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Tiermedizin

TWenn der Wallach Schmerzen hat: Besuch beim Pferde-Orthopäden

Dr. Jens Körner leitet in der Hanseklinik die Orthopädie für Pferde.

Dr. Jens Körner leitet in der Hanseklinik die Orthopädie für Pferde. Foto: Hennings

Wenn ein Pferd nicht mehr so locker und entspannt läuft, wie es eigentlich könnte, dann hat es meistens Schmerzen. Zu erkennen, wo die Ursache der Schmerzen liegt, ist nicht immer einfach, weiß Dr. Jens Körner.

Von Sabine Hennings Samstag, 28.06.2025, 12:50 Uhr

Sittensen. Alltag an der Hanseklinik für Pferde. Nicola Wilckens ist mit Freddy nach Sittensen gekommen. Der zehnjährige Wallach lahmt seit geraumer Zeit, und die Ursache ist auch nach diversen Untersuchungen nicht eindeutig festzustellen.

Dr. Jens Körner, Leiter der Orthopädie an der Klinik, beginnt mit der Diagnostik. Ihm zur Seite steht die Assistenzärztin Flora Reemtsma, mit der er sich während der ganzen Untersuchung immer wieder abstimmt.

Lahmheit und eingeschränkte Leistungsfähigkeit machen einen sehr großen Teil seiner Arbeit aus, berichtet er, über 90 Prozent. An die 1500 Untersuchungen im Jahr sind der Durchschnitt.

Freddy bekommt eine Betäubung in die Beugesehne am rechten vorderen Bein.

Freddy bekommt eine Betäubung in die Beugesehne am rechten vorderen Bein. Foto: Hennings

Der Facharzt für Pferdesportmedizin lässt Freddy laufen. Zuerst geradeaus auf dem harten Pflaster zwischen den Stallungen, dann auf dem gepflasterten Rund auf dem Hof und schließlich auf dem weichen Boden in der Halle.

Dabei beobachten er und seine Assistentin ganz genau die Kruppe, den Widerrist und den Kopf des Pferdes. Ihre Beobachtungen tragen sie in einen Diagnosebogen ein, den die Klinik extra hierfür erstellt hat. „Wir gehen dabei ganz systematisch vor“, erklärt Jens Körner.

Assistenzärztin Flora Reemtsma führt die Ultraschalluntersuchung an dem Wallach durch.

Assistenzärztin Flora Reemtsma führt die Ultraschalluntersuchung an dem Wallach durch. Foto: Hennings

Untrainierte Freizeitpferde können sich leichter verletzen

„Im Prinzip ähnelt diese Untersuchung einer Ankaufsuntersuchung für Pferde“, informiert der Mediziner. Er macht bei Freddy die sogenannte Beugeprobe. Das heißt, dass er nacheinander das linke und dann das rechte Vorderbein in eine starke Beugung anhebt und ungefähr eine Minute lang hält. Danach muss der Wallach antraben. Das klappt ohne Anzeichen einer Lahmheit.

Schon nach kurzer Zeit vermuten die beiden Ärzte das Problem im vorderen rechten Bein. „Häufig ist eine Lahmheit an einem Hinterbein zu sehen, dabei liegt das Problem eigentlich vorne“, stellt Jens Körner klar.

Die Ursachen für lahmende Pferde können ganz unterschiedlich sein. Bei Freizeitpferden ist zum Beispiel die Gefahr von spontanen Verletzungen erhöht, wenn sie untrainierter sind, in größeren Gruppen gehalten werden und ohne die notwendige Aufwärmung in Rangkämpfe und andere gruppendynamische Prozesse verwickelt werden.

Bei Sportpferden ist das eher unwahrscheinlich, da sie kontinuierlich trainiert und anders gehalten werden. Hier spielt Verschleiß eine größere Rolle. Aber auch Probleme mit den Hufen können Ursache für Lahmheit sein.

Bei Freddy geht die Diagnostik inzwischen in die nächste Phase. Er bekommt eine tiefe Palmarnerven-Anästhesie (TPA). Das bedeutet, dass Flora Reemtsma eine Betäubung in die rechte, vordere Fesselbeuge des Pferdes setzt. Damit werden die Nerven betäubt.

Als Freddy bei der anschließenden Begutachtung des Ganges nicht lahmt, ist die Ursache der Schmerzen schon sehr konkret lokalisiert, erklärt Jens Körner.

Er vermutet, dass der Zehnjährige ein Problem im Bereich der Hufrolle hat und bespricht mit der Besitzerin, ob das Bein zur weiteren Abklärung per Ultraschall untersucht werden soll.

Mit dem Computertomografen (CT) können Strukturen im Bereich des Hufes dargestellt werden, die mit Ultraschall und Röntgen nicht hinreichend beurteilt werden können.

Anhand dessen kann eine Diagnose gestellt und eine konkrete Therapie für Freddy vorgeschlagen werden, erklärt der Tierarzt. Freddy bezieht dann erst einmal eine Box, um dort auf den Termin im CT zu warten.

Vielfältige Möglichkeiten der Diagnose bei Lahmheit

Wenn es um die Möglichkeiten noch präziserer Diagnosen und Behandlungen bei orthopädischen Problemen der Pferde geht, setzt Jens Körner auf eine bewährte Systematik, um Gangabweichungen eines Pferdes objektiv beurteilen zu können.

Da sind das bereits erwähnte Vier-Augen-Prinzip und der Diagnosebogen, der systematisch abgearbeitet wird; aber auch kamera- und sensorgestützte Systeme werden eingesetzt, die die Bewegungen der Kruppe und des Kopfes genau analysieren.

Der Veterinärmediziner erzählt, dass künstliche Intelligenz auch in der Diagnostik eine immer größere Rolle spielt. So werden Röntgenbilder teilweise mit KI ausgewertet und es gibt inzwischen eine KI-gestützte Bewegungsanalyse fürs Handy. Per App können Ganguntersuchungen an jedem beliebigen Ort vorgenommen werden.

Neben den diagnostischen Möglichkeiten setzt Jens Körner auf umfassende Aus- und Weiterbildung. Er selber hat eine Zusatzausbildung zum US-amerikanischen Fachtierarzt für Pferdesportmedizin gemacht und ist zertifizierter Chiropraktiker und wurde vom europäischen Dachverband für tierärztliche Spezialisierung (EBVS®) zum Europäischen Spezialisten für Pferdesportmedizin und Rehabilitation ernannt.

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