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Norddeutschland

TWas Archäologen in Butjadingen so alles entdecken

Archäologe Thorsten Becker (links) und Geoarchäologin Kira Raith erklären dem Butjenter Heinz-Dieter Hobbie ihr Forschungsvorhaben.

Archäologe Thorsten Becker (links) und Geoarchäologin Kira Raith erklären dem Butjenter Heinz-Dieter Hobbie ihr Forschungsvorhaben. Foto: Böker

Jeder hat eine Vorstellung davon im Kopf, wie Archäologen sie arbeiten. Doch wie ist die Realität? Forscher zeigen ihre ersten Funde.

Von Anna Böker Samstag, 14.09.2024, 09:50 Uhr

Butjadingen. Die Sonne scheint mit aller Kraft über Butjadingen und die grüne Wurt Hasenburg. Dort schaufelt ein Grabungstechniker auf einem Bagger ganz vorsichtig Erde aus einem Loch auf. Vor dem Loch steht ein Archäologie-Student, der genaustens aufpasst, ob etwas Besonderes zum Vorschein kommt.

Ein paar Meter weiter links steht ein anderer Mann mitten in einem bereits ausgegrabenen Loch. Er misst die Grube genaustens aus. Das alles ist feinste Forschungsarbeit, denn auf der Wurt Hasenburg in Butjadingen untersucht ein sechsköpfiges Team des Niedersächsischen Instituts für historische Küstenforschung mit Sitz in Wilhelmshaven diesen Monat den Boden.

Auf den ersten Blick unscheinbar, aber doch voller Geheimnisse und höchst spannend für Küstenforscher: die links von dem landwirtschaftlichen Gehöft gelegene Wurt Hasenburg in Butjadingen aus der Vogelperspektive.

Auf den ersten Blick unscheinbar, aber doch voller Geheimnisse und höchst spannend für Küstenforscher: die links von dem landwirtschaftlichen Gehöft gelegene Wurt Hasenburg in Butjadingen aus der Vogelperspektive. Foto: Becker

Übergang zwischen Strandwällen und Wurten wird erforscht

„Wir wollen herausfinden, wie die künstlichen Wurtenschichten mit den natürlichen Strandwällen verzahnt sind“, erklärt Archäologe Thorsten Becker. Wurten sind menschengemachte Aufschüttungen aus Erde zum Schutz von Mensch und Tier vor möglichen Sturmfluten.

Strandwälle hingegen haben einen natürlichen Ursprung. Bei ihnen handelt es sich um langgestreckte Sand- und Kiesdämme, die durch mittransportiertes Material auflaufender Wellen entstanden sind. Sie gibt es in Butjadingens Boden zuhauf, parallel zur Küste.

Bei diesem Objekt handelt es sich um eine rund 2.000 Jahre alte Fibel.

Bei diesem Objekt handelt es sich um eine rund 2.000 Jahre alte Fibel. Foto: Böker

Um mehr über die Verbindung zwischen Strandwällen und Wurten herauszufinden, haben die Forscher bereits im September 2023 mit ihren Arbeiten, die von der Deutschen Forschungsgesellschaft finanziert werden, begonnen.

Zunächst planten die Forscher im Büro und im November letzten Jahres erfolgten dann geomagnetische und geoelektrische Messungen in Butjadingen. Im März dieses Jahres wurden dann Bohrkerne aus der Wurt Hasenburg gezogen.

Mit diesen Untersuchungen wollten die Wissenschaftler Erkenntnisse über den Untergrund sammeln. Auf Grundlage der Ergebnisse haben die Experten entschieden, wo genau sie in diesem September ihre Grabungen durchführen. Diese finden im nördlichen Teil der Wurt Hasenburg statt, denn hier vermuten die Archäologen einen Übergang zwischen Strandwall und Wurt zu finden.

Ein Grabungstechniker gräbt ein Loch, damit die Forschenden mehr über die frühe Besiedlung in Butjadingen erfahren.

Ein Grabungstechniker gräbt ein Loch, damit die Forschenden mehr über die frühe Besiedlung in Butjadingen erfahren. Foto: Böker

Insgesamt werden im nördlichen Bereich der Wurt sechs bis sieben Löcher vorsichtig in den Boden gegraben. Diese werden genaustens vermessen und fotografiert. Etwaige Funde werden ebenfalls gemessen, eingesammelt, getrocknet und gewaschen. Später im Büro werden jedem Grabungsloch charakteristische Funde zugeordnet und die Archäologen interpretieren ihre Entdeckungen.

Bei ihrer Arbeit haben die Forscher übrigens tatsächlich ein paar Utensilien dabei, die dem klassischen Bild eines Archäologen entsprechen: So hat Thorsten Becker stets einen Sonnenhut zum Schutz vor der Sonnenstrahlung auf dem Kopf.

Außerdem trägt er, wenn er Funde wie Scherben aus dem Grabungsloch herausholt, Handschuhe. Und: der Archäologe greift zum Pinsel, falls er zerbrechliche Gegenstände findet. Diese werden dann vorsichtig frei geputzt.

Hier hält der Archäologe eine sogenannte Spinnwirtel in der Hand.

Hier hält der Archäologe eine sogenannte Spinnwirtel in der Hand. Foto: Böker

Wenn der normale Bürger in eines der Grabungslöcher blickt, sieht er, um ehrlich zu sein, nur Erde. Dunkle Erde und noch dunklere Erde und ein paar braune Flecken. Wenn Archäologe Thorsten Becker und Geoarchäologin Kira Raith hingegen in die Grabungslöcher schauen, ist das für sie eine Offenbarung aus längst vergangenen Zeiten.

„Wir können ganz unten marine Sedimente sehen, darüber sehen wir einen inzwischen verlandeten Wasserlauf, in dem wir Siedlungsabfälle aus der Römischen Kaiserzeit gefunden haben und wieder darüber sehen wir eine mittelalterliche oder neuzeitliche Grube. Ganz oben sehen wir dann die Schicht des modernen Ackers“, erzählt Kira Raith.

Hier suchen die Forscher nach Hinweisen auf die Verbindung von natürlichen Strandwällen und künstlichen Wurten.

Hier suchen die Forscher nach Hinweisen auf die Verbindung von natürlichen Strandwällen und künstlichen Wurten. Foto: Böker

Bereits in ihrer ersten Woche in Butjadingen haben die Archäologen rund 200 Funde in den Tiefen nördlich der Wurt entdeckt. Viele der Objekte sind um die 2.000 Jahre alt. Es handelt sich dabei größtenteils um Scherben und Knochen. Doch einige Funde begeistern die Forscher.

Dazu zählt eine sogenannte Fibel, also eine Gewand-Brosche nach dem Prinzip der Sicherheitsnadel. Zugegeben: Auf den ersten Blick sieht die gefundene Fibel für den Laien aus wie ein einfacher, verbogener Nagel. Die Experten jedoch haben sofort erkannt, dass es sich dabei um einen Gegenstand aus der Römischen Kaiserzeit handelt.

Thorsten Becker und Kira Raith haben darüber hinaus eine Spinnwirtel in den Grabungslöchern entdeckt. Dabei handelt es sich um einen Gegenstand, der zum Garn machen, also zur Textilherstellung, verwendet wurde. Das Besondere an der gefundenen Spinnwirtel ist, dass sie ursprünglich eine Keramikscherbe eines Topfes gewesen sein muss. In diese wurde dann nachträglich ein Loch hinein gebohrt, um die Scherbe weiterzuverwenden.

Das ist ein von den Wissenschaftlern gegrabenes Loch. Es gibt den Forschern Hinweise auf die frühe Siedlungsgeschichte.

Das ist ein von den Wissenschaftlern gegrabenes Loch. Es gibt den Forschern Hinweise auf die frühe Siedlungsgeschichte. Foto: Böker

Trotz der besonderen Funde ist die Arbeit noch lange nicht vorbei. Die wichtigsten Fragen der Forscher sind noch offen: Wie ist das Strandwallsystem aufgebaut? Gab es eine Siedlungsphase direkt auf den Strandwall ohne eine Wurt? Unter welchen Umweltbedingungen siedelten sich die Menschen an?

Die Forscher laden alle Interessierten dazu ein, sich selbst ein Bild von den Untersuchungen zu machen. Jeden Donnerstag im September um 14 Uhr finden öffentliche Führungen auf der großen Wurt am Hasenburger Weg in der Butjadinger Wisch statt. Parkmöglichkeiten für alle, die mit dem Auto anreisen, bestehen am Schüttingsweg. Ansonsten ist die Grabungsstelle auch gut mit dem Fahrrad zu erreichen.

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