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Geschichte

TVon Cuxhaven los mit der „Nige Oge“: So startete der Tourismus auf Neuwerk

Die "Nige Oge" an ihrem Anlaufpunkt an der Alten Liebe.

Die "Nige Oge" an ihrem Anlaufpunkt an der Alten Liebe. Foto: cnv

Mit dem Schiff nach Neuwerk: Das hat Tradition. Vor dem vielen noch bekannten Schiff „Nige Ooge“ (Neuwerk-Dienst 1966-1986) und der „Wega“ (Neuwerk-Verbindung in den 50er-Jahren) bestieg man dafür die „Nige Oge“.

Von Redaktion Sonntag, 21.07.2024, 11:00 Uhr

Cuxhaven. Im Kaiserreich schipperte gelegentlich Kapitän A.J. Schröder mit der „Lustyacht“ „Fortschritt“ von Cuxhaven zur Insel.

Die Lustyacht "Fortschritt" lief noch zu Kaisers Zeiten die Insel an. Die Karte stammt aus dem Kaiserreich vom Cuxhavener Hofphotographen Angelbeck, der nach 1918 nur noch als "Photograph" firmierte .

Die Lustyacht "Fortschritt" lief noch zu Kaisers Zeiten die Insel an. Die Karte stammt aus dem Kaiserreich vom Cuxhavener Hofphotographen Angelbeck, der nach 1918 nur noch als "Photograph" firmierte . Foto: cnv

Nachdem sich nach dem Ersten Weltkrieg die politische und wirtschaftliche Lage gebessert hatte und wieder Besucher nach Neuwerk kamen, wurde 1925 die erste Schiffslinienverbindung zwischen Cuxhaven und Neuwerk eingerichtet. Zu diesem Zweck entstand südwestlich von der jetzigen Pension „Altes Fischerhaus“ ein Anleger.

Die "Nige Oge" (Aufdruck auf der Karte mit Druckfehler) beim Anlegen auf Neuwerk.

Die "Nige Oge" (Aufdruck auf der Karte mit Druckfehler) beim Anlegen auf Neuwerk. Foto: cnv

Die Initiative dazu ging von Willy Griebel aus. „Der Gemeindevorsteher Willy Griebel wird von Juni an eine regelmäßige Motorschiffsverbindung zwischen Cuxhaven und Neuwerk unterhalten und damit den Verkehr zwischen den beiden Nachbarorten erheblich fördern. Ein für diesen Zweck besonders geeignetes Schiff wird auf der Schiffswerft in Neustadt in Holstein (nicht in Cuxhaven!) gebaut“, schrieb am 12. Mai 1925 die „Alte Liebe“, die Zeitung der Cuxhavener Arbeiterbewegung.

Bei stürmischer Fahrt den Elementen ausgesetzt

Nicht viel mehr als eine Nussschale, aber für ihre Zuverlässigkeit bekannt: Die "Nige Oge".

Nicht viel mehr als eine Nussschale, aber für ihre Zuverlässigkeit bekannt: Die "Nige Oge". Foto: cnv

Dieses Schiff war der Motorsegler „Nige Oge“. Die Reisenden konnten die Natur unverfälscht genießen, denn es gab kaum Schutz vor Wind und Regen. Das kleine Schiff war sehr seetüchtig und beförderte im Sommer und (!!) Winter in etwa zweieinhalb Stunden Passagiere und Fracht von Cuxhaven nach Neuwerk.

Bei einer „Propagandafahrt“ im September 1925 mit einer Reihe von Persönlichkeiten aus Hamburg und Cuxhaven an Bord bewies das kleine Schiff bei hoher See und Windstärke 10 seine Seetüchtigkeit: „Bei Neuwerk war die Brandung so gewaltig, dass eine Landung unmöglich war. Die ,Nige Oge‘ musste daher wieder beidrehen und die Rückfahrt antreten, die ebenso stürmisch aber auch ebenso glücklich wie die Ausfahrt verlief. Besonderer Erwähnung verdient noch die trefflich bewiesene Manövrierfähigkeit, die es dem Führer trotz der stürmischen See ermöglichte, das Steuer sicher in der Hand zu halten.“ (Cuxhavener Zeitung vom 4. September 1925)

Auf der Postkarte waren die "Nige Oge" und der Turm als größte Attraktion der Insel abgebildet.

Auf der Postkarte waren die "Nige Oge" und der Turm als größte Attraktion der Insel abgebildet. Foto: cnv

Anlässlich der tausendsten Fahrt im Juli 1930 schrieb die „Alte Liebe“: „Trotz Nebel, Stürmen und Eisgang hat das kleine tapfere Fahrzeug immer ohne jeglichen Unfall seinen Weg nach der kleinen Insel Neuwerk gefunden, wenngleich auch zeitweise seekranke Passagiere der Nordsee ihr Opfer brachten.“

Hotel „Meereswoge“ als einziges Gasthaus

Das Hotel "Zur Meereswoge" war das einzige Gasthaus auf der Insel. Elf der 15 Zimmer waren mit fließendem Wasser ausgestattet.

Das Hotel "Zur Meereswoge" war das einzige Gasthaus auf der Insel. Elf der 15 Zimmer waren mit fließendem Wasser ausgestattet. Foto: cnv

Unterkunft fanden die Besucher im Hotel „Meereswoge“ und einige Jahre in der „Pension Rose“. Dazu kamen die Neuwerker, die Zimmer vermieteten.

Die Pension Rose bestand nur einige Jahre und wurde später als Privatvermietung betrieben. Der Deichverteidigungsweg war noch nicht ausgebaut. Das kleine Windrad zur Stromerzeugung im Hintergrund ist nicht zu verwechseln mit der großen Anlage nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die Pension Rose bestand nur einige Jahre und wurde später als Privatvermietung betrieben. Der Deichverteidigungsweg war noch nicht ausgebaut. Das kleine Windrad zur Stromerzeugung im Hintergrund ist nicht zu verwechseln mit der großen Anlage nach dem Zweiten Weltkrieg. Foto: cnv

Was konnten die Gäste auf der Insel machen? Dazu gab es im ersten Prospekt des „Nordseebades Neuwerk“ von 1930 eine Menge Tipps: Baden, Wattlaufen, Beobachten von Vögeln und Seehunden und Beteiligung am Fischfang.

In einem Zeitungsartikel aus den zwanziger Jahren werden die schmackhaften Seeschwalbeneier genannt, die man überall finden konnte. Das war sehr praktisch für Urlauber in Quartieren mit Küchenbenutzung.

Scharhörn war der „nordische Lido“

Der erste Neuwerker Prospekt von 1930: "Das Baden ist ganz ungefährlich", wurde den Touristen signalisiert. Ganz im Gegensatz zur Wattüberquerung von Duhnen aus, was ohne kundigen Führer gefährlich sei.

Der erste Neuwerker Prospekt von 1930: "Das Baden ist ganz ungefährlich", wurde den Touristen signalisiert. Ganz im Gegensatz zur Wattüberquerung von Duhnen aus, was ohne kundigen Führer gefährlich sei. Foto: cnv

In dem kleinen Prospekt gibt es noch eine Empfehlung: „Ein bleibendes Erlebnis ist ein Tagesausflug nach dem unbewohnten Scharhörn mit seiner Schutzhütte in der Bake und seinem unvergleichlichen Strand, den man den ,Nordischen Lido‘ nennt.“ Das Betreten der Bake war seit 1924 verboten, um zu verhindern, dass sich Besucher an dem in der Schutzhütte deponierten Proviant für Schiffsbrüchige bedienten.

Auf Scharhörn konnten sich die Besucher ansonsten frei bewegen - sofern sie nicht ab 1933 die jungen Männer vom Arbeitsdienst behinderten. Die Besucher störten jedoch die vielen - zum Teil sehr seltenen - brütenden Seevögel. Darüber beklagte sich 1938 der erste Vogelwart.

Die im Jahr 1930 zur Verfügung stehenden Unterkünfte auf der Insel.

Die im Jahr 1930 zur Verfügung stehenden Unterkünfte auf der Insel. Foto: cnv

Als besonders wichtige Vorteile eines Aufenthalts auf Neuwerk wurden immer wieder die Ruhe und Stille, das einfache unkomplizierte Leben in der Natur, das gesunde Reizklima und in den ersten Jahren das Fehlen von Kurtaxe genannt.

„Man merkt wohl schon, Neuwerk ist kein Badeort. Da ist kein Hasten und Jagen von der Strandpromenade zur Abendreunion. Aber man vermisst das alles nicht. Man braucht kein Konzert, keinen Flirt, keine Strandfeste. Dazu hat man gar keine Zeit vor Wattlaufen und Baden. Oder man liegt im Gras, atmet die harte, süffige Nordseeluft und verfolgt mit den Augen die jagenden Wolken.“ (Alte Liebe, 18. Juni 1930)

Mit Flößen die Nordküste umschifft

Sobald der Arbeitsdienst auf Neuwerk tätig war, konnten Urlauber mithelfen. So lagerten zum Stackbau verwendete Eichenpfähle auf der Insel. „Sie wurden in den Sommermonaten in zusammengekoppelten Flößen von der Nordküste um die Insel herum nach der Baustelle an der Südküste gebracht. Eine Arbeit, die den Arbeitsmännern außerordentlich viel Spaß machte, bei der sie sich zu gewandten Flößern ausbildeten, und die sie mit wahrer Begeisterung ausführten. Auch Nichtangehörige der Abteilung - Kurgäste männlichen und weiblichen Geschlechts - beteiligten sich rege an dieser Arbeit“, schrieb das Cuxhavener Tageblatt, Zeitung der NSDAP, am 8. Februar 1936 (die „Alte Liebe“ war bald nach der Machtergreifung 1933 verboten worden).

Hinweis auf den Neuwerkverkehr aus der "Alten Liebe" vom 2. September 1925.

Hinweis auf den Neuwerkverkehr aus der "Alten Liebe" vom 2. September 1925. Foto: cnv

Mit Beginn des zweiten Weltkrieges konnten keine Urlauber mehr nach Neuwerk kommen. Auf der strategisch wichtigen Insel wurden verschiedene Einheiten der Wehrmacht stationiert.

Die "Nige Oge" an ihrem Anlaufpunkt an der Alten Liebe.

Die "Nige Oge" an ihrem Anlaufpunkt an der Alten Liebe. Foto: cnv

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