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Sommer-Serie

TRichter im AWZ: Von schwarzem Gold und einem eiligen Wildmüll-Einsatz

Schwarzes Gold: So nennt AWZ-Kompostfachfrau Kerstin Harms diesen reifen, feinkrümeligen Kompost.

Schwarzes Gold: So nennt AWZ-Kompostfachfrau Kerstin Harms diesen reifen, feinkrümeligen Kompost. Foto: Richter

Am dritten Tag im Abfallwirtschaftszentrum will TAGEBLATT-Reporterin Anping Richter sich eigentlich der Herstellung von schwarzem Gold widmen: Kompost. Doch ein eiliger Wildmüll-Einsatz kommt dazwischen.

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Von Anping Richter
Dienstag, 05.08.2025, 19:20 Uhr

Buxtehude. „Wir decken den Mikroorganismen hier den Tisch.“ Gerade hat Kerstin Harms, die Kompostfachfrau des AWZ, das gesagt, als eine brandheiße Nachricht unser Gespräch unterbricht: In Immenbeck liegen drei Autobatterien im Wald. Rainer Schuran muss sofort los, und ich darf mit.

So etwas kommt nicht alle Tage vor. Aber es gehört zum Geschäft meiner neuen Kollegen auf Zeit, und das will ich ja genau kennenlernen. Rainer und ich springen also in den Allrad-Mitsubishi und düsen los.

Ätzende Gefahr ist in Verzug

„Mal sehen, wo die liegen“, sagt er. Rainer hat schon erlebt, dass Wildmüll schwer zu finden und noch schwieriger zu bergen war. Nicht so eilige Einsätze werden in der Regel an Fremdfirmen abgegeben - sonst würden die AWZ-Mitarbeiter zu nichts anderem mehr kommen. Doch wenn Gefahr im Verzug ist, muss sofort gehandelt werden.

Batteriesäure ist ätzend, kann Haut und Augen verletzen und darf - wie auch Lacke oder Chemikalien - nicht ins Grundwasser gelangen. Wir haben Glück: Die Batterien liegen noch trocken genau an der angegebenen Stelle am Waldweg in Immenbeck. Gemeldet haben das Bürger über die Abfall-App des Landkreises, die Daten wurden ans AWZ weitergegeben.

Rainer Schuran sammelt drei alte Autobatterien am Waldrand ein, bevor Batteriesäure in der Landschaft landet.

Rainer Schuran sammelt drei alte Autobatterien am Waldrand ein, bevor Batteriesäure in der Landschaft landet. Foto: Richter

Als wir die Batterien im AWZ in den vorgesehenen Container stellen, merke ich, wie schwer so eine Autobatterie ist - mindestens 15 Kilo, sagt Rainer. Er schüttelt den Kopf: „Warum schleppen die das in den Wald? Beim Schrotthändler hätten die bestimmt 15 Euro eingebracht.“

Werden die Wildmüllsünder gefunden, kann es für sie teuer werden: 50 bis 500 Euro Strafe Bußgeld - pro Stück, heißt es beim Landkreis auf Nachfrage.

Zurück zum Komposthaufen. Besser gesagt: Zur Kompostmiete 4, auf die ich mit Kerstin klettere. Sie ist drei Meter hoch und so weich, dass man einsinkt. „Ich kann dir nachher ein paar Ersatzsocken von mir geben“, bietet sie an, weil ich keine Gummistiefel dabei habe.

Von hier oben ist das AWZ-Areal gut zu überblicken: Es ist 51.000 Quadratmeter groß. Fünf Kompostmieten in unterschiedlichen Rottegraden liegen auf einer eigens dafür vorgesehenen, 10.000 Quadratmeter großen Platte, die in ein Rückhaltebecken entwässert. Gleich neben den Kompostmieten liegt der riesige, längliche Haufen des aufgetürmten Grünabfalls.

Die mit dem Boden spricht: Kompostfachfrau Kerstin Harms

Die Kollegen im AWZ nennen Kerstin Harms die Kompostfachfrau. Ich nenne sie „Die mit dem Boden spricht“. Sie weiß nicht nur unheimlich viel über Rotte und Reife, sie scheint mit den Mikroorganismen des Bodens per Du zu sein. Sie nennt sie „die kleinen Helfer“ oder auch „kleine Bergarbeiter“ und sorgt dafür, dass der Tisch für diese immer reich gedeckt ist: „Mit Kohlenstoff, Stickstoff und reichlich Sauerstoff.“

Auf dem Kompost wachsen viele kleine, zarte Pilze.

Auf dem Kompost wachsen viele kleine, zarte Pilze. Foto: Richter

Gut gefütterte Mikroorganismen bauen Schächte und Tunnel, so dass der Kompost locker wird und Wasser speichert. Dazu braucht es ein Gleichgewicht - nicht zu trocken, nicht zu feucht, nicht zu verdichtet: „Luftsauerstoff muss ran. Kompostierung ist ein aerober Prozess.“ Kerstin merkt mit der Nase, ob es richtig funktioniert oder etwas falsch läuft. Dann muss die Miete vielleicht noch einmal umgeschichtet werden.

„Der hier riecht gut“, sagt Kerstin, bückt sich und greift in den Kompost. Ich mache es ihr nach. Er ist sehr warm - und macht die Hände schön schwarz. Aus den Haufen scheint Rauch aufzusteigen. „Dampf“, korrigiert Kerstin. Bei der Rotte entsteht Hitze, die das Wasser zum Verdunsten bringt. Wie heiß es im Inneren wird, messen Thermometer, die einen Meter tief im Kompost stecken.

Autsch: Das Thermometer ist knallheiß

Kerstin zieht eines heraus und fordert mich auf, das untere Ende anzufassen. Autsch. „Wir müssen nachweisen, dass der Kompost mindestens zwei Wochen über 55 Grad oder sechs Tage in Folge über 60 Grad heiß war“, erklärt sie. Das sei allerdings überhaupt kein Problem.

Der Kompost wird gesiebt, um grobe Bestandteile zu entfernen. An dieser Seite wird der feine Kompost herausbefördert, an der anderen Seite größere Aststücke und Fremdkörper wie Plastik.

Der Kompost wird gesiebt, um grobe Bestandteile zu entfernen. An dieser Seite wird der feine Kompost herausbefördert, an der anderen Seite größere Aststücke und Fremdkörper wie Plastik. Foto: Richter

Die hohe Temperatur sorgt dafür, dass garantiert kein Unkraut aus dem Kompost sprießen kann, weil sie die Proteine von Samen zerstört. Das gilt sogar für das Jakobskreuzkraut, das der Deichverband auf dem Kieker hat, weil es für Schafe giftig ist und das er hier auch schon abgegeben hat.

Die Thermometer zeichnen zwei Mal am Tag Messwerte auf, die Daten werden digital übertragen. Das ist wichtig, weil das AWZ für seinen Kompost von der Bundesgütegemeinschaft Kompost ein Gütesiegel erhält. Ein unabhängiges Labor analysiert den Kompost regelmäßig und prüft ihn auf gesundheitsschädliche Keime.

Wie aus Grünabfall schwarzes Gold wird

Nach einem halben Jahr ist aus dem Gartenabfall Kompost geworden. „Schwarzes Gold“ nennt ihn Kerstin, weil er so kostbar für die Umwelt und die Bodengesundheit ist. Sie ist dafür zuständig, dass alles dokumentiert wird - in Ardestorf und im AWZ in Stade. Jede Miete hat eine Nummer, die sie während des gesamten Prozesses behält, auch, wenn sie umgesetzt wird. Was wann passiert, wird in Kompost-Tagebüchern aufgezeichnet.

Seit 20 Jahren ist der Landkreis Stade anerkannter Lieferant von Gütezeichen-Kompost und darf außerdem an Bio-Betriebe liefern. Kerstin, die früher in Hamburg in einer der ersten professionellen Kompostierungsanlagen tätig war, hatte das angeregt und ein Konzept geschrieben, das der Landkreis umsetzte.

Sebastian Gröschl fährt mit dem Lkw in die nahe Kiesgrube, um 80 Tonnen Sand zu holen.

Sebastian Gröschl fährt mit dem Lkw in die nahe Kiesgrube, um 80 Tonnen Sand zu holen. Foto: Richter

2024 hat der Landkreis 3100 Tonnen Kompost produziert, davon 700 Tonnen Frischkompost. Letzterer kostet nur 5,50 Euro pro Tonne und ist besonders bei Obstbauern beliebt, weil die noch quicklebendigen Mikroorganismen den Boden richtig in Gang bringen.

„Wer dazu mehr wissen will, kann gerne im Obstbauzentrum Esteburg nachfragen“, sagt Kerstin. Auch als Einstreu für Pferde ist der Frischkompost beliebt. Allerdings ist er nicht immer und nur nach Absprache erhältlich. Reifer Kompost kostet 25 Euro pro Tonne. Der Erlös dient der Deckung der Betriebskosten des AWZ, das sich über Gebühren finanziert.

Der Kreislauf schließt sich

Der Renner unter den Kompostprodukten ist die Universalerde. „Unsere Uni-Erde ist die beste weit und breit. Das weiß inzwischen jeder“, sagt Kerstin stolz. Sebastian Gröschl ist gerade dabei, welche herzustellen: Gestern haben wir mit dem Lkw in der nahen Kiesgrube Sand geholt, jetzt liegen 80 Tonnen bereit. Ein Mitarbeiter von Remondis hat reifen Kompost mit einer rotierenden Trommel gesiebt, die die groben Teile herausbefördert. Den feinen Kompost mischt Sebastian mit der Radladerschaufel mit Sand.

Melissa und Daniel aus Neu Wulmstorf laden Universalerde ein. Sie wollen Rasen pflanzen.

Melissa und Daniel aus Neu Wulmstorf laden Universalerde ein. Sie wollen Rasen pflanzen. Foto: Richter

Ein Kunde aus Wiegersen wartet schon. Er heißt Daniel und will mit der Erde seine Wiese begradigen. Sebastian packt ihm mit der Radladerschaufel einen halben Kubikmeter auf den Anhänger. Kerstin lächelt stolz: „So schließt sich der Kreislauf. Schön, oder?“

In der Kiesgrube prüft AWZ-Mitarbeiter Sebastian Gröschl, ob der Sand trocken genug ist.

In der Kiesgrube prüft AWZ-Mitarbeiter Sebastian Gröschl, ob der Sand trocken genug ist. Foto: Richter

Serie: Richter im AWZ

Auch in diesem Sommer absolviert TAGEBLATT-Reporterin Anping Richter wieder eine Praktikumswoche an einem spannenden Ort. Die erste absolvierte sie 2022 im Kiosk Am Sande in Stade, heuerte danach auf der Elbfähre an und im vergangenen Jahr am Lühe-Anleger. Diesmal ist es eine Woche in Orange: Im Abfallwirtschaftszentrum Buxtehude-Ardestorf bekommt sie spannende Einblicke und berichtet täglich von ihren Erlebnissen.

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