TUngenaue Ansagen bei den S-Bahnen: Pilotprojekt soll Verbesserung schaffen

Von hier kommen die Durchsagen an den Bahnsteigen im Hamburger S-Bahnnetz: Schichtleiter Björn Borchers (links) und Andre Schwarz, Geschäftsführer Produktion der S-Bahn Hamburg, in der Betriebszentrale der S-Bahn in Hammerbrook. Foto: Sulzyc
Störung am Gleis, Polizeieinsatz: Wie funktioniert die Information der Fahrgäste? Antwort gibt ein Besuch in der Betriebszentrale der S-Bahn in Hamburg.
Landkreis. „Zugdurchfahrt“ lautet die Information. Anschließend folge der nächste S-Bahnzug in Richtung Hamburg. Überraschend bleibt der auf Gleis 2 einfahrende Güterzug im Bahnhof Buxtehude aber stehen. Die Zugzielanzeige auf dem Bahnsteig kündigt die Abfahrt der S-Bahn, die noch gar nicht eingetroffen ist, mit dem Hinweis „sofort“ an. Verwirrend ist das.
Der Betrieb auf dem Streckenabschnitt zwischen Stade und Neugraben sei zurzeit unregelmäßig, lautet eine Durchsage über die Lautsprecher. Wieder mal. Fahrgäste der Linie S5 kennen das schon. Die für sie wichtige Information bleibt aus. Wie lange muss ich auf den nächsten Zug warten?
Sprecher sind auf einzelne S-Bahnlinien spezialisiert
Technische Störung. Unregelmäßiger Betrieb wegen eines vorangegangenen Polizeieinsatzes. S-Bahnzüge und Regionalzüge verspäten sich - oder fallen aus. Wer informiert da? Und warum sind die Auskünfte oft unpräzise? Antworten bringt ein Besuch in der Betriebszentrale der S-Bahn.
Die Fahrgastinformationen im gesamten Hamburger S-Bahnnetz kommen aus Hammerbrook. Auf die einzelnen S-Bahnlinien spezialisierte Sprecherinnen und Sprecher machen von hier aus Durchsagen, die an den Bahnsteigen zu hören sind.

Blick aus dem S-Bahnhof Hammerbrook auf die DB-Zentrale. Ein S-Bahnzug in Richtung Stade fährt gerade ein. Foto: Sulzyc
Die Betriebszentrale gilt als sensibler Bereich: Der Zutritt ist nur nach Anmeldung und Ausstellung eines Besucherausweises gestattet. Ein elektronisches Türschloss sichert den Eingang. Ein Piktogramm an der Tür macht deutlich: Fotografieren ist verboten. Die Pressestelle erlaubt beim TAGEBLATT-Besuch zumindest ein Fotomotiv.
Überraschend still geht es zu
Wer lautes Stimmengewirr wie auf einem Bahnhof vermutet, der irrt. Auffallend still geht es in der Betriebszentrale zu. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sprechen, wenn überhaupt, mit gedämpfter Stimme. Gedämpft ist auch das Licht, keine Deckenbeleuchtung.
Die Atmosphäre drückt Konzentration aus. Ein LED-Licht an den Schreibtischen leuchtet in Rot, wenn eine Störung vorliegt. Grün, wenn der Betrieb störungsfrei verläuft. Das hat etwas von einer Kommandozentrale.
Diesen Vorteil hat die Betriebszentrale
Sechs Tischgruppen, mit Stellwänden voneinander abgeschirmt, mit jeweils vier Arbeitsplätzen, erstrecken sich in dem Raum. „Muscheln“ heißen die Arbeitsbereiche intern - weil sie wegen ihrer Abgeschirmtheit wie Gehäuse wirken.
Betriebszentrale, Transportleitung sowie die zentrale Aufsicht und Service sind hier zusammen untergebracht. Das ist nicht bei allen Verkehrsunternehmen so. Die Kombination gilt als Vorteil: Das jeweilige Personal kann auf dem kurzen Dienstweg miteinander kommunizieren.
Der Betriebskoordinator veranlasst zusammen mit allen Mitarbeitern der Betriebszentrale die notwendigen Maßnahmen, um eine Störung zu beheben. Dies umfasst die Mobilisierung von Instandhaltungsteams, die Umleitung von Zügen, die Anpassung von Fahrplänen und eventuell die Einrichtung von Ersatzverkehren. Das Personal aus dem Bereich „Zentrale Aufsicht und Service“ übernimmt in Falle einer Störung die Kommunikation am Bahnsteig und informiert die Fahrgäste.
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24 Stunden am Tag ist die Betriebszentrale besetzt. Etwa 20 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind tagsüber tätig, etwa zwölf in der Nacht.
An diesem Tag hat Schichtleiter Björn Borchers Dienst. Der 58-Jährige war früher Lokführer, ist seit 1989 bei der S-Bahn Hamburg beschäftigt. Er lebt in Neugraben und kennt die Probleme auf dem Streckenabschnitt im Landkreis Stade aus eigener Erfahrung gut. „Mir bricht jedes Mal das Herz, wenn ich von Störungen dort höre“, sagt er.
Bahngäste erfahren keine mutmaßliche Wartezeit
Tritt eine Störung auf, bewertet das Personal in der ersten Muschel das Ereignis. Zum Beispiel: „Personen im Gleis bei Buxtehude-Neukloster“. Das hat eine Sperrung des Streckenabschnitts zur Folge. Der Schichtleiter informiert die Transportleitung in der zweiten Muschel. Die Transportleitung steht im ständigen und direkten Austausch mit den Triebfahrzeugführern der S-Bahnzüge.
Erfahrungswerte zeigen: Die Störung kann 20 bis 30 Minuten dauern - muss sie aber nicht. Wartende Bahngäste erfahren keine mutmaßliche Wartezeit. Die Durchsage lautet „Polizeieinsatz“, bleibt damit unpräzise.
„Wenn eine Strecke auf Anforderung der Bundespolizei gesperrt ist, müssen wir warten, bis die Strecke wieder freigegeben wird. Eine Aussage zur Dauer ist in so einem Fall nicht möglich“, erklärt Björn Borchers. Die Bundespolizei kontrolliere zuerst die Strecke.
Das macht die Linie S5 so speziell
Im Landkreis Stade können solche Einsätze länger dauern als im Hamburger Stadtgebiet. Der Grund sei die Weite des Raumes: „Wegen der Länge der Strecke kann die Sperrung länger dauern“, erklärt Borchers.
Auf dem Streckenabschnitt im Landkreis Stade fahren nicht nur S-Bahnzüge, sondern auch Regional- und Güterzüge - das unterscheidet ihn von dem S-Bahnnetz im Hamburger Stadtgebiet und macht den Betrieb störungsanfälliger. Da es sich nicht um ein reines S-Bahngleis handelt, wird der Zugverkehr hier nicht von der S-Bahn-Betriebszentrale in Hammerbrook, sondern von der DB-Betriebszentrale in Hannover überwacht.
Widersprüchliche Aussagen zwischen Neugraben und Stade
Dass es zwischen Stade, Buxtehude und Neugraben zu widersprüchlichen Auskünften von Lautsprecherdurchsagen und Zugzielanzeigen auf den Bahnsteigen kam, kann diesen Grund haben: Bis vor kurzem kamen die Informationen am Bahnsteig sowohl aus Hannover als auch aus Hammerbrook.
Das soll jetzt besser werden. „Seit kurzem haben wir ein Pilotprojekt gestartet. Aktuell kommen alle Meldungen zu Störungen auf der Strecke bis Stade alleine von der S-Bahn Hamburg“, sagt Andre Schwarz, Geschäftsführer Produktion der S-Bahn Hamburg.
Pilotprojekt soll Information besser machen
Das Pilotprojekt beziehe sich rein auf die Beschallung und die Steuerung der Zugzielanzeiger an den Bahnsteigen. Die Betriebszentrale in Hannover steuere auch weiterhin den Zugverkehr auf dem Streckenabschnitt. Die Informationen zu den unterschiedlichen Zügen teile sie im Anschluss mit der Betriebszentrale der S-Bahn, die die Kommunikation an den Bahnsteigen übernimmt.
Die S-Bahn Hamburg baut zurzeit ihre Betriebszentrale aus. Damit ist die Hoffnung verbunden, den Betrieb noch widerstandsfähiger zu machen. Doch mutmaßliche Wartezeiten werden Bahngäste im Falle von Störungen weiterhin nicht erfahren.
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