TWarum dieser junge Mediziner sich als Hausarzt niederlässt

Ole Curth (38) hat sich als Hausarzt in Bremerhaven niedergelassen und verstärkt die Gemeinschaftspraxis von Dr. Klaus-Ludwig Jahn und Hildegard Koslowski. Foto: rm
Gegen den Trend hat sich der junge Hausarzt Ole Curth (38) in einer Praxis niedergelassen. Warum sich der Arzt Sorgen um die Patienten macht.
Bremerhaven. Er könnte angesichts des Ärztemangels überall hingehen, aber er mag die Küste. Hausarzt Ole Curth aus Nordenham hat sich in Bremerhaven niedergelassen und verstärkt die Gemeinschaftspraxis von Dr. Klaus-Ludwig Jahn und Hildegard Koslowski in der „Bürger“. Der 38-Jährige trotzt damit dem Trend, denn immer weniger junge Mediziner zieht es in die Niederlassung. Der Trend geht zum Angestelltenverhältnis.
Curth hat den Sprung trotzdem gewagt und mag die Herausforderung. Außerdem liebt er seinen Job: „Es macht mir Spaß, es ist wirklich ein toller Job.“ Es dauere zwar zwölf Jahre, „bis man wirklich Facharzt ist. Aber es lohnt sich und ist super interessant“. Man lerne immer wieder etwas hinzu. „Mich interessiert der Patient, dem ich helfen möchte“, sagt Curth.
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Es werde leider in einer Zeit von Kostendruck und Medikamentenknappheit immer herausfordernder, Patienten gerecht zu werden. Dennoch müsse man sich für Patienten, die wirklich Zuwendung brauchen, Zeit nehmen. Der Vorteil einer Gemeinschaftspraxis: „Ich weiß, ich habe meine Kollegen.“
Curth wurde im Klinikum Reinkenheide geboren, wuchs aber in Nordenham auf. Nach dem Medizinstudium in Hannover arbeitete er als Assistenzarzt im dortigen Friederikenstift. 2020 zog es ihn zurück in die Heimat - seine Weiterbildung zum Facharzt machte er zunächst in Reinkenheide, danach zwei Jahre in der Praxis von Dr. Jahn. Seit Oktober war er dort zunächst als angestellter Facharzt tätig, seit Januar in eigener Niederlassung.
„Wir brauchen eine medizinische Fakultät“
Curth macht sich Sorgen um die Patientenversorgung: „Vor allem die Facharztversorgung wird immer angespannter.“
Dass in den vergangenen Monaten in Bremerhaven Haus- und Kinderärzte geschlossen hätten, „spüren wir hier in der Praxis massiv“, sagt Curth. „Wir sind eine der wenigen Praxen in Bremerhaven, die keinen Aufnahmestopp für neue Patienten hat. Wir merken aber, dass wir immer mehr an die Grenzen kommen. Die Patienten sitzen dann auch schon mal eine Stunde oder länger im Wartezimmer.“
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Die Lösung für das Problem des Ärztemangels sei nicht einfach gefunden. „Wir müssen das aus verschiedenen Blickwinkeln angehen“, sagt der Mediziner. „Es ist ein Riesenproblem, dass wir als einziges Bundesland keine medizinische Fakultät haben. Das wurde verschlafen.“ Dabei sei eine Mediziner-Uni wichtig für den Klebeeffekt der Nachwuchs-Ärzte.
„Bürokratie für Ärzte reduzieren“
„Eine tolle Sache wäre außerdem, Bürokratie zu reduzieren“, sagt Curth. „Der bürokratische Aufwand während der Niederlassung ist enorm. Das ist sehr kompliziert und nervenaufreibend. Ich musste zum Beispiel vom Ultraschall bis zum Langzeit-EKG alles einzeln beantragen und genehmigen lassen.“
Was dem jungen Mediziner, der mit seiner Familie in Nordenham lebt, Sorgen bereitet: „Wo geht es denn hin? Wer soll noch kommen? Wir müssen uns wirklich fragen, wie es weitergehen soll. Der Pflegenotstand ist ja überall bekannt, aber dass es keine Ärzte gibt, wurde lange nicht thematisiert. Und wenn, dann wird das Problem sehr einseitig beleuchtet. Es müsste jemand in die Hand nehmen, der nicht nur in der nächsten Legislaturperiode wiedergewählt werden will, sondern wirklich etwas verändert.“