TWer sammelt noch Briefmarken? Ältester Verein im Kreis Stade aufgelöst
Gerhard Briem entdeckte schon als Kind seine Sammelleidenschaft für Briefmarken und wurde als 18-Jähriger in den jetzt aufgelösten Verein aufgenommen. Foto: Stehr
Was haben Adolf Hitler und Königin Victoria gemeinsam? Ihre Konterfeis zieren Briefmarken, die zu Gerhard Briems wertvoller Sammlung gehören. Doch sein Hobby droht auszusterben.
Stade. Seine ersten Briefmarken klebte Gerhard Briem als Viertklässler mit Uhu in sein Rechenheft. Die kleinen Bildchen aus fremden Ländern, von Politikern, Staatsoberhäuptern, Dichtern und Denkern aus der ganzen Welt, faszinierten ihn. Mit 18 Jahren durfte Briem seine Sammelleidenschaft endlich auch im Verein ausleben.
Zu Hochzeiten hatte der Verein knapp 150 Mitglieder
1960 trat er in den damals größten Briefmarkenverein im Landkreis Stade ein - den Verein für Briefmarkenkunde Stade und Umgegend e.V., der 1921 gegründet worden war. Um die 150 Mitglieder waren in den 1950er, 60er und 70er Jahren in dem ältesten amtlich eingetragenen Briefmarkenverein des Landkreises Stade organisiert.
Eine Jugendgruppe wurde erst in den 1970er Jahren gegründet. 1999 wurde diese mangels Beteiligung wieder geschlossen. Inzwischen ist die gesamte Gruppe auf neun Mitglieder geschrumpft - der Verein hat sich deshalb aufgelöst.

Gerhard Briem war seit 2008 Erster Vorsitzender des ältesten eingetragenen Briefmarkenvereins im Landkreis Stade. Foto: Stehr
„Früher war das Sammeln eine Beschäftigung für viele junge Leute wie mich, aber die Zeiten haben sich geändert“, sagt Briem, der seit 2008 Vereinsvorsitzender war. In der zunehmend digitalen Welt sterbe die Sammelleidenschaft aus, Briefmarken seien nicht mehr zeitgemäß.
Die 2021 anlässlich des 100-jährigen Vereinsbestehens von Briem geäußerte Hoffnung, der Stader Briefmarkenverein möge eine Renaissance erleben, hat sich nicht erfüllt. Es gebe zwar immer noch viele ältere Sammler, doch von denen wolle sich kaum jemand noch im Verein engagieren, sagt Briem.
Open Air
Wacken-Fans stehen auf Briefmarken
Der Stader Briefmarkenverein hat über die Jahre zu unterschiedlichsten Anlässen Sonderstempel und Briefmarken für Stade herausgegeben. Die auf den Marken abgedruckten Bilder vom Stader Hafen oder der Cosmae Kirche hat der Hobbykünstler teilweise selbst gemalt.
Briems älteste Briefmarke ist mehr als 150 Jahre alt
Noch heute entwirft Briem für seine Enkelkinder eigene Briefmarken. Auch die Einladungen für die monatlichen Treffen der übrig gebliebenen Briefmarkensammler im Horst Casino trudeln stets mit von ihm gestalteten Umschlägen mit immer neuen Marken, Bildern und Stempeln bei den Adressaten ein. In Auftrag gibt Briem alles bei den Sonderstempelstellen Berlin und Weiden.
Wie viele Briefmarken es in Gerhard Briems Haus in Stade-Wiepenkathen insgesamt gibt, ist unmöglich zu sagen. Gut gesichert stecken Marken allein in 23 Alben, in denen keine Marke doppelt vorhanden ist. Briems älteste Marke stammt aus dem Jahr 1872. Der Briefmarken-Jahrgang 1872 der Deutschen Reichspost ist der erste Briefmarkenjahrgang des im Januar 1871 gegründeten Deutschen Kaiserreichs. Beim Sammeln hat Briem sich zunächst auf Europa und später auf Deutschland konzentriert.

Mit dem Satz "Blut und Tränen seine Saat sein Wirken war nur Missetat" wurden diese Briefmarken mit Hitlers Konterfei nach Ende des Zweiten Weltkrieges überdruckt und weiter verwendet. Foto: Stehr
Der Diplom-Ingenieur, der früher bei Airbus gearbeitet hat, besitzt nicht nur Marken aus dem Kaiserreich, sondern auch aus beiden Weltkriegen, aus den späteren Besatzungszonen und sammelt bis heute weiter. Natürlich darf auch ein Faksimile, also eine originalgetreue Reproduktion, eines Originalbriefs mit der wohl berühmtesten Briefmarke der Welt nicht fehlen - der blauen Mauritius.
Je seltener eine Briefmarke, desto wertvoller ist sie
Grundsätzlich gilt: je seltener eine Marke, desto wertvoller ist sie. Entscheidend sind häufig die Wasserzeichen. Handelt es sich dabei um einen Fehldruck, gibt es zum Beispiel Marken, die aufgrund ihrer Seltenheit einen Katalogwert von 60.000 Euro haben.
Ansonsten wäre die Marke nur 2 Euro wert, erklärt Briem. Ob er selbst eine solche Marke in seiner Sammlung hat und wie viel seine Briefmarken insgesamt wert sind, bleibt Briems Geheimnis. Ohnehin liege der heutige Verkaufswert nur bei 20 bis 30 Prozent des Katalogwerts, sagt der Sammler.
Briem hat neben seiner Hauptsammlung noch unzählige doppelte Marken aus den Jahren 1956 bis 2001, die er gerne kostenfrei an Sammler abgibt - solange der Vorrat reicht.
„Unsere Gruppe wird weiterhin kostenfrei Sammlungen schätzen sowie beim Verkauf beraten“, sagt Briem. Interessierte können sich unter der Nummer 04141/ 81281 oder per E-Mail an gerhard.briem@online.de melden.