TVandalismus und klagende Anwohner: Sportvereine im Kreis Stade schlagen Alarm

Das Verwaltungsgericht Stade sagt, dass die Nutzung des Sportplatzes in Steinkirchen durch Sportvereine wie die SG Lühe vorerst illegal wäre. Foto: Vasel
Scherben auf dem Fußballplatz, kaputte Tornetze, brennende Bänke, Streit mit den Anwohnern. Sportvereine rufen nach Hilfe und suchen nach Lösungen. Einige sind denkbar einfach.
Landkreis. Der Frust ist groß bei den Sportvereinen im Landkreis Stade. Sie verzeichnen ein hohes Maß an Vandalismus. Sie schlagen sich mit klagenden Anwohnern herum. Einige kritisieren Politik und Verwaltung ihrer Kommunen, überbordende Bürokratie und, dass sie mit ihren Problemen allein gelassen werden.
Ehrenamtliche erzählen, dass sie neben ihrem Hauptjob täglich stundenlang für den Verein ackern. Aber einige sind genervt und kurz davor, die Brocken hinzuwerfen. Der Niedersächsische Fußballverband Kreis Stade (NFV) holt die am meisten betroffenen Vereine, Vertreter des Dachverbandes der Sportvereine, dem Kreissportbund (KSB), und eine Landespolitikerin an einen runden Tisch im Konferenzraum im TAGEBLATT-Pressehaus.
Die Gesprächspartner suchen nach Lösungen. Einige davon sind denkbar einfach und pragmatisch. Andere erfordern Verhandlungsgeschick. Dass die Vereine an dem Dilemma nicht ganz unschuldig sind, räumen sie durchaus ein.
Konkrete Probleme: Das sagen die Vereinsvertreter
In Buxtehude häufen sich die Konflikte mit den Anwohnern. Diese Beobachtung hat Stephan Griebel vom SV Ottensen gemacht. „Individuelle Interessen stehen über allgemeinen Interessen“, sagt Griebel. Die Leute seien dünnhäutiger geworden, würden sich kaum noch mit dem Sportverein identifizieren. Das Jahnstadion sei nur noch eingeschränkt nutzbar. In den Sportanlagen des Schulzentrums Süd gebe es Vandalismusprobleme.

Stephan Griebel vom SV Ottensen. Foto: Berlin
Griebel kritisiert aber vor allem die Buxtehuder Politik und die Verwaltung. „Es gibt keinen Hauptansprechpartner, keinen, der den Sport zu seinem Leib- und Magenthema macht“, sagt er. Sportvereine fliegen demnach unter dem Radar, der Stadt fehle eine Strategie. „Wir fühlen uns als Bittsteller“, sagt Griebel.
Horst Richters von der SG Buxtehude-Altkloster klagt ähnlich. Die Querelen um das Jahnstadion, die Anwohnerbeschwerden und deren Folgen seien für ihn Gründe gewesen, als Ehrenamtlicher aufzuhören. „Das war der Sargnagel. Ich war nur noch frustriert“, sagt Richters. Von Stadt und Verwaltung sei keinerlei Unterstützung gekommen.

Horst Richters von der SG Buxtehude-Altkloster. Foto: Berlin
Beim FSV Bliedersdorf/Nottensdorf habe sich die Lage beruhigt, sagt Tanja Cohrs. Die Sportler würden Rücksicht nehmen auf die Nachbarschaft. Cohrs wünscht sich, dass Sportvereine an den Planungen von kommunalen Sportstätten und an der Planung von Baugebieten in der Nähe von Sportstätten beteiligt werden.

Tanja Cohrs vom FSV Bliedersdorf/Nottensdorf. Foto: Berlin
Viele Konflikte im Alten Land
Ins Detail geht Emanuel Eib vom ASC Cranz-Estebrügge. Die Sportanlage der Altländer ist nicht eingezäunt. „Abends ist Krawall“, sagt Eib. Nachts werde randaliert. Die Auswechselbänke seien der Treffpunkt. Mit Rollern und Rädern fahren die ungebetenen Gäste nach Aussage von Eib über den Kunstrasen. Eib berichtet von aufgeknackten Schlössern, von zerschnittenen Tornetzen. „Die Verantwortlichen verlieren die Lust. Bald kannst du den Laden abschließen“, sagt Eib.

Emanuel Eib vom ASC Cranz-Estebrügge. Foto: Berlin

Einbruch beim ASC Cranz-Estebrügge: Das Sportgelände ist frei zugänglich. Foto: Verein
Dieter Junge von der SG Lühe ist mit seinem Verein gerade dabei, die Scherben aus einem Nachbarschaftsstreit in Steinkirchen aufzufegen und neu durchzustarten. Die Fußballer werden zwischen einem klagenden Anwohner, der Gemeinde, dem Landkreis und dem Gericht aufgerieben. Nutzen dürfen sie die Sportanlage nicht. Das bringt den Verein auch finanziell in Bedrängnis.

Dieter Junge von der SG Lühe. Foto: Berlin
Aufgrund der fehlenden Heimspiele fehlen der SG Lühe Einnahmen. Mittlerweile sei es schwierig, das Jugendtraining zu finanzieren, weil die Trainer schließlich bezahlt werden müssen. Junge fehlt die Verhältnismäßigkeit: Ein Anwohner erschwere, dass mehr als 1000 Menschen Sport treiben können. Junge hat dennoch positive Nachrichten: Die SG Lühe verfüge über spontane Spendenzusagen.
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Schlechte Erfahrung mit Anwohnern sammelten Martin Woiczik und der TuS Jork. Mit der neuen Flutlichtanlage seien „alte Wunden aufgerissen“. Woiczik formuliert es moderat. Andere Menschen hätten ein sensibleres Empfinden in Sachen Lärm und Licht. „Alles, was wir machen, wird angezweifelt“, sagt Woiczik. Selbst das Lichtgutachten vor dem Bau des neuen Flutlichtes. Der Verein hat jetzt ein Gutachten erstellen lassen, das die Lichtintensität nach Fertigstellung beschreibt.

Martin Woiczik vom TuS Jork. Foto: Berlin
Brennpunkt Apensen: Vereinschef zählt auf
Oliver Drechsel als Vorsitzender des TSV Apensen erlebte in den vergangenen Jahren die gesamte Bandbreite von Vandalismus und klagenden Anwohnern. Verordnete „Mittagsruhe“ an Sonntagen zur besten Fußballzeit, zu laute Schiedsrichterpfiffe, aber auch Glasscherben auf dem Rasen, angezündete Ersatzbänke, aufgeschlitzte Dachhaut auf der Turnhalle.

In Apensen haben Unbekannte die Dachhaut der Sporthalle aufgeschlitzt. Foto: Laudien
„Es ist eine Katastrophe“, sagt Drechsel. Damit sich Sportler umziehen können, improvisierte der Verein mit Containern und ausgebauten Garagen. Die Kosten bleiben beim TSV hängen. „Alle reden davon, wie wichtig das Ehrenamt ist, aber es wird meistens mit Füßen getreten“, sagt Drechsel.

Oliver Drechsel vom TSV Apensen. Foto: Berlin
Der TSV-Chef kennt zudem die bürokratischen Hürden. „Die Neigung der Flutlichtlampen hat einer Behörde nicht gepasst“, erzählt Drechsel. Die Behörde wollte die Lampen waagerecht, der Verein eine Neigung von zwölf Grad. Das Problem: In waagerechter Stellung würde die Lampe nur wenig vom Platz ausleuchten.
Sportler räumen eine Mitschuld ein
Dass die Vereine an der Misere nicht ganz unschuldig seien, räumt der NFV-Spielausschussvorsitzende und Ehrenamtsbeauftragte Michael Koch ein. „Sportplätze dürfen kein Vergnügungszentrum werden. Wir dürfen Anwohnern keine Munition liefern“, sagt Koch. Konkret schlägt er vor, dass der späteste Anstoß für ein Fußballspiel um 20 Uhr sein sollte, damit „überall um 22 Uhr Schicht im Schacht“ sei. Zudem sollten alle Sportler um 23 Uhr „weg sein“.

Michael Koch, Spielausschussvorsitzender und Ehrenamtsbeauftragter beim NFV Kreis Stade. Foto: Berlin
Das sind die Lösungsansätze
Dass der KSB als Interessenvertreter Helfer in der Not sein kann, ist noch nicht bei allen Vereinen angekommen. „Politik, Verwaltung und Sport müssen zusammenhalten und robust die Interessen durchsetzen“, sagt Björn Protze als KSB-Vorstandssprecher im Allgemeinen. Konkret erklärt er, dass der KSB bei Förderanträgen helfen kann. Zudem könne der Dachverband die Nutzungsverträge zwischen seinen Mitgliedsvereinen und den Kommunen unter die Lupe nehmen. Eine Aussage von Protze wird die Altländer besonders freuen.

Björn Protze vom Kreissportbund Stade. Foto: Berlin
Denn in jeder obligatorischen Sportversicherung, die ein Verein abschließt, ist kompetenter Rechtsschutz fester Bestandteil. Vandalismus ist hingegen bislang nicht abgesichert. Die CDU-Landtagsabgeordnete Birgit Butter aus Hedendorf verspricht, dass sie mit dem Landessportbund (LSB) das Gespräch sucht, mit dem Ziel, den Vandalismus in dieser obligatorischen Versicherung mit abzudecken. Videoüberwachung scheitert am Datenschutz. „Der Datenschutz stranguliert uns mehr, als er uns guttut“, sagt Butter.

Birgit Butter, CDU-Landtagsabgeordnete. Foto: Berlin
NFV und KSB suchen den Schulterschluss. Sie wollen sich besser vernetzen. „Die Ressourcen durchstöbern“, sagt Protze - eine Stoffsammlung anlegen. Wer kennt sich mit Lärmgutachten aus? Wer hat schon mal ein Flutlicht geplant? Wer wehrt sich wie gegen die klagenden Nachbarn? Die Verbände wollen Informationen dann gezielt in den Vereinen platzieren. NFV-Vorstand Michael Koch sieht den Verband als Dienstleister.