besteht Anlass zur Beanstandung. Der Grundeigentümer ist angehalten, die Rose „vollständig und dauerhaft“ zu bändigen - andernfalls droht ein Zwangsgeld von 700 Euro. Die Drohung wirkt. Der 70-Jährige zieht und zerrt an seiner Holz-Seil-Konstruktion. Bislang hat er kein weiteres Schreiben aus dem Rathaus erhalten.

Wie die Stadtverwaltung die beiden geschilderten Fälle beurteilt, das erfahren Sie im nächsten Teil der Geschichte. Die offizielle Stellungnahme aus dem Rathaus ist avisiert, liegt aber noch nicht vor.

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