TWeil der Vermieter nicht zahlt: Kiras Familie ohne Gas und bald auch ohne Wasser
Seit dem Sommer ist Familie Großmann ohne Gas für Warmwasser und Heizung. Jetzt soll ihnen der Wasserhahn zudreht werden. Foto: Buchmann (Archiv)
Für die behinderte Kira aus Dollern ging es gesundheitlich zuletzt wieder bergauf. Weil der Vermieter nicht zahlt, wird die Familie jedoch ihr Zuhause aufgeben müssen.
Dollern. Bianca Großmann sitzt mit ihrer Mutter am Küchentisch in Dollern. Beide erzählen in ruhigem Ton, während im Hintergrund die Waschmaschine schleudert. Es dürfte einer der letzten Waschgänge in ihrer Wohnung sein - denn am Dienstag wird den Großmanns das Wasser abgestellt.
Die vierköpfige Familie hatte in den vergangenen zwei Jahren mit vielen Rückschlägen zu kämpfen. Die 24-jährige Tochter Kira ist seit ihrer Geburt Epileptikerin und hat eine geistige Behinderung. Im November 2023 erkrankte sie plötzlich schwer. Die Ärzte mussten Kira daraufhin alle Finger, ein Bein bis zum Knie sowie die Zehen des anderen Fußes amputieren.
Wasserwerke drehen Familie den Hahn ab
Die Großmanns gaben jedoch nicht auf, ließen das Badezimmer barrierefrei umbauen und organisierten dank zahlreicher Spender ein rollstuhlgerechtes Auto für Kira. Inzwischen komme ihre Tochter immer besser mit den Prothesen klar, sagt Mutter Bianca Großmann. Sie könne sogar wieder vorsichtig gehen. Doch ein Leben in Dollern mit ihrer dreijährigen Schwester Marie und ihren Eltern erscheint aktuell unmöglich.

Bianca und Dino Großmann mit ihren Töchtern Kira (24) und Marie (3) vor ihrer Wohnung in Dollern. Sie leben dort seit 15 Jahren. Foto: privat
„Am 18. November soll uns das Wasser abgedreht werden“, sagt Bianca Großmann. Den Termin bestätigt auf TAGEBLATT-Nachfrage Ralf Burghartz, Geschäftsführer des Trinkwasserverbands Stader Land. Der Grund, warum die Wasserwerke den Großmanns und anderen Mietern in der Häuserreihe das Wasser abdrehen: Zahlungsrückstände durch den Eigentümer.
Trotz Anwalt: Streit mit Vermieter geht weiter
Die Familie liegt schon seit Monaten mit ihrem Vermieter im Clinch. Im Juni drehten die Stadtwerke Stade den Mietern das Gas für Warmwasser und Heizung ab - bis heute. „An der Situation der Gasversorgung hat sich nichts verändert“, bestätigt Stadtwerke-Geschäftsführer Christoph Born. Der Anschluss sei „nach wie vor gesperrt“ und könne erst freigeschaltet werden, wenn alle offenen Posten ausgeglichen seien.
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Im Juni bestätigte Born bereits, dass der Vertragspartner für die Gasversorgung der betroffenen Mietwohnungen die Immobiliengesellschaft an der Lühe mbH mit Sitz in Buxtehude sei. Geschäftsführerin ist laut Handelsregister Marcia Vanessa Plum. Für die Zahlung der Wassergebühren sei der Eigentümer zuständig, bestätigt Burghartz vom Trinkwasserverband.
Großeltern helfen in der Not aus
Die Dollerner Familie sei dem Verband bekannt, sagt Burghartz. Das Wasser werde trotzdem am Dienstag abgedreht. „Wir müssen so handeln“, erklärt er mit Verweis auf die rechtlichen Grundlagen. Für die Mieter gebe es jedoch die Möglichkeit, die Zahlungen direkt an den Verband zu leisten.
„Hierfür ist eine Übertragung des Eigentümers an die Mieter notwendig“, sagt Burghartz und ergänzt: „Wir akzeptieren allerdings auch in Härtefällen Mieterzahlungen, selbst wenn keine Übertragung vorliegt.“ Sollte also etwa bis zum Dienstagmorgen noch Geld fließen, „drehen wir nicht ab“.
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Familie Großmann hat die Unsicherheit, ohne Heizung und fließendes Wasser durch den Winter kommen zu müssen, sichtlich mitgenommen. „Wir wohnen seit 15 Jahren hier“, sagt Bianca Großmann. Inzwischen habe sie zwar einen Anwalt eingeschaltet, geändert habe sich jedoch nichts.
In der Wohnung hat sie inzwischen notgedrungen elektrische Heizstrahler montiert, um nicht zu frieren. Zum Glück helfen die Großeltern aus Stade aus, wo sie können - insbesondere für Kira, die schon seit Monaten nicht mehr zu Hause duschen kann.
Familie sucht dringend neue Wohnung
In ihrer Not haben die Großmanns sich auch an die Samtgemeinde Horneburg gewandt. Diese könne jedoch nichts ausrichten, sagt Fachbereichsleiterin Tanja Thomfohrde auf Nachfrage. Theoretisch gelte zwar das Niedersächsische Wohnraumschutzgesetz, um etwa Eigentümer auf bestehende Missstände hinzuweisen. Die rechtlichen Hürden seien für die Verwaltung jedoch zu hoch, sagt Thomfohrde. Sie habe der Familie empfohlen, eine Rechtsberatung aufzusuchen. Bis zum Redaktionsschluss ging trotz schriftlicher und telefonischer Kontaktaufnahme keine Stellungnahme der Immobiliengesellschaft zu den Vorwürfen ein.
Bianca Großmann hat inzwischen einen Entschluss gefasst: „Wir müssen hier schnellstmöglich raus.“ Die Gefahr, dass ihre Familie krank werde, sei zu groß. Die Nachbarn seien bereits ausgezogen. Es sei aktuell jedoch schwierig, eine behindertengerechte Wohnung für vier Personen in und um Dollern zu finden. Wer die Großmanns bei der Suche nach einem neuen Zuhause unterstützen kann, erreicht Bianca Großmann telefonisch unter 0173/ 2039908.
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