TVierfach-Mord: Bekannte der Familie erzählt von brisanten Whatsapp-Nachrichten

Der Angeklagte kommt in den Gerichtssaal am Landgericht Verden. Der 33-Jährige soll vier Menschen aus dem Umfeld seiner damaligen Ehefrau erschossen haben. Foto: Schuldt
Im Prozess um die Todesschüsse eines Berufssoldaten kommen neue Details ans Licht. Als Zeugin wurde eine Arbeitskollegin und Bekannte der Familie befragt.
Landkreis Rotenburg. Der angeklagte Soldat soll nahe Scheeßel vier Menschen aus Hass und Rache erschossen haben. Unter den Opfern befindet sich auch ein dreijähriges Kind. „Es war ein großer Fehler, so was einem Mann anzutun, der fast sein halbes Leben gelernt hat, Gewalt zu perfektionieren“, das schrieb der Soldat Florian G. in einer Whatsapp-Nachricht, nachdem er vier Menschen erschossen haben soll. Diese schickte er auch einer Freundin und Arbeitskollegin seiner damaligen Ehefrau. Die 28 Jahre alte Oytenerin wurde Montag als Zeugin in dem Mordprozess am Landgericht Verden befragt.
Im Herbst 2022 seien sie Arbeitskolleginnen bei den Rotenburger Werken geworden. Dort arbeiteten auch die später gemeinsam mit ihrer dreijährigen Tochter erschossene 33-Jährige aus Brockel und der 30-Jährige aus Westervesede, dessen 55 Jahre alte Mutter im selben Haus getötet worden ist.
Die Ehe des Angeklagten und seiner damaligen Frau sei „normal“ gewesen. „Nichts Auffälliges, nichts, was mir Sorgen bereitet hat“, sagte die Heilerziehungspflegerin am Montag. Doch dann habe ihre damals schwangere Kollegin auf der Arbeit einen früheren Partner wiedergetroffen, den später getöteten 30-Jährigen. Im Herbst 2023 soll das gewesen sein.
Neue Beziehung über Whatsapp verkündet
Dass die beiden ein Paar wurden, habe sie erst später erfahren, schilderte die Zeugin. Und der Angeklagte habe es von seiner Frau per Whatsapp mitgeteilt bekommen. „Ich fand das falsch“, so die 28-Jährige.
Nach den in der Nacht zum 1. März verübten Morden sagte sie bei der Polizei, dass Florian G. von seiner Frau „belogen, verarscht und betrogen“ worden sei. „Weil sie über Wochen unehrlich war“, verdeutlichte die 28-Jährige in Verden und bezog dies auf die folgenden Geschehnisse: Anfang Januar 2024 habe die Ehefrau die Trennung bereut und die Zeugin will bei der Versöhnung geholfen haben. Sie erarbeitete mit der Ehefrau eine Pro- und Contra-Liste, bei der mehr für den Ehemann als für den neuen Partner sprach. Als alles wieder in Ordnung schien, sei der in Seedorf stationierte Berufssoldat nach Kanada zu einer Fortbildung geflogen.
Bis zum 23. Februar schien für die Zeugin in der Ehe alles wieder okay zu sein. Dann schrieb ihr der Angeklagte, dass er am Tag zuvor nach einer verfrühten Rückkehr aus Kanada seine Frau und den 30-Jährigen auf dem Sofa beim Fernsehen überrascht habe. „Ich war schockiert“, so die Zeugin.
Soldat erteilt Kontrahenten Hausverbot
Am nächsten Tag schrieb ihr der Angeklagte, dass er zu dem 30-Jährigen gefahren sei und ihm ein Hausverbot inklusive der Pro- und Contra-Liste in die Hand gedrückt habe. „Wenn er noch einmal aufs Grundstück kommt, hat er ein Problem“, habe er dem 30-Jährigen gesagt. „Er sah ganz schön ängstlich aus“, teilte er der Zeugin mit. „Die Aktion hat gesessen.“
Als „Denkzettel“ will es die Zeugin verstanden haben, nicht als eine sich anbahnende Katastrophe. Sie habe auch keine Gefahr gesehen, als der Soldat ihr erzählt habe, dass er wisse, wie man in die Häuser des 30-Jährigen und der besten Freundin kommen könne und wie man einen Molotowcocktail herstellt. Dies soll er ihr kurz vor der Versöhnung gesagt haben.
Dass die Ehefrau und der 30-Jährige Ende Februar mit einer Anzeige wegen Bedrohung reagierten, dafür hatte die Zeugin kein Verständnis. „Du hast ihn belogen - wochenlang. Warum müsst ihr ihn noch anzeigen? Er hat dich verloren. Warum musst du ihm die Bundeswehrlaufbahn ruinieren?“, habe sie ihrer Freundin vorgehalten.
„Was hättet ihr an meiner Stelle getan?“
Von Florian G. hörte sie erst nach den Taten wieder. Er schrieb unter anderem: „Sie wollen mir alles wegnehmen, mir beruflich schaden.“ Es werde versucht, seinen Sohn gegen ihn aufzuhetzen. „Ihr lasst mir keine andere Wahl.“ Er entschuldigte sich bei denen, die für ihn da waren, und fragte am Ende der Nachricht. „Was hättet ihr an meiner Stelle getan?“
Offenbar hatte die Zeugin die nachts verschickten Nachrichten erst morgens gelesen. „Was bedeutet das?“, lautete ihre Gegenfrage. Dann schrieb sie: „Ej, ohne Mist, wo bist du?“ Das war ihr letzter Kontakt zu dem Angeklagten.
An diesem zehnten Verhandlungstag begegneten sich die Zeugin und der Angeklagte erstmalig wieder. Weil im Landgerichtsgebäude nicht ausreichend geeignete Säle zur Verfügung standen, war die Sitzung kurzfristig in die Verdener Stadthalle verlegt worden.
Der Prozess soll am 18. November fortgesetzt werden. Dann soll wieder im Schwurgerichtssaal verhandelt werden.