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Drogenkonsum

TVatertag und Alkohol: Warum wir das Trinken neu bewerten müssen

Zum Vatertag gehört der Bollerwagen einfach dazu. Mit ihm kommt automatisch der hohe Alkoholspiegel.

Zum Vatertag gehört der Bollerwagen einfach dazu. Mit ihm kommt automatisch der hohe Alkoholspiegel. Foto: Axel Heimken

Alkohol und Vatertag – ein untrennbares Duo? Während Bollerwagen durch Parks rollen, schlagen Notaufnahmen Alarm. Warum der Alkoholkonsum noch immer verharmlost wird – und welche Folgen das hat.

Von Katharina Hopp Mittwoch, 28.05.2025, 05:50 Uhr

Christi Himmelfahrt steht vor der Tür - viele nennen es Vatertag. In Parks, auf Waldwegen oder am Wasser sind deshalb Gruppen von Männern zu beobachten. Die Vatertagsrunden sind bestens an ihrem Bollerwagen erkennbar. In ihm liegt in der Regel Alkohol in allen Farben und Formen.

Die Berichterstattung rund um diesen Feiertag dreht sich zumeist um den mitgeführten Alkohol. Im vergangenen Jahr schrieb der NDR über eine zufrieden gestimmte Polizei, da es lediglich vereinzelnd Schlägereien und Körperverletzungen gab. So wie in diesem Beispiel wird der massive Alkoholkonsum am Vatertag verharmlost.

Wenn Feiern im Krankenhaus endet

„Wir finden es immer noch schick, so viel zu trinken. Aber an solchen Tagen ist ein Krankenhaus nun mal in Notfallstellung“, erklärt Chefarzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Markus Stuppe. Er arbeitet in der Carl-Flemming-Klinik in Schwerin. Stuppe warnt zum einen über die gesundheitlichen Schäden, die mit dem Alkoholkonsum einhergehen. Zum anderen betont er, dass die Krankenhäuser und Kliniken am Vatertag ebenso überlaufen sind, wie an Feiertagen wie Silvester.

Gleichzeitig wird der Vatertag in der Gesellschaft sowie den Medien weniger kritisch betrachtet als Silvester. Zudem wird an Silvester viel mehr der Gebrauch von Feuerwerk kritisiert, als der Alkoholkonsum.

Wo in Deutschland besonders viel getrunken wird

Einer Barmer Studie zufolge, ist der Bevölkerungsanteil mit diagnostizierter Alkoholabhängigkeit in den Bundesländern Bremen und Mecklenburg-Vorpommern am höchsten. Wie hoch die Dunkelziffer ist, lässt sich nur vermuten.

Wenn man die wissenschaftliche Literatur sichtet, muss man einfach zu dem Schluss kommen, dass Alkohol per se schädlich ist und es gibt nichts, womit sich rechtfertigen ließe, Alkohol zu trinken.

Dr. Markus Stuppe

Eine medizinische Erklärung für die Akzeptanz des Alkoholkonsums kann Stuppe nicht liefern. Die Antwort liegt vermutlich eher in gesellschaftlichen Mustern. „Es gibt immer schon, also seit vielen Jahren, einen hohen Konsum von Alkohol im Nordosten von Deutschland. Den hat auch schon vor 50 Jahren gegeben. Vielleicht auch schon vor 100 Jahren“, so der Chefarzt. Bremen ist die Ausnahme im Ost-West-Gefälle. Hier wird ähnlich viel getrunken wie im Nordosten der Republik.

Eine These für geringeren Alkoholkonsum ist, dass Autofahrer weniger trinken. „Wenn Autofahren eine Erklärung für keinen Alkoholkonsum wäre, dann würde hier in Mecklenburg-Vorpommern wahrscheinlich wenig getrunken. Denn im Nordosten sind viele Leute aufs Auto angewiesen“, sagt Stuppe. Aber das Gegenteil ist laut der Studienlage der Fall. Es wird getrunken, und zwar viel.

Auch im städtisch geprägten Bundesland Bremen ist der Konsum hoch und der Autofahreranteil dafür niedriger. Die Autothese erklärt also nichts. Ob Stadt oder Land kann also so nicht klar definiert werden. Ein anderer Erklärversuch liegt in der besonderen Situation des Zweistädtelandes Bremen. Denn Bremen und Bremerhaven haben mit einer besonderen Situation zu kämpfen: einer hohen Arbeitslosenrate und einem hohen Armutsanteil. Aus einem Bericht des Bremer Senats geht heraus: Privilegiertere Menschen sterben seltener als Benachteiligte an den Folgen des Alkoholkonsums. Eine Erklärung, die auch für Mecklenburg-Vorpommern zutrifft?

Cannabis vs. Alkohol: Ein verzerrter Vergleich

Mit der Legalisierung von Cannabis wurde eine lang bestehende Debatte wieder belebt: der Vergleich von Gras und Alkohol. Aber können diese Substanzen überhaupt gegenübergestellt werden? Stuppe hat dazu eine klare Meinung: „Es ist wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Jedes Jahr sterben 80.000 Menschen an Folgeerkrankung von Alkoholkonsum. Es gibt überhaupt keine Toten, die durch Konsum von Cannabis entstehen.“

Damit redet der Mediziner Cannabis nicht das Wort. Denn ungefährlich ist die Droge nicht. „Wenn Jugendliche früh anfangen zu konsumieren, dann könnten Sie überdauernde kognitive Störungen zurückbehalten.“ Die Altersbeschränkung von 18 Jahren sei seiner Meinung deshalb zu jung.

Prävention anstelle von Verharmlosung

Um sowohl den Alkohol- sowie Cannabiskonsum einzudämmen, benötigt es Prävention. Mit dem Alkoholkonsum gehen viele Erkrankungen einher. Außerdem ist ein beträchtlicher Teil der Unfalltoten im Straßenverkehr auf Alkoholeinfluss zurückzuführen, so der Experte. Auch schwere Körperverletzungen und andere Delikte, die im Zusammenhang mit Alkohol auftreten, zeigen seiner Meinung nach, dass es sich bei dieser Droge um einen schädlichen Stoff handelt.

Chefarzt Dr. Markus Stuppe klärt über die Risiken des Alkoholkonsums auf, der - vielleicht anders als erwartet - nicht nur für diagnostizierte Abhängige zum Problem heranwachsen kann.

Chefarzt Dr. Markus Stuppe klärt über die Risiken des Alkoholkonsums auf, der - vielleicht anders als erwartet - nicht nur für diagnostizierte Abhängige zum Problem heranwachsen kann. Foto: Peter Haefner

„Man sollte viel mehr Suchtprävention betreiben. Auch Alkohol höher zu besteuern, könnte den Zugriff verringern, wie zum Beispiel in skandinavischen Ländern. Dort gibt es nur spezialisierte Geschäfte, wo man Alkohol kaufen kann“, führt Stuppe aus. In Skandinavien ist der Alkoholkonsum im Vergleich zu Deutschland niedriger, wie es der Alkoholatlas von 2022 belegt.

Wer trinkt eigentlich mehr: Alt oder Jung?

In den Medien gibt es immer wieder Meldungen über sinkenden Alkoholkonsum der Jugendlichen in den vergangenen Jahren. Die Corona-Pandemie könnte womöglich zu dem Rückgang der Zahlen geführt haben, da die ersten Berührungspunkte wie Partys für junge Menschen in dieser Zeit nicht gab. Außerdem beruhen die Statistiken immer auf einer Vertrauensbasis bei den Angaben. Grundsätzlich wird aber der Konsum im Privaten und in der Öffentlichkeit gleichermaßen abgefragt. Zahlen aus dem Gesundheitssystem stützen die Einschätzung. Dass weniger Jugendliche in den Notaufnahmen behandelt wurden, ist ein Indiz.

Alkoholabhängigkeit wird oft erst spät erkannt

Dr. Stuppe kann aus eigener Erfahrung in der Klink bestätigen, dass es vor allem ältere Menschen in der zweiten Hälfte ihres Lebens sind, die sich Hilfe suchen. „Es muss schon schlimm sein, bevor jemand losgeht und in der Behandlung erscheint. Man muss schon viele, viele Jahre getrunken haben, um so behandlungsbedürftig zu sein, dass man in eine Beratungsstelle oder in die Klinik in die Reha geht. 20-Jährige haben einfach noch nicht so lange getrunken“, erklärt er. Die offenkundigen Schäden stellen sich erst später ein.

Über die Menge und das Ausmaß der Trinkgewohnheiten der verschiedenen Altersgruppen sagt das nichts aus. Viel mehr wird deutlich, dass ein Bild in der deutschen Bevölkerung vorhanden ist. Es besagt: Nur Menschen, die ihr Leben nicht mehr ohne Komplikationen führen können, sind süchtig. Das problematische Trinkverhalten wird oftmals nicht gesehen. Erst, wenn es vielleicht schon zu spät ist. Alkoholkrank zu sein, sieht jedoch in den meisten Fällen nicht so aus. Betroffene Personen gehen oftmals weiterhin zur Arbeit und ihren sozialen Verpflichtungen nach.

Den eigenen Konsum kritisch hinterfragen

Um zu wissen, wann der eigene Konsum gefährlich wird, gibt es von Fachkräften sechs festgelegte Kriterien:

  • Verlangen,
  • Kontrollverlust,
  • körperliche Entzugssymptome nach Konsumunterbrechung,
  • Toleranzentwicklung
  • Vernachlässigung anderer Interessen
  • bis zur Verwahrlosung.

Wenn drei von ihnen innerhalb eines Jahres auftauchen, sollten sich Betroffene kritisch mit ihrem Konsum auseinandersetzen und im besten Fall Hilfe in Anspruch nehmen. Aber auch ein „unkritischer“ Alkoholkonsum - soweit es ihn überhaupt gibt - ist grundsätzlich schlecht für den Körper.

„Bis vor ein paar Monaten gab es allgemeingültige Kriterien, die besagten, wenn man zweimal die Woche trinkt, sei es gesundheitsverträglich oder nicht gesundheitsschädlich. Das hat sich verändert, die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen hat gesagt, dass es alles am Ende ein Irrtum ist. Wenn man die wissenschaftliche Literatur sichtet, muss man einfach zu dem Schluss kommen, dass Alkohol per se schädlich ist und es nichts gibt, womit sich rechtfertigen ließe, Alkohol zu trinken“, betont Dr. Stuppe.

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