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TWenn das Erbe zu Streit führt – Die größten Fallstricke aus der Praxis

Jeder dritte Erbe in Deutschland hat mindestens 100.000 Euro vermacht bekommen. Allerdings sollte sich das Testament auch auffinden lassen.

Jeder dritte Erbe in Deutschland hat mindestens 100.000 Euro vermacht bekommen. Allerdings sollte sich das Testament auch auffinden lassen. Foto: dpa-Themenwelten

Wenn derjenige erbt, der nicht begünstigt werden sollte, ist Streit programmiert. Rechtspfleger Till Fontes über typische Beispiele.

Von Julia Dührkop Donnerstag, 24.10.2024, 18:34 Uhr

Langen. Haus, Auto, Schmuck oder Sparvertrag bei der Bank: Was nach dem eigenen Tod mit dem Vermögen passiert, überlassen die meisten Menschen der gesetzlichen Erbfolge. Etwa 25 Prozent regeln den Nachlass über ein Testament, schätzt Till Fontes, Rechtspfleger am Amtsgericht Geestland. Dabei rät er, Erbschaftsangelegenheiten rechtzeitig schriftlich festzuhalten.

Drei typische Fallstricke im Erbrecht:

1. Es ist ein Irrglaube zu meinen, man hätte immer noch Zeit, ein Testament aufzusetzen.

2. Wer nichts geregelt hat, der begünstigt eventuell jemanden, dem er nichts zukommen lassen wollte.

3. Alles einzeln einer jeweiligen Person zuzuschreiben, macht es unnötig kompliziert, da es dann eine Riesenerbengemeinschaft ist. Es handelt sich hierbei um ein Vermächtnis, das nur durch ein Testament möglich ist.

Umfrage: Jeder dritte Erbe erhält mindestens 100.000 Euro

Einer repräsentativen Umfrage der Puls Marktforschung im Auftrag der Quirin Privatbank zufolge hat knapp jeder zweite Deutsche (45 Prozent) noch nie etwas geerbt. Die andere Hälfte hat entweder schon einmal geerbt (28 Prozent) oder erwartet das zumindest für die Zukunft (21 Prozent).

Jeder dritte Bedachte hat mindestens 100.000 Euro vermacht bekommen - es gibt aber regional und einkommensabhängig große Unterschiede. Denn der Umfrage zufolge werden in den neuen Bundesländern tendenziell geringere Werte vererbt als in den alten.

Außerdem können insbesondere Gutverdiener damit rechnen, auch besonders große Erbschaften anzutreten. Bei Menschen mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von mindestens 4.000 Euro belaufen sich die Erbschaften in knapp 60 Prozent der Fälle auf mindestens 50.000 Euro. Wer weniger als 2.000 Euro pro Monat verdient, kann nur in 25 Prozent der Fälle mit einer solch üppigen Summe rechnen.

Kinder erben besonders häufig

Besonders häufig sind es übrigens Eltern, die ihren Kindern Sach- oder Vermögenswerte hinterlassen (62 Prozent). Ehepartner werden nur in 6 Prozent der Fälle bedacht, Enkelkinder immerhin noch in 11 Prozent, sonstige Verwandte wie etwa Geschwister, Nichten oder Neffen in 17 Prozent der Fälle.

Dabei werden die allermeisten Erbschaften (75 Prozent) in Form von Bargeld oder Bankguthaben vermacht. Auf den Rängen zwei und drei folgen Immobilien (48 Prozent) und Schmuck (28 Prozent). Wertpapiere (13 Prozent) und sonstige Wertgegenstände wie Wein, Oldtimer, Kunst oder Antiquitäten (10 Prozent) sind deutlich abgeschlagen (Mehrfachnennungen waren möglich).

Wer bisher leer ausgegangen ist, kann übrigens noch hoffen. Immerhin geben knapp drei von vier Befragten (73 Prozent) an, künftig mindestens 5.000 Euro an ihre Erben weitergeben zu können. Jeder Dritte (34 Prozent) hat demnach sogar Werte von mindestens 250.000 Euro zu vererben.

Wer sollte sich um ein Testament kümmern?

Wer Eigentum besitzt, also ein Grundstück mit einem Haus, sollte nach Fontes Einschätzung auf jeden Fall ein Testament schreiben. Auch Kinder sind ein guter Grund, sich darüber rechtzeitig Gedanken zu machen.

Welche Form muss beim Testament eingehalten werden? Und muss es notariell beglaubigt sein?

Es reicht aus, wenn ein Testament handschriftlich aufgesetzt ist, um wirksam zu werden.

Warum reicht es nicht, auf die gesetzliche Erbfolge zu vertrauen?

Wenn es keine Kinder gibt oder der Fall eintritt, dass die eigenen Kinder vor einem versterben, dann forscht das Gericht nach Eltern, Geschwistern und deren Kindern. So können Nichten und Neffen zum Beispiel etwas bekommen, ohne dass man es beabsichtigt hat.

Wie sieht es aus bei Stieffamilien?

Wer neu geheiratet und weitere Kinder bekommen hat, muss Folgendes wissen: Wenn nichts testamentarisch hinterlegt ist, dann erben die Kinder gleichberechtigt mit dem verwitweten Ehepartner. Dabei ist der Witwer auf das Erbe angewiesen, muss sich dann aber mit den Kindern um die Erbschaftsangelegenheiten kümmern.

Till Fontes ist Rechtspfleger am Amtsgericht Geestland.

Till Fontes ist Rechtspfleger am Amtsgericht Geestland. Foto: Privat

Gerecht vererben, geht das überhaupt?

Mit dem sogenannten Berliner Testament tragen sich Eheleute gegenseitig als Erben ein. Erst, wenn beide verstorben sind, erben die Kinder. Dies sei für viele am gerechtesten, so Fontes. Ansonsten sei es natürlich von Familie zu Familie unterschiedlich, wer in der Erbfolge wie hoch berücksichtigt werden soll.

Was er aus eigener Anschauung für richtig hält: Wenn es mehrere Geschwister gibt, und eines hat sich besonders um Betreuung und Pflege eines Elternteils verdient gemacht, sollte es stärker profitieren. Aber dies sei sein eigener moralischer Anspruch.

Welche Konstellation tritt besonders auf?

Durch das landwirtschaftlich geprägte Gebiet in der Region werden Höfe vererbt. Wenn ein sogenannter Hofvermerk im Grundbuch eingetragen ist, bedarf es eines Hofnachfolgezeugnisses. Dieses wird durch einen Richter am Landwirtschaftsgericht, das am Amtsgericht in Langen angesiedelt ist, ausgestellt.

Muss ein mit Schulden behaftetes Erbe angetreten werden?

Nein, man kann ein Erbe auch ausschlagen und damit nicht antreten, um nicht die Schulden zu übernehmen. Sechs Wochen hat man Zeit. Das Amtsgericht weiß allerdings nicht, ob das Erbe mit Schulden belastet ist. Es sei denn, am Nachlassgericht liegen Gläubigeranfragen vor. Ansonsten muss der potenzielle Erbe selbst in der Familie recherchieren. Das Gericht forscht dann nach weiteren Verwandten bis zur zweiten Erbfolge. Findet sich niemand, erbt der Fiskus – allerdings tilgt er nicht die Schulden.

Letzten Willen sicher verwahren

„Das beste Testament nützt nichts, wenn es im Sterbefall nicht aufgefunden wird“, sagt Jürgen Krüger von der Rechtsanwaltskammer. Oder schlimmer noch: Zwar aufgefunden, dann aber mutwillig vernichtet wird, um die testamentarischen Anordnungen des Erblassers zu verhindern.

Beidem können Erblasser vorbeugen, indem sie ihr - auch handschriftliches - Testament in die amtliche Verwahrung beim zuständigen Amtsgericht geben. Ein notariell errichtetes Testament wird Jürgen Krüger zufolge ohnehin dort aufbewahrt.

Insbesondere dann, wenn ein Testament schon in jungen Jahren niedergeschrieben wird, können sich die Lebensumstände im Laufe der Jahre grundlegend ändern. Unvorhergesehene Vermögenszuwächse oder Änderungen in der Familienkonstellation können dazu führen, dass sich der letzte Wille ändert und das Schriftstück gegebenenfalls überholt ist. Jürgen Krüger rät daher, das Testament etwa alle drei bis fünf Jahre zu überprüfen und wenn nötig auf die veränderten Lebensumstände anzupassen. (mit dpa)

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