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Hemmoor

TWeißer Hai und Piloten-Skelett: Fredenbecks Brandmeister taucht im Kreidesee ab

Fredenbecks Gemeindebrandmeister Sven Dammann öffnet sein Unterwasser-Fotoalbum vom Kreidesee. Auf diesem Foto ist er im Urlaub in wärmeren Gewässern unterwegs.

Fredenbecks Gemeindebrandmeister Sven Dammann öffnet sein Unterwasser-Fotoalbum vom Kreidesee. Auf diesem Foto ist er im Urlaub in wärmeren Gewässern unterwegs. Foto: privat

Nachrichten von tödlichen Unfällen lassen mitunter vergessen, dass jährlich Zehntausende die Tauchbasis in Hemmoor besuchen. Was das Besondere am Kreidesee ist, weiß Sven Dammann.

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Von Miriam Fehlbus
Sonntag, 14.09.2025, 05:50 Uhr

Fredenbeck. Den Kreidesee in Hemmoor kennen die meisten Menschen in der Region. Auch die, die nicht tauchen, haben schon einmal von Unfällen darin gelesen oder gehört. „Drama unter Wasser“, „Todessee“ oder „Deutschlands gefährlichster See“ titelten überregionale Medien. Auch das TAGEBLATT berichtete dieses Jahr über mehrere Unfälle.

„Zuletzt waren es hauptsächlich gesundheitliche Zwischenfälle, wie sie auch beim Autofahren passieren und schwere Verletzungen auslösen können“, sagt Sven Dammann, Gemeindebrandmeister der Samtgemeinde Fredenbeck und passionierter Taucher. Trotzdem gibt es ein besonderes Risiko in dem tiefen, klaren Gewässer.

Von Badewannenwasser auf Kühlschranktemperatur

Dammann ist nicht nur Hobbytaucher, sondern auch Berufsfeuerwehrmann mit Tauchausbildung. Der 46-Jährige sieht vor allem einen Unterschied, wenn es um das Tauchen im Kreidesee oder im Roten Meer geht: „Es ist richtig kalt im See“, sagt der Kutenholzer, „selbst mitten im Sommer.“ Mit zwei Kollegen von der Feuerwehr hat Sven Dammann zuletzt den Kreidesee besucht.

Der Hai ist in zehn Metern Tiefe im Kreidesee zu finden.

Der Hai ist in zehn Metern Tiefe im Kreidesee zu finden. Foto: privat

„Bis zehn, zwölf Meter Tiefe war es wie in der Badewanne, unter 20 Meter wurde es richtig kalt“, sagt der erfahrene Taucher, der mit eigener Kamera unter Wasser fotografiert. Aktuell sind es gut 19 Grad Wassertemperatur bis zehn Meter Tiefe, bei 25 Meter Tiefe sind es nur noch 7,5 Grad. Das Schild „Grubenrand - Ungesicherte Abbruchkante“ bekommt unter diesem Gesichtspunkt eine ganz neue Bedeutung.

Atemsysteme können unter Wasser vereisen

Mit sinkenden Wassertemperaturen steigt eine Gefahr: die mögliche Vereisung des Lungenautomaten. „Die Sicherungsanforderungen im Kreidesee sind sehr hoch“, erklärt Dammann. Zwei getrennt absperrbare Atemsysteme sind vonseiten der Tauchbasis für alle Nutzer vorgeschrieben.

„Vereist ein Atemregler, kann über den zweiten weitergeatmet werden“, sagt Dammann. Und das Equipment muss insgesamt für den Gebrauch in kaltem Wasser geeignet sein.

Für Nicht-Taucher verwirrend: Nicht eisiges Wasser sorgt für die gefährliche Vereisung des Atemsystems, sondern vor allem hoher Luftdurchsatz, wie etwa durch schnelle Atmung. Das kann auch Profis passieren.

Der Körper reagiert auf einen plötzlichen Temperaturabfall mit einem schnellen, stoßweisen Einatmen und somit mit einer erhöhten Atemfrequenz. „Ich habe das auch bei mir festgestellt“, sagt Sven Dammann.

Hinter dem Steuer sitzt ein Piloten-Skelett. Die Betreiber der Tauchbasis zeigen an vielen Stellen Humor.

Hinter dem Steuer sitzt ein Piloten-Skelett. Die Betreiber der Tauchbasis zeigen an vielen Stellen Humor. Foto: privat

Schon bei Wassertemperaturen unter 10° C wird von Kaltwassertauchen gesprochen. Im Vergleich: Die Wassertemperatur im Roten Meer für Taucher liegt das ganze Jahr über zwischen 21°C und 29°C.

Gefahr durch zu schnelles Auftauchen

Gibt es Probleme unter Wasser, kann es durch zu schnelles Auftauchen zu gesundheitlichen Problemen kommen. Beim Tauchen unter erhöhtem Druck reichert sich Stickstoff als Hauptbestandteil der Luft in den Geweben des Körpers an.

Ist die Auftauchgeschwindigkeit nicht auf die Abatmung angepasst, verringert sich der äußere Druck zu schnell. Der gelöste Stickstoff kann sich dann nicht schnell genug auflösen und bildet sich als Bläschen im Körper. Das werde auch Ausperlen genannt, sagt Dammann. Die Behandlung ist eine schnellstmögliche Rekompression in einer Überdruckkammer.

Fast 40.000 Taucher und Deutschlands tiefster Postkasten

Etwas ganz Besonderes im Kreidesee in Hemmoor ist die klare Sicht. Das wissen die Besucher zu schätzen. Nach Angaben der Tauchbasis-Betreiber gehen hier bis zu 40.000 Taucher jährlich auf Unterwasserexpedition - die einen tiefer hinunter, die anderen zum Üben nur erst einmal nur bis zur 4,50 Meter tief liegenden Plattform zum Austarieren. Wer es tiefer hinab schafft, auf den warten besondere Anlaufpunkte: zum Beispiel Deutschlands tiefster Briefkasten.

Deutschlands tiefster Postkasten hängt auf 19 Metern Normalnull. Sogar Postkarten können hier eingeworfen werden.

Deutschlands tiefster Postkasten hängt auf 19 Metern Normalnull. Sogar Postkarten können hier eingeworfen werden. Foto: privat

Auf 19 Metern Tiefe hängt er. Hier können wasserfeste Postkarten bei einem Tauchgang eingeworfen werden. Einmal wöchentlich wird der Kasten geleert und die Karte verschickt. Der gelbe Kasten hängt am Rüttlergeländer, liebevoll angebaut und mit einem daneben stehenden Fahrrad versehen. Im Hintergrund taucht der Lkw auf. An diesem steht Tauchbasis Kreidesee. Ansonsten sieht der Kipper aus, als würde hier weiter Kreide abgebaut.

Auf zehn Metern Tiefe lauert der Weiße Hai

Ein Flugzeug, das unter Wasser „fliegt“ und von einem starken Stahlseil mit Bodenanker in fester Höhe gehalten wird, gehört zu den weiteren beliebten Anlaufpunkten unter Wasser. Außerdem sind Autos, Wohnwagen, Leuchtturm und eine Segelyacht als antauchbare Gegenstände verzeichnet. Selbst den Weißen Hai gibt es auf zehn Metern Tiefe. Seine Zähne sehen wirklich scharf aus, aber ansonsten ist er kein besonders bissiges Exemplar.

Zum Abkippen bereit: Durch einen Trichter geht es dahinter weiter hinunter, bis auf 20 Meter Tiefe und unter 9° C. An der tiefsten Stelle ist der Kreidesee 60 Meter tief.

Zum Abkippen bereit: Durch einen Trichter geht es dahinter weiter hinunter, bis auf 20 Meter Tiefe und unter 9° C. An der tiefsten Stelle ist der Kreidesee 60 Meter tief. Foto: privat

„Gute Sicht und tolle Sachen“, sagt Sven Dammann über den Kreidesee, für norddeutsche Gewässer sei das einmalig. Dazu passt, dass die Tauchbasis Kreidesee bereits mehrfach als beste Tauchbasis mit dem Dive Award in der Kategorie „Internationale Destinationen“ ausgezeichnet wurde.

Fredenbecks Gemeindebrandmeister Sven Dammann (46) arbeitet seit gut 20 Jahren als Berufsfeuerwehrmann in Bremen.

Fredenbecks Gemeindebrandmeister Sven Dammann (46) arbeitet seit gut 20 Jahren als Berufsfeuerwehrmann in Bremen. Foto: privat

Sven Dammann ist seit 2004 in der Berufsfeuerwehr in Bremen. Zum Tauchen mit Kollegen ist der 46-Jährige, der in der Samtgemeinde Fredenbeck ehrenamtlich die Feuerwehrkameraden als Gemeindebrandmeister anführt, über einen Lehrgang für den gehobenen Dienst gekommen.

Seitdem hat er so manche Tauchziele in der ganzen Welt besucht. Die Unterwasserwelt ist dort bunter als im Kreidesee und gehört in die Urlaubszeit. Aber eine Nebenwirkung bleibt auch für die Feuerwehr interessant: „Man merkt schon, wer als Atemschutzgeräteträger langsamer atmet, wenn man unter Stress gerät“, sagt Sven Dammann.

Dann wird weniger Luft verbraucht und es bleibt mehr Zeit, um Menschen zu retten. Dabei sei es egal, ob es sich um einen Berufsfeuerwehrmann oder einen Kameraden der freiwilligen Feuerwehr handelt. „Profis sind wir alle“, sagt der Gemeindebrandmeister. Gerade bei Verkehrsunfällen seien die Ehrenamtlichen auf dem Land besonders schnell und routiniert im Umgang mit den Geräten. Das weiß er aus Erfahrung.

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Ans Geländer gelehnt: Als wäre eben noch einer mit dem Fahrrad zum Postkasten gefahren.

Ans Geländer gelehnt: Als wäre eben noch einer mit dem Fahrrad zum Postkasten gefahren. Foto: privat

Das wirkt unter Wasser weniger absturzgefährdet, gefährlich kann das Abtauchen in kalte Wasserschichten aber werden.

Das wirkt unter Wasser weniger absturzgefährdet, gefährlich kann das Abtauchen in kalte Wasserschichten aber werden. Foto: privat

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